FERGUS
Schüsse. Aus einer Richtung dringen Schüsse. Mein Herz schlägt panisch auf. Aus dem Feldbett heraus schwinge ich meine Füße über die Kante und blicke mich im Raum um. Ich brauche nur wenige Sekunden um in meine Schuhe zu schlüpfen.
»Das klingt nah«, merkt Henry an. Nickend erhebe ich mich und schiebe die abdunkelnde Gardine vor dem Fenster zur Seite. Draußen ist es dunkel, Sterne stehen hoch am Himmel. »Wir sollten nachsehen was los ist, vielleicht ist einer der Aufständischen in den Zaun gefahren«, schlage ich vor. Das muss ich ihm nicht zweimal sagen.
Nur mein bester Freund schläft noch. Ich berühre seine Schulter sanft und rüttle an ihm. »Neal«, sage ich, »wach auf, draußen passiert etwas. Es wird geschossen«, murmle ich. Seine grünen Augen öffnen sich endlich, er nickt. »Okay.«
Wieder Schüsse. Ich werfe mir eine Jacke über und warte auf meine Kameraden. Im Korridor der Basis herrscht Trubel. Wir folgen der Masse ohne zu wissen was los ist. »Hey Skid!«, hält Neal den schwarzhaarigen an, der zuvor an uns vorbeigerannt ist. »Was ist los?«, will er wissen. »Die Terrorristen greifen an! Etwas nähert sich der Basis, wir müssen uns bereit machen«, erklärt er abgehetzt und deutet uns ihm zu folgen. Er rennt wieder los, wir hinterher. An der Verteilstation der Waffen herrscht Chaos. Ich laufe sofort zu meinem Platz und öffne den kugelsicheren Spind, in dem meine Ausrüstung steckt. Selbst hier drin herrschen über dreißig grad, was bedeutet das es draußen noch wärmer sein muss. Allein bei dem Gedanken wird mir übel. »Hey Duncan, ihr bleibt am Boden«, erklingt plötzlich die Stimme unseres Team Captains. Verwundert drehe ich mich zu ihm. Während alles um uns im Chaos versinkt sollen wir nicht fliegen?«
»Was? Wieso?«, rufe ich über die lauten Schüsse und das hektische Gerede der Soldaten hinweg. »Wir brauchen euch hier. Schnappt euch die Maschinengewehre und Munition, Combat Kleidung. Ihr seit an der südlichen Mauer eingeteilt. Bewegt eure Ärsche!«, die letzten Worte schreit er nur so. Ein lauter Knall folgt dem nächsten. Adrenalin rauscht mir durch die Adern. Funktionierend und bis unter die Zähne bewaffnet eile ich durch die Türen nach draußen in die heiße Nacht. Der staubige Boden wirbelt unter den vielen Schuhen auf und setzt sich in meiner Lunge ab. Hustend schlage ich mir den Ärmel vor den Mund renne weiter in Richtung Süden, an den Stationen vorbei, über das Rollfeld zur Mauer. Neal, Henry und Skid folgen.
Ein paar andere sind bereits vor Ort. Die Schüsse sind so nah, das sie sich in mein Gehirn brennen. Wortlos rutsche ich über den Sand und sprinte die Leiter der hohen Mauer nach oben, bis auf das Podest. Neben Josh sinke ich auf die Knie und lege das Maschinengewehr auf. »Was jetzt?«
»Jemand hat mir gesagt, das du fast Scharfschütze geworden bist«, flüstert er durchs Visier blickend. Schluckend lege ich mich auf den Beton und tue es ihm gleich. Schwach erkenne ich einige Gestalten in der Ferne, doch sie greifen nicht an. Auf unserer Seite ist kaum etwas davon zu spüren. Die ganze Action spielt sich hinter uns ab. »Wir sollten überhaupt nicht am Boden sein!«, beschwert Neal sich fluchend neben mir. Henry und Skid stimmen zu. Auf dem Kiefer mahlend lege ich meine Hand an den Abzug und beobachte die Männer weiter. »Identifiziert? Könnten auch Zivilisten sein«, spreche ich zu Josh. Er schüttelt kaum merklich den Kopf. »Nein, sind sie nicht. Sieh nur was sich unter der Kleidung abzeichnet, das sind keine Zivilisten.«
Er hat recht. Als ich über ihre Körper schwenke erkenne ich es deutlich. »Wollen die sich an die Mauer schmeißen?«, fragt Skid. Hinter uns lassen mich einige Schüsse zusammenzucken. Tief durchatmend richte ich meine Augen starr nach vorn. »Sie warten auf eine Gelegenheit. Irgendwas läuft hier noch. Es scheint nicht, als wäre das was an der Nordseite abgeht, der eigentliche Plan«, fällt mir auf. Das riecht verdammt nach einer Größeren Nummer.Plötzlich pfeift etwas über unsere Köpfe und die Männer beginnen zu rennen. Instinktiv drücke ich ab, immer und immer wieder. Dann ein gewaltiger Knall, der uns vom Podest hinunter auf den Sandboden befördert. Die Druckwelle haut mich um, schleudert meinen Körper gegen die Mauer. Ich sehe Feuer, höre schreie, Sterne tanzen vor meinen Augen. Überall Explosionen, in der Luft schwebt der Geruch von verkohltem Holz, Blut und Treibstoff. »Fergus!«, brüllt Neal, doch ich werde ohnmächtig, während meine Ohren noch von der Rakete klingeln, die so eben unser Camp getroffen hat.
Erschrocken fahre ich aus dem Schlaf auf und falle fast aus dem Bett. Schwer atmend suche ich nach halt, stütze mich am Nachttisch ab, bevor ich zitternd aufstehe und zum Fenster taumle, um es wie ein wilder aufzureißen. Ich bekomme keine Luft. Japsend schlage ich auf den Rahmen des Holzes und reiße den Mund auf. Die Schüsse hallen mir in den Ohren, Blitze zucken vor meinen Augen. Ich rieche Blut, spüre die Explosion an meinem Körper, dabei stehe ich hier am Fenster - nicht in der Wüste. Doch in mir herrschen fünfzig Grad. In mir tobt der Krieg, der mich in den Wahnsinn treibt. Alleinig die zarte Hand auf meiner nackten Schulter reißt mich aus meinen schrecklichen Gedanken. Mein Körper erbebt unter meinem zucken, als ich ihre Finger auf meinem Körper spüre. »Ich bin's nur«, wispert sie sanft und tritt neben mich, ihre warme Hand verschwindet von mir. Ich starre Mila an, als wäre sie ein Geist. Sie steht nur in einem Shirt bekleidet neben mir in der Dunkelheit. Erst beim genaueren hinsehen identifiziere ich meine Kleidung an ihrem Körper.
Sie saugt mit geschlossenen Augen die frische Nachtluft ein, die uns kalt um die Ohren pustet. Sprachlos starre ich die Britin von der Seite an. Ihre vollen Lippen zucken nach oben. »Schön, oder?«, fragt sie mich und nickt auf die vielen Sterne. Ich spare mir eine Antwort und wende mein Gesicht wieder geradeaus. Schluckend lege ich meine beiden Hände auf den Fensterrahmen, so wie sie zuvor. Es ist ein stiller Drang mich an etwas festzuhalten, das mich erinnert das ich im hier und jetzt und nicht in Afghanistan bin. Es fällt mir verdammt schwer...
Mir geht es dreckig. Jede Faser meines Körpers sehnt sich nach einer Portion Kokain, doch den Rest habe ich heute Nachmittag genommen. Fuck, das war dumm von mir. Ich hätte es besser wissen müssen...
»Mein Bruder hat früher immer die Sterne für mich gezählt bis ich eingeschlafen bin. Er hat mir diese Aufkleber gekauft, die leuchten in der Nacht und hat sie an der Decke über meinem Bett befestigt. Wenn ich Albträume hatte, erzählte er das die Sterne all meine bösen Träume aufsaugen und leuchten um all die schlechten Energien von mir fernzuhalten«, lächelt sie traurig. Ich bin nicht sicher was sie damit ausdrücken will. Auf dem Kiefer mahlend starre ich ins nichts und verliere meinen Blick am Horizont. Gerade war mein Kopf noch so voll und laut, nun ist es mucksmäuschenstill. Milas Gefasel von den Sternen scheint zu wirken. Trotzdem sehne ich mich nach dem teuren Schnee, den ich konsumieren kann. Meine Hände Kribbeln nervös. Es ist schon Stunden her, seit ich das letzte mal etwas genommen habe.
Milas Augen huschen zu meinen Händen hinab. Ihr Lächeln schwindet sekündlich. Lippenbeißend schaut sie mich von der Seite an und legt den Kopf schief. »Deine Tabletten liegen auf meinem Nachttisch. Nimm sie dir wenn du sie brauchst«, wispert sie bedacht. Wieder halte ich es nicht für nötig zu antworten. Sie seufzt ein letztes Mal, streift meinen Oberarm zögerlich mit ihren Fingerkuppen und tritt vom Fenster weg. »Gute Nacht Fergus, Schlaf gut«, wünscht sie mir kaum hörbar. Für einen Moment denke kch, das es nur Einbildung war. Sie streift hörbar die Laken zur Seite und legt sich hinein. Erst als ihr Atem gleichmäßig ruhig geht, wage ich es zurückzukehren. Ich drehe mich ihr zu, lege meinen Arm unter den Kopf und beobachte sie. Milas unschuldige Aura ist faszinierend. Wie ein Engel ohne Flügel. In meinen Fingerspitzen kribbelt es. Kopfschüttelnd presse ich meine Lippen aufeinander und wage es ein letztes Mal auf ihr liebliches Gesicht zu blicken. Sie wirkt unbeschwert und doch erkenne ich die Last, die auf ihren Schultern wiegt. Ist es ihr Bruder? Oder doch nur ich? Sie sollte keine Gedanken an mich verschwenden. Menschen wie sie und ich, sind wie Tag und Nacht. Das würde niemals funktionieren, egal wie sehr sie es wollen würde. Dafür bin ich zu kaputt.
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Serpent King | 18+
RomanceFergus Duncan, ein drogenabhängiger Ex-Soldat lernt Ludmila Karakov kennen, eine junge Frau die verzweifelter nicht sein könnte und sich in die eisigen Fluten des Meeres stürzen will. Ihr letzter Ausweg vor einer Heirat mit einem Mann, der ihr Vater...