MILA
Mit einem Handtuch, das fest um meinen Oberkörper geschlungen ist, laufe ich durchs Castle. An der Luft ist es eisig mit nasser Haut geworden. Über die Schwimmteich hat sich eine feine Schicht Nebel gebildet, der mystisch über dem warmen Wasser schwebt.
Ein paar Angestellte kommen mir auf meinem Weg nach oben entgegen. Ich lächle ihnen zu und ziehe das Handtuch immer enger. Wo Fergus nur hin ist? Er sah unzufrieden aus. Etwas muss vorgefallen sein.
»Fergus?«, frage ich leise und klopfe an die angelehnte Tür seines Zimmers. Keine Reaktion. Noch einmal klopfe ich doch wieder kommt nichts. Auf Zehenspitzen schleiche ich mich ins Zimmer und stelle fest, das es leer ist. Skeptisch gehe ich bis zur Badtür und klopfe auch da einmal, bevor ich eintrete.
»Verpiss dich!«, faucht der Schotte mir vom Waschbecken aus entgegen. Erschrocken zucke ich zusammen und halte mir mein Herz. »Erschreck mich nicht so...«, hauche ich mit rasendem Puls.
Seine Augen sind zusammengekniffen, die Augenbrauen wenige Millimeter entfernt, seine Stirn in Falten. Die Kapuze ist er mittlerweile losgeworden und auch seine Hände sehe ich. Sie zittern.
Ich entscheide mich dazu nicht auf seine Worte zu hören.
»Fergus?«, murmle ich besorgt und gehe auf ihn zu. Neben ihm zum stehen kommend entdecke ich die Überreste der weißen Linie, die mit Pulver auf den Marmor gezogen wurde. Kokain.
Mein Herz wird ganz schwer. »Wieso nimmst du sowas?«, frage ich ihn vorsichtig. Er schnaubt und schubst mich ein Stück zurück. »Geh«, fordert er mich auf. Kopfschüttelnd verharre ich in meiner Position. Wenn ich abhaue, wird es dann schlimmer? Mir wird erst jetzt bewusst das er ein Drogen Problem haben muss. Ist er etwa die ganze Zeit auf diesem Zeug gewesen, als wir mit dem Auto unterwegs waren? Bin ich mit ihm mitgefahren als er high war? Am Strand im Auto hatte er auch diese Tütchen liegen, die ich nun neben dem Waschbecken finde. Sie sind fast leer.
»Verpiss dich einfach, bevor ich richtig sauer werde«, rät er mir verbittert. Seine Hände sind zu Fäusten geballt. Ich will noch etwas sagen, aber kein Laut verlässt meine Lippen.Durch das geöffnete Fenster klingen die Geräusche eines Helikopters ins Zimmer. Das drehen der Rotoren wird stetig lauter. Hinter den Bäumen erkenne ich das schwarze fliegende etwas über den Loch Ness kreisen.
Fergus stößt ein angestrengten Laut aus. Schluckend gleiten meine Augen wieder zu ihm. Durch den Spiegel schauend sehe ich, wie er die Augen zusammenkneift und sich mit der Handfläche über die Stirn wischt. »Alles okay?«, will ich besorgt wissen. Wieder keine Antwort. Sein Kiefer spannt sich an, sein Brustkorb hebt und senkt sich hektisch. Er tastet nach etwas, doch rutscht ab. Das Glas mit den Zahnbürsten geht zu Boden und zerspringt in tausend Teile. Ich stehe daneben und weiß nicht, was ich tun soll. »Was ist los?«, frage ich ihn wieder und berühre ihn am Arm. Blitzschnell hat er mein Handgelenk gepackt, mich gegen die Tür geschleudert die hinter mir krachend ins Schloss fällt und mir eine Pistole an die Stirn gedrückt. Ängstlich halte ich die Luft an und starre in seine eisigen Augen in denen ich keine Emotion mehr erkenne. »Von welcher Einheit bist du?«
»Was?«, krächze ich den Tränen nahe, »Fergus du machst mir Angst...«
Der kalte Lauf ist präsenter den je. Er drückt ihn tief in meine Haut und starrt mich an, als wäre ich der Feind. Im Hintergrund hört man immer und immer wieder den Hubschrauber. Hat er sowas wie Wahnvorstellungen von den Drogen?
»Von welcher verdammten Terroristen Einheit du bist?«, schreit er mir ins Gesicht. Seine Spucke trifft bei Hemden Wort mein Gesicht und ich zucke abermals unter seinen Griffen zusammen. »Was bedeutet das Fergus?«, wimmere ich weinend, »Was tust du?«
»Woher kennst du meinen Namen?«, raunt er und fletscht die Zähne, »WOHER?«
Ich habe Todesangst. Weinend versuche ich ihn mit meiner freien Hand ihn von mir zu drücken, doch er drückt sein ganzes Gewicht gegen mich und die Tür, macht es mir so unmöglich abzuhauen. Ich verstehe nur Bahnhof. Was geschieht hier nur?»Woher wisst ihr, wo unser Camp liegt?«, durchlöchert er mich weiter, den Lauf der Waffe tiefer in meine Stirn bohrend. Er hat den Finger bereits am Abzug. Weinend kneife ich meine Augen zusammen und bete leise. »Sag!«
Seine Stimme jagt mir Gänsehaut durch die Knochen. Aber langsam scheine ich zu verstehen was es ist, oder sein könnte. Mit allem mit den ich aufbringen kann schaue ich ihm in die Augen. Jemand anderes blickt mir durch sie entgegen, nicht Fergus. Wieder der Helikopter im Hintergrund, jetzt macht es klick.
»Camp? Wir sind im Castle, Fergus. In Schottland«, flüstere ich ihm entgegen. Sein Gesicht nur wenige Zentimeter vor meinem. »Lüg nicht. Du magst unsere Sprache sprechen, trotzdem haben deine Leute meine Kameraden auf dem gewissen«, spuckt er, »dafür wirst du büßen!«
Der maskuline Mann entsichert die Waffe mit einem klicken und ich beginne unter seinen Griffen zu zappeln. »Nein, komm schon! Fergus schau mich an. Ich bin es, die die dir das Flugzeug klauen wollte, das in deiner Wohnung steht!«, flehe ich ihn an. Wo auch immer er sich gerade befindet, es ist sicher nicht hier. Blinzelnd zieht er seine Augenbrauen noch fester zusammen, schluckt verwirrt.
»Erinnerst du dich nicht daran?«
Er bleibt still. Die Rotoren des Helikopters draußen werden wieder lauter, der Griff an der Pistole stärker. Mein Kopf dröhnt. »Fergus... wo sind wir?«, stelle ich ihm die Fragen aller fragen. Je näher der Helikopter uns kommt, desto heftiger zuckt er zusammen. »Lass mich das Fenster schließen...«, bitte ich ihn. Er lehnt seine Stirn gegen meine und atmet schwer gen Boden. Vorsichtig fahren meine Finger seinen Arm hinauf zu seiner Hand, in der er die Pistole hält. »Wüste...«, brummt er kehlig, »Afghanistan.«
»Schottland«, wispere ich korrigierend und drücke den Lauf der Pistole von meinem Gesicht. Erleichtert schließe ich meine Augen, seine Stirn reibt gegen meine, sein heißer Atem streift meine Lippen. Hektisch und unregelmäßig öffnet er den Mund um Luft zu holen. Sein fester Griff um mein Handgelenk lässt nach. Ich ergreife die Chance um meine andere Hand ebenfalls an ihn zu legen. Meine Fingerkuppen streifen seinen Pullover, direkt über seiner Brust. Sie ist hart und warm, trainiert und kräftig. Meine letzten Tränen versiegen.»Mila«, keucht Fergus nach wenigen Sekunden... »Mila es tut mir leid...«, wispert er als er realisiert was passiert ist. Er bringt Abstand zwischen uns, schmeißt die Pistole in die leere Badewanne, als hätte er sich am Lauf verbrannt. Panisch starrt er auf mich hinab und schüttelt den Kopf. »Was war das gerade?«, frage ich ihn leise. Wieder nur Kopfschütteln. Erschöpft kehrt er mir den Rücken und taumelt die letzten Meter zum Waschbecken zurück. Er beugt sich hinab auf die Marmorplatte und schnieft die letzten Millimeter der Line. Die leeren Tütchen versenkt er im Mülleimer und stürmt an mir vorbei aus dem Zimmer. Er lässt mich mit tausend fragen allein zurück. Ich starre ihm noch hinterher, da ist er längst den Gang hinunter verschwunden. Einstig und allein die auftauchende Erin holt mich aus meiner Schockstarre. Sie kommt mit besorgter Mine auf mich zu und diesmal weiß ich, dass das Mitleid nicht mir gilt, sondern Fergus.
»Er hatte ein Flashback, oder? Es war der Helikopter... wir wussten nicht das er so nah kommen wird...«
Schulterzuckend sehe ich wie sie auf mich zukommt und ihre Arme um mich schlingt. Ihre Umarmung ist so warm und mütterlich, das ich fast dahinschmelze und all meine verkrampften Muskeln sich langsam aber sicher lösen. »Tut mir leid dass du das mit ansehen musstest«, wispert sie mir ins Ohr, doch meine Gedanken sind schon längst wo anders. Fergus wollte mich mit einer Pistole töten, weil er dachte er sei in Afghanistan. Das ergibt alles so wenig Sinn und doch macht es mir so viele Sorgen.
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Serpent King | 18+
RomanceFergus Duncan, ein drogenabhängiger Ex-Soldat lernt Ludmila Karakov kennen, eine junge Frau die verzweifelter nicht sein könnte und sich in die eisigen Fluten des Meeres stürzen will. Ihr letzter Ausweg vor einer Heirat mit einem Mann, der ihr Vater...