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MILA

Ich weis nicht, wie ich mich am nächsten morgen fühlen soll. Das gestern hat sich so gut und doch so falsch angefühlt. Ich bin mit klopfendem Herzen eingeschlafen und aufgewacht. Was macht dieser Fergus nur mit mir? Wieso habe ich es so genossen, als er seine Hand an mir hatte? Und wieso hat er mich nicht geküsst? Sein Gesicht war so kurz vor meinem... Wieso? Weil er mich doch so abstoßend findet oder denkt ich kann nicht küssen? Was es auch sein mag, es verwirrt mich. Meine Gefühle fahren Achterbahn und ich kann es nicht stoppen.
Endlos verwirrt starre ich ins nichts. Fergus ist schon vor einer Stunde verschwunden, hat sich geduscht und ist durch die Tür in den Flur. Wohin weiß ich nicht. Aber ich habe es bis jetzt nicht geschafft mich zu bewegen. Zu intensiv denke ich über gestern nach. Es ist ein Schlamassel.
Vor nichtmal einer Woche lag ich noch in London in meinem Bett und hätte nie gedacht, das es je so weit kommen mag. Verdammt das hätte ich niemals.

Mein knurrender Magen ist der einzige Grund, wieso ich mich erhebe und ins Bad schlürfe. Erin hat mir zum Glück ein paar mehr Sachen überlassen, so das ich nun auch etwas zum anziehen habe. Ein graues Shirt und eine schwarze Hose. Ich gönne mir eine Dusche und ziehe mich danach an.
Als ich in den Flur trete höre ich von unten Geräusche. Neugierig mache ich mich auf den Weg. Der Hunger sitzt mir in den Knochen. Mein Magen grummelt bereits als ich im Türrahmen der Küche stehe. Sie ist leicht zu finden, direkt hinter der Treppe. Hinter der Kochinsel entdecke ich eine Frau, die Rühreier macht. Am langen Tisch im Esszimmer nebenan entdecke ich Erin. »Guten Morgen«, mache ich auf mich aufmerksam. Sie deutet mir mit der Hand einzutreten. »Morgen, Setz dich doch. Hast du Hunger?«, fragt sie mich. Als ich den Tisch umrunde entdecke ich das Baby in ihren Armen. Mich überrascht, das sie ein Kind mit diesem Ewan hat. Es ist niedlich, hat große Runde Augen und volle Wangen, kann kaum älter als ein paar Monate sein.

Ich setze mich auf die linke Seite des Tisches. Kaum sitze ich, bringt mir die Frau aus der Küche einen vollen Teller Eier und Speck. »Wünschen sie noch etwas anderes, Miss?«, erkundigt sie sich lächelnd. »Eine Tasse Kamillentee vielleicht? Danke«, bitte ich. Sie nickt still und verschwindet wieder um mein Getränk zuzubereiten. Unterdessen beginne ich zu essen. Es schmeckt köstlich.
»Ist Fergus schon weg?«, fällt mir dann auf. Es ist weder für zwei Leute mehr gedeckt, noch ist eine Spur von ihm und seinem Cousin zu sehen.
Erin nickt auf die Fenster zu. »Sie sind hinten im Garten. Keine Sorge, er hat dich nicht hiergelassen«, lächelt sie amüsiert. Der Säugling in ihren Armen gibt ein Geräusch von sich. »Alles Gut, hast du Hunger?«, fragt sie und steckt dem Baby eine Flasche in den Mund. Schmatzend lehnt sich das kleine Wesen an sie.
»Also, läuft da zwischen dir und Fergus was?«, kommt sie auf ihn zurück. Mit vollem Mund schüttle ich den Kopf und schlucke schnell mein Essen hinunter um zu antworten. »Gott nein!«
»Das kam jetzt ein bisschen zu schnell, um es zu glauben.«
»Es ist die Wahrheit. Ich bin froh dass er mich nicht auf der Straße stehen gelassen hat...«
»Woher kennt ihr euch?«, möchte Erin, das Baby fütternd, wissen. Die Dame aus der Küche stellt eine Tasse Tee vor mich und verflüchtigt sich schnell wieder. Ich nippe an dem warmen Getränk und verschaffe mir so etwas Zeit um zu antworten. Wie soll ich nur anfangen?

»Wir kennen uns vom Strand«, sage ich. Den Teil in dem ich mich ertränken wollte lasse ich vorerst aus. Das muss sie nicht wissen. Die dunkelhaarige blickt mich neugierig an. »Und wie genau ist es dazu gekommen, das ihr vor diesen Männern geflüchtet seid? Wie passen die in die Geschichte?«, hakt sie weiter nach. Sie scheint wirklich alles wissen zu wollen. »Die Bodyguards meines Vaters? Die sollen mich zurückbringen.«
»Also bist du vor ihm abgehauen?«, vergewissert sie sich. »Offensichtlich«, nuschle ich und schiebe mir ein weiteres Stück Ei in den Mund.
»Und wieso?«
Langsam wird sie neugieriger. Das gefällt mir nicht so gut. Ich will nicht, dass sie weiß wer es ist. Egal ob sie ihn kennt oder nicht, ich schätze ein das sie es diesem Ewan stecken wird. Der kennt meinen Vater sicher, wenn auch nur vom hören. Dieses Risiko will ich nicht eingehen.
»Unwichtig. Ich will nicht über meine Familie sprechen... Es ist zu viel passiert, okay?«, bitte ich sie leise. Ich werde es nur ein einziges Mal sagen. Ihre Mundwinkel zucken, doch ich sehe diesen Blick der in ihren Augen liegt. Sie ist skeptisch. »du klingst aber nicht, als wärst du von hier«, stellt sie schließlich fest. Ich lege die Gabel zur Seite, rupfe mir meine Lippen mit einer Serviette ab und lehne mich zurück. »Du auch nicht. Darf ich raten?«
»Nur zu.« Mit einer ausladenden Geste deutet sie mir fortzufahren. »Liverpool?«
Sie grinst. »Fast, Manchester. Aber an deiner Stimme höre ich, das du nicht von dort bist.«
»London«, antworte ich, »Aber meine Familie ist osteuropäischer Abstammung. Ich lebe aber mein ganzes Leben bereits in London«, erzähle ich ihr. Neben meinem Teller steht eine Schüssel Obst, aus der ich mir eine Nektarine schnappe und hineinbeiße. Die süße Fleischfrucht schmeckt himmlisch. Es müssen die Letzten des Jahres sein, oder importiert. Wobei dieses Castle doch sicher ein Gewächshaus hat, oder?
Langsam wird es wieder Winter. Der Herbst ist fast hinüber, das Jahr verflog Schnell. Den größten Teil des Jahres habe ich in meinem Zimmer verbracht. Hinter den dicken Mauern der Villa saß ich und habe meine Zeit abgesessen wie ein Sträfling mit Lebenslanger Haftstrafe. Ich bin stolz auf mich, das ich es endlich geschafft habe auszubrechen.

»Daher kommt auch dein Name, oder? Für was ist Mila eine Abkürzung?«, holt mich Erin aus meinen Gedanken. Sie isst eine Weintraube und wartet mit großen Augen auf meine Antwort. »Ludmila, aber den benutze ich nie«, gestehe ich ihr. Ich hasse es wenn ich mit meinem vollen Namen angesprochen werde. Das tut nur mein Vater und nur wenn er mir etwas befiehlt. Deswegen nur Mila. Außerdem hat mein Bruder mich so genannt. Manchmal erinnere ich mich nicht mehr an seine Stimme, oder daran wie groß er war. Es macht mich traurig, das die Erinnerungen an ihn verblassen. Ich vermisse ihn so sehr und will ihn niemals vergessen...

»Schöner Name«, lächelt Erin warm. Diesmal erreicht es ihre Augen. Ob sie glücklich ist? Sieht so aus. Dieser Ewan scheint nett zu ihr zu sein, was mich überrascht. Er und Fergus sind beide Griesgrämige Cousins. Ein Wunder das er überhaupt jemanden wie Erin gefunden hat.
Vielleicht sollte ich nicht so über die Menschen urteilen, aber wer nimmt es mir übel, nachdem er mir eine Pistole an den Kopf gehalten hat? Er hat mir einen verdammten schrecken eingejagt.

»Morgen«, erklingt dann Fergus' Stimme. Er spaziert vor Ewan ins Esszimmer und schnappt sich galant einen Apfel. Es ist das erste mal, das ich ihn seit gestern Abend sehe. Ich kann ihm nicht in die Augen schauen. Auch nicht als seine Hand die Lehne meines Stuhls berührt und er sich neben mich setzt. Zu groß ist der Scham den ich verspüre. »Isst du das noch?«, fragt er in den Apfel beißend und deutet gierig auf meinen Teller. Es ist nicht mehr viel vom Ei übrig, aber das scheint ihn nicht zu kümmern. »Nein, ich bin fertig«, antworte ich und er schnappt sich direkt eine Gabel.
Im Augenwinkel sehe ich wie Ewan der dunkelhaarigen einen Kuss auf die Stirn drückt und ihr das Baby abnimmt. Fergus breitet unterdessen seine Beine aus und isst meinen Teller leer. Er hat sich zurückgelehnt und genießt den Rest meines Frühstücks. Die Stimmung zwischen uns ist kurios geworden. Wie soll ich ihm nur je wieder in die Augen schauen? Allein wenn ich daran denke, was gestern passiert ist, könnte ich am liebsten im Erdboden versinken. Wie zum Teufel kam es so weit? Und wieso ist dieses Gefühl, dass in meine Mitte schießt so prickelnd, wenn ich auch nur an seine Hand zwischen meinen Beinen denke?

Serpent King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt