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FERGUS

zweiundzwanzig Jahre zuvor...

Ich kann nicht schlafen. Mein Bauch tut von der vielen Eiscreme weh, die Ewan, Tante Glenna und ich nach dem Abendessen gegessen haben. Sie hat mir einen großen Becher mit Schokoladeneis, Streuseln und eine Menge Erdbeersoße gemacht. Jedes Mal wenn ich bei Ewan und Tantchen bin, macht sie uns dieses leckere Eis. Ich liebe es hier. Das Haus in dem sie wohnen sieht aus wie das aus den Büchern, die Mom mir immer vorließt wenn ich nicht schlafen kann. Ich würde natürlich nicht zugeben, das mir gefällt das sie mir vorliest, dafür bin ich zu alt, schließlich bin ich schon sechs. Ich bin zu alt um das zu mögen, zumindest sagt Ewan das zu mir. Er geht schon in die Schule und weis immerhin, was cool ist. Ich hingegen komme erst nächstes Jahr in die Schule. Mom sagte, das ich noch nicht alt genug bin. Danach hat sie mir ein cooles Spielzeugauto gekauft. Sie ist die beste, die man sich vorstellen kann. Mom sagte, das ich bald eine Schwester bekomme, aber ich weiß nicht, was das bedeutet. Als sie es mir erzählt hat, habe ich sie zuerst gefragt ob ich mir dann ein Zimmer mit ihr teilen muss und Dad versprach mir, das es nicht so sein wird.
Tante Glenna hat heute gesagt, das sie gern hat, wenn ich hier bin. Es erinnert sie an das zweite Kind was sie nie hatte, aber ich weiß auch nicht was das bedeutet. Ich weiß nur das ich gern hier bin und sie mich gern hier haben. Mom und ich spielen fast jedes Wochenende auf der großen Wiese im Garten. Sie lacht immer laut, wenn ich sie umrenne und wir zusammen im feuchten Gras zu Boden gehen. Danach drückt sie mir immer einen dicken Schmatzer auf die Wange, den ich mir mit verzogenen Lippen abwische, doch das bringt sie nur noch mehr zum Lachen.

Ich weiß nicht warum ich an Momy denke. Vielleicht weil sie versprochen hat zurück zu sein, bevor ich zu Bett gehe. Doch als der Mond uns begrüßt hat, sagte Tante Glenna das es nun Zeit fürs Bett würde. Ich darf wie immer bei Ewan im Zimmer schlafen. Er hat grüne Wände und eine Kletterwand die wie ein alter Baum aussieht. Davor liegt eine weiche Matratze auf die wir vorhin lachend gefallen sind. Nun erhellt der Mond die Spielecke. Nachdenklich beobachte ich wie die Schatten über die gemalten Bilder an der Wand wandern. Es ist so ruhig im Zimmer, das ich fast einschlafe. Aber nur fast. Meine Augen wandern zu Ewan, der tief und fest schläft. Als es blitzt und ein tiefer Donnerschlag folgt zucke ich zusammen und drücke meinen Hasen mit den langen Schlappohren und der Latzhose enger an mich und vergrabe mein Gesicht im weichen Fell. Normalerweise wäre ich schon längst bei Mom und Dad im Bett. Wieso sind sie noch nicht da?
»Ewan?«, wispere ich mit dünner Stimme und zucke bei jedem Gewitterschlag erneut zusammen. Der blonde regt sich nicht. Er liegt schlafend neben mir, als würde er das tobende Gewitter draußen nicht hören. Schluckend blinzle ich in Richtung der großen Fenster. Gigantische Regentropfen rinnen die Scheibe hinunter. Ich mag den Regen, Dad hat mir erzählt das die Blumen die Mom und ich im Garten gepflanzt haben dann wachsen werden. Er sagte, das der Regen all die bösen Träume und Erinnerungen fortwäscht, wenn ich ihn nur lasse.

Die Tür des großen Hauses fällt hörbar ins Schloss und ich atme auf. Das müssen sie sein! Erfreut springe ich auf und flitze aus Ewans Zimmer hinaus in den Flur. Die Lichter im unteren Teil erhellen den Flur nur schwach, die Blitze erhellen die Räume für kurze Zeit. Blaues blinkendes Licht blendet mich, als ich die letzte Stufe hinunterhüpfe und meine nackten Füße den lustigen schwarz-weißen Boden berühren, auf dem Ewan und ich immer Hüpfekästchen spielen. Mit meinem Hasen in der Hand eile ich auf das große Zimmer zu, in dem mein Onkel einen alten Schreibtisch hat. Feuer knistert im Kamin, die Tür ist nur einen Schlitz geöffnet. Neugierig spähe ich ins Innere und entdecke drei fremde Männer bei meinem Onkel und meiner Tante stehen. Tante Glenna schluchzt weinend und hat sich mit dem Gesicht gegen Onkel Alistairs Schulter gelehnt. Mom und Dad sind also doch nicht da, schade ... Aber wer sind diese Männer die mit dem Rücken zu mir stehen? Neugierig lehne ich mein Gesicht gegen das Holz der Tür und luge durch den Schlitz. Wieso weint Tantchen?

»Es tut mir sehr leid Mr und Mrs Duncan, aber wir müssen ihnen noch ein paar Verdächtige zeigen«, spricht der eine mit rauer Stimme. Schluckend werden meine Augen größer, als er ein paar Bilder herausholt. Mein Onkel schaut wütend. Was ist passiert? Gespannt werfe ich meine Augen auf die Gesichter auf den Bildern, die ich sehe als mein Onkel den Männern sie ihnen zurückgibt. Der eine hat bunte Haare und schaut komisch. Es sieht lustig aus. Der zweite hat eine Glatze und schaut aus wie Grandpa. Der dritte hat finstere Augen und einen angsteinflößenden Blick. Seine Haare sind fast schwarz. Er sieht gruselig aus. Die drei Gesichter brennen sich wie das heiße Feuer in mein Gedächtnis. »Ich kenne niemanden von diesen Männern, es tut mir leid. Haben sie sonst noch etwas für uns? Was werden sie jetzt tun?«
»Ihre Leichen werden in die Stadt in die Gerichtsmedizin gebracht, um sicher zu gehen was die Todesursache gewesen ist. Danach können sie sie beerdigen«, erklärt der andere der Fremden. Verwirrt drücke ich meinen Hase noch näher an mich heran und blicke ins Gesicht meiner Tante, die die ganze Zeit über schrecklich weint. Über wen sprechen sie da nur?
»Und ihr Sohn? Fergus... er ist hier... er hat doch jetzt nur noch uns, wenn seine Eltern in diesem Auto gestorben sind«, schluchzt sie. Es donnert und ich schrecke auf. Tränen fluten meine Augen und ich springe ein Stück zurück, pralle direkt gegen jemanden. Zitternd drehe ich mich um und blicke direkt in Ewans Gesicht. Er deutet mir mit den Finger still zu sein und schaut auf mich hinab. »Fergus? Was hast du gehört?«, fragt er mich wispernd. Ein Schluchzen überkommt mich. Mein Hase fällt zu Boden und ich schlinge meine Arme um Ewan, als mir klar wird das die Erwachsenen über meine Eltern sprechen. Sie sind tot. Momy und Daddy, und meine kleine Schwester. Bitterlich weinend Kralle ich mich an Ewan fest. Meine Sicht wird zu einem einzigen Wasserfall. Die Tür des Zimmers wird aufgestoßen und Glenna stößt einen laut aus. »Mom, er hat alles gehört...«, flüstert Ewan traurig und hält mich fest. Tante Glenna geht weinend vor uns in die Knie und zieht uns in ihre Arme. »Es tut mir so leid mein Kind... es tut mir so leid...«

Serpent King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt