FERGUS
»Ich hab das aus der Kirche gehört«, spricht George auf dem Computer tippend, »das war ziemlich aufregend für die Stadt. Habt ihr echt die Murdocks hochgenommen?«, will er sich vergewissern. George müsste mittlerweile wissen, das es keine Lüge ist. Er verkehrt schon so lang in den Kreisen der Familienclans und müsste es besser wissen.
»Natürlich. Interpol hat eine lange Liste abgearbeitet. Es war nur Glück, das sie alle in der Kirche versammelt waren«, antworte ich. George hält inne, lässt die Finger über der weißen Tastatur schweben und hebt die Brauen. »Welch ein glücklicher Zufall«, merkt er skeptisch an. Mein rechter Mundwinkel zuckt in die Höhe. »Ja, muss wohl so sein.«
Mehr werde ich dazu nicht mehr sagen, er weiß das.
»Die Röntgenbilder sind da«, wechselt er schließlich das Thema und bewegt die Maus hin und her. Anschließend runzelt er die Stirn und presst die Lippen aufeinander. »Was?«, frage ich nach, obwohl ich bereits ahne, was herausgekommen ist. »Was siehst du?«
»Wir sollten warten bis meine Patientin wieder zurück ist, meinst du nicht auch?«, lenkt er ab. Ausatmend nicke ich und lehne mich wieder zurück. Ich spüre, wie meine Finger bereits beginnen zu zittern. In den letzten Wochen ist es weniger geworden, doch es ist noch immer da. Ich merke es immer, wenn die Tabletten nachlassen, die mir Mrs McMiller verschrieben hat. Sie helfen mir ein wenig durch den Tag zu kommen.Die Tür des Arztzimmers öffnet sich wieder und Mila tritt ein, ihren Arm gebeugt haltend. Ich ziehe ihr einen Stuhl herbei und sie setzt sich ohne Umschweifen neben mich. Meine Augen schweifen für einen Moment über die Blutergüsse auf ihrem Unterarm. Ich muss mir auf die Wange beißen, um meinen Puls unter Kontrolle zu haben. Sauer verstecke ich meine Hände in den Taschen meines Hoodies. Ich hasse, was ihr Vater ihr angetan haben muss. Schon gestern ist mir aufgefallen, das sie auch an ihrem Hals male hat. Was haben die nur mit ihr gemacht? Ich will es mir nicht vorstellen...
»Der Knochen ist tatsächlich glatt gebrochen. Sie haben Glück das er richtig liegt und wieder zusammenwachsen wird, ohne das wir operieren müssen«, erzählt der Arzt endlich und ich lege den Kopf in den Nacken. »Das ist gut«, murmle ich und blicke danach zu Mila, »oder?«
Sie nickt und seufzt auf. »Und meine Rippen?«
»Sind schon am verheilen. Ich nehme an, das sie noch ein paar Wochen spüren werden was geschehen ist, danach wird es besser. Ich kann ihnen eine schmerzlindernde Salbe verschreiben, die sie auf ihre Seite reiben können«, schlägt er vor und zückt einen kleinen Rezeptblock, klickt den Kugelschreiber einmal und notiert etwas. Er reißt den Zettel ab und ich nehme ihn entgegen, während er Mila zur Liege bittet, um ihr einen Verband anzulegen. Es wird ein weißer Gips, der ihr von der Handfläche bis vor den Ellenbogen reicht und sie für einige Zeit schützen wird. Er erklärt ihr noch einige Dinge und gibt uns einen neuen Termin in ein paar Wochen mit, dann sollte der Bruch verheilt sein und Mila vom Gips befreit. Als wir uns verabschieden, lächelt sie ihm dankbar zu.Zurück im Auto, schiebe ich den Schlüssel ins Zündschloss und warte, bis die Heizung anspringt. »Danke das du mich gefahren hast«, durchbricht Mila die Stille vom Beifahrersitz. Die Britin hält sich noch immer ihren verletzten Arm und zwingt sich ein Lächeln auf. Nachdenklich strecke ich meine Hand aus, um ihr die Haare über die Schulter zu streichen und ihre Male freizugeben. Ich betrachte die braunen Flecken auf ihrer zarten Haut und fühle mich schuldig. Ich hätte früher etwas tun müssen...
»Wieso schaust du so?«, möchte sie leise wissen. Nicht antwortend streiche ich meinen Daumen über das dunkle Fleck, fühle wie sie schluckt und mir schließlich ihren Hals entzieht. »Nicht«, murmelt sie leise und kämmt sich die Haare wieder ins Gesicht, »lass das.«
»Was ist passiert?«, frage ich und weiß, dass sie mir nicht antworten wird. »Das ist doch völlig belanglos mittlerweile. Es ist die Vergangenheit und ich will in die Zukunft schauen«, speist sie mich ab und langt nach meiner Hand, die eben noch ihren Hals berührte. Die schwarzhaarige fädelt ihre Finger zwischen meine und begutachtet den weißen Verband. »Wie gehts deiner Hand?«, fragt sie mit einem schmalen zuversichtlichen Lächeln auf den Lippen. »Besser«, antworte ich knapp und ziehe unsere Hände über die Mittelkonsole an mich. Stumm führe ich ihren Handrücken zu meinem Gesicht und setze einen Kuss auf ihre weiche Haut. Milas Mundwinkel schnellen in die Höhe. Sie wird sogar etwas rot, was mich zum grinsen bringt. Ich mag es, sie Lächeln zu sehen. Wie ihren Augen funkeln und sie strahlt, das ist alles, was ich für sie will. Sie musste schon so viel durchmachen, das es mir das Herz aufgehen lässt, sie glücklich zu sehen.
Ihre Hand löst sich aus meiner und ich weiß, das es Zeit ist loszufahren. Wenn wir zuhause sind, werden wir weitersehen. Ich möchte noch mit ihr über etwas sprechen, das mit Ewan und Erin zu tun hat.Es dauert nicht lang, bis ich unter einem Baum am Straßenrand parke und wir aussteigen. Es ist kühl in Inverness, fast schon eisig, wenn der Regen wie verrückt auf die Erde prasselt. Wir eilen in den Hausflur hinein und bewältigen die Stufen. Ich schließe auf und lasse sie vor mir eintreten. Wir streifen uns die Jacken und Schuhe ab, dann folge ich ihr ins Wohnzimmer.
In meinem Apartment ist es angenehm warm und so wirkt der Regen der gegen die bodentiefen Fenster peitscht nicht mehr so kalt wie noch zuvor. Der Himmel ist dunkelgrau und klart heute sicher nicht mehr auf. Laut meiner Wetterapp wird es erst morgen wieder trocken sein. Solange ich im Haus bin, ist mir das ziemlich egal.
»Du hast meine Kette gefunden«, reißt mich Mila aus meinen Gedanken und hält vor mir inne. Die kleine Britin blickt mit glitzernden Augen auf die zarte Kette die um meinen Hals hängt und in mir macht es endlich klick. »Oh, ja. Du willst sie sicher wiederhaben, ich habe sie nur ungelegt, um sie nicht zu verlieren«, erkläre ich eilig und umgreife den Verschluss mit beiden Händen. »Nein, nein!«, meint Mila zügig und legt mir ihre gesunde Hand an die Brust, direkt über den Anhänger. Ihre Haut brennt sich wie ein warmes Feuer in meine Brust und bringt mich dazu, innezuhalten. »Bewahr sie noch ein bisschen länger für mich auf«, bittet sie mich schmunzelnd. Ihr Zeigefinger streift den Buchstaben und ihr Blick wird ganz melancholisch. »Sicher? Es ist deine Kette und-«
»Ganz sicher, sie steht dir«, unterbricht sie mich leise. Langsam lasse ich meine Arme an ihren Seiten hinab gleiten und ziehe sie an den Hüften ein Stückchen näher an mich heran. »Ach ja?«, hake ich raunend nach und senke meine Lippen auf ihren Hals. »Ja«, kichert sie und drückt meinen Oberkörper von sich. Unsere Augen treffen sich und die ihre werden plötzlich ernst.
»Beantwortest du mir ehrlich eine Frage?«Wie kommt sie ausgerechnet jetzt da drauf? Sichtlich verwundert runzle ich meine Stirn und hebe die Augenbrauen. »Was möchtest du wissen?«
»Wie geht es dir im Moment?«
»Jetzt?«
»Allgemein. Seit ich dich das letzte mal gesehen habe, hast du dich äußerlich verändert. Du siehst gesunder und nicht mehr so geschafft aus«, merkt sie an und zupft mit ihrer gesunden Hand sanft an meinem Mundwinkel. Ihre Hand gleitet weiter über meine Wange, über die Tattoos auf meinem Hals, hinter in meinen Nacken.
»Mir geht es gut«, beteuere ich und hoffe, dabei ehrlich zu klingen. »Sicher? Es ist okay, wenn du es nicht bist. Ich bin es auch nicht.«
»Wirklich, Mila. Ich bin nur froh, das du wieder hier bist«, rede ich weiter. Die schwarzhaarige tritt noch einen Schritt näher und das Lächeln auf ihren Lippen wächst. »Hast du mich vermisst?«, fragt sie wispernd nach. Ich senke mein Gesicht zu ihrem hinab und halte wenige Zentimeter über ihr inne. »Habe ich«, gestehe ich. »Ich dich auch«, murmelt sie so leise, das ich es fast überhöre. Ihre Hand in meinem Nacken übt Druck aus, zieht meinen Kopf ein Stückchen näher zu ihrem. Ihre Augen schließen sich und meine ebenfalls. Keine Sekunde später treffen unsere Lippen aufeinander. Ein Kribbeln fährt durch meinen Körper und mein Herz macht einen Satz. Ich bin ihr vollständig verfallen. Gierig drücke ich sie enger gegen mich und falle gemeinsam mit ihr rückwärts aufs Sofa. Unsere Lippen lösen sich nicht einmal voneinander. Sie rutscht auf meinem Schoß herum und scheint dabei nicht zu merken, wie eng es langsam in der Jeans wird. Mein Arm packt sie, presst ihren Oberkörper gegen meinen. Ich lehne mich zurück und genieße, mit wie viel Gefühl sie mich küsst. Sie schmeckt nach Nutella und Marmelade, riecht nach meinem Duschgel und meiner Bettwäsche. Meine rechte Hand rutscht an ihren Hinterkopf, verfängt sich in ihren Haaren und rutscht in ihren Nacken. Die andere fährt unter den Pullover den sie Trägt, steigt ihre warme Haut, die sich unter meinen Fingerkuppen mit Gänsehaut füllt. Stöhnend reibt sie ihr Becken gegen meines - ich stoppe sie.
»Nicht«, murmle ich in ihren Mund, »du bist verletzt. Ich will nicht, das i-«
»Das ist mir egal.«
»Ist es nicht, Mila. Bitte, heute nicht. Ich will erst, das du okay bist.«
»Ich bin okay...«, beteuert sie hartnäckig. Selbst wenn sie es tausend mal sagt, glauben werde ich es ganz sicher nicht. »Fergus«, seufzt sie und lehnt ihre Stirn gegen meine. Behutsam lege ich beide Hände an ihre Wangen und schaue ihr in die Augen. Es fühlt sich so merkwürdig vertraut an, ihr so nah zu sein. »Keine Diskussion, Vögelchen. Ich gebe nicht auf.«
»Das weiß ich«, seufzt sie und kratzt mir sanft über den Nacken. »Schade.«
»Ist es«, grinse ich und vereine unsere Lippen für einen Moment erneut. »Bald, versprochen.«
Mila löst sich von meinen Lippen und schlingt ihre Arme stattdessen fest um meinen Hals. Sie vergräbt ihr Gesicht an meiner Schulter und umarmt mich schweigend. Was auch immer gerade durch ihren Kopf geht, ich merke, das sie diese Umarmung braucht. Ausatmend sinke ich tiefer in die Kissen und drücke sie fest an mich. Ich schiebe meine Nase in ihre Haare und schließe die Augen für einen Moment um all die Probleme und Schwierigkeiten der letzten Tage sacken zu lassen. Ihre Wärme und Nähe macht es alles ungeschehen, und nichtmal meine Hände zittern noch.
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Serpent King | 18+
RomanceFergus Duncan, ein drogenabhängiger Ex-Soldat lernt Ludmila Karakov kennen, eine junge Frau die verzweifelter nicht sein könnte und sich in die eisigen Fluten des Meeres stürzen will. Ihr letzter Ausweg vor einer Heirat mit einem Mann, der ihr Vater...