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FERGUS

Mir wird ganz schwindelig als mir der Name durch den Kopf schwirrt, den sie soeben von sich gegeben hat. Neal. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, in dem sich ein dicker Kloß bildet und mir die Luft zum Atmen raubt.
Das darf nicht wahr sein.
Zitternd lasse ich ihre Hand los, als hätte ich mich an ihrer Haut verbrannt. Schwer atmend erhebe ich mich vom Boden und laufe auf den Waschtisch zu. Mit beiden Händen stütze ich mich auf dem Marmor neben dem Waschbecken ab, dabei ist mir das Pochen egal, das sich durch meine Hand hinauf in meinen Arm zieht. Ich verdränge es schlichtweg. »Neal...«, keuche ich atemlos, »wie war sein Nachname?« Ich muss es einfach wissen. Das ist alles nur ein dummes Missverständnis, oder?

»Karakov, aber er hat unter dem Namen Conner gedient, der Mädchenname meiner Mom«, flüstert sie und mein Herz setzt aus. Mein Kopf dröhnt, Sterne tanzen vor meinen Augen. Schwitzend wische ich mir über die Augen und stelle das Wasser am Hahn auf blau. Eiskalt fließt es aus dem Hahn direkt in meine gesunde Hand. Ich erfrische mein Gesicht damit, um wieder klar denken zu können. Mein Kopf kann nicht verarbeiten, was soeben geschehen ist. Neal, mein bester Freund, ist Milas Bruder. Ihr verfickter Bruder!

Ich kann und darf das nicht glauben. Verschissener Mist. Mir wird speiübel. All die Zeit über habe ich mich gewundert, wieso mir ihre Augen so schrecklich bekannt vorkommen, nun ist mir bewusst wieso. Sie hat dieselben wie Neal. Der Kloß in meinem Hals wird so groß, dass ich den Kopf heben und nach Luft schnappen muss. Mein Herz rast schneller als auf Kokain, hämmert gegen meinen Brustkorb als würde es gleich explodieren. Der Schmerz in meiner Brust lähmt mich fast. Ich muss hier raus. Mein Kreislauf fährt Achterbahn als ich zur Tür stürze, die ins Schlafzimmer führt. Gott, ich will so viel Abstand wie möglich zwischen mich und Mila bringen. Ich ertrage es nicht mehr, sie länger anzuschauen oder ihre Nähe zu spüren. Neal würde mir eine Backpfeife geben, wüsste er wie ich seine Schwester berührt habe. Doch noch wütender bin ich auf Neal selbst. Er hat nicht einmal erwähnt das er eine Schwester hat. Ich dachte ich kenne ihn, dachte wir sind Brüder, doch anscheinend hatte er Geheimnisse vor mir. Neal war mein Bruder. Wieso hat er nie von seiner Familie erzählt? Nie von Mila? Ich will glauben das etwas anderes dahinterstecken muss, das in seiner Familie irgend ein kranker Scheiß abging und er es deshalb verschwieg. Das ergibt alles keinen Sinn für mich.
All die Jahre habe ich versucht die schlechten Erinnerungen an ihn zu verdrängen, mal eine Minute nicht daran zu denken, wie er gestorben ist. Sein Geist scheint mich überall zu verfolgen, und nun hat er mir seine Schwester gebracht, die ich befleckt habe? Himmel nein.

»Fergus, warte doch mal!«, ruft Mila mir aus dem Badezimmer nach als ich weiter durch den Flur in Richtung Treppe stolpere. Ich habe zu wenig zu mir genommen, um so schnell zu laufen, doch meine Füße wollen nicht nachgeben. »Bleib fern von mir!«, keife ich sie über die Schulter hinweg an und taste nach dem braunen Holzgeländer an der Treppe. Ich eile die Stufen hinab. Auf der letzten bekommt sie mich zu fassen und ich falle fast hinunter, kann mich gerade noch so an der Haustür abfangen. Polternd komme ich zum Stehen. Sie reißt mir einer Hand meinen Arm zu sich. »Was soll das? Was hast du auf einmal?«, will sie restlos verwirrt wissen. Ungläubig schaue ich sie an. »Was ich habe? Du hast mir all die verdammten Wochen verschwiegen, dass du Neals Schwester bist!«, schreie ich sie außer mir vor Wut an. Die dunkelhaarige reißt die Augen auf. »Du kanntest ihn?«, fragt sie mich ratlos. Fuck, ist sie dumm?
»Er ist der verfickte Grund, wieso ich so bin, wie ich bin! Bist du zu privilegiert, um es mitzubekommen oder einfach nur zu dumm? Sollen meine Angestellten es dir ausrichten?«, spucke ich ihr entgegen. Es mag nicht fair sein einzubringen das sie ein Haus voller Angestellten hatte, aber im Moment ist mir alles egal. Das sie von nichts wusste, kaufe ich ihr nicht ab. Die kleine verwöhnte Zicke kann mich mal kreuzweise am Arsch lecken.
Mila reißt die Lippen aus, aber alles was sie zustande bringt ist ein undeutbarer laut. Ihre Augen füllen sich mit Wasser und sie schüttelt abermals den Kopf. »Ich-«

»Was ist denn hier los?«, unterbricht uns ein verschlafener Henry. Ich werfe meine Arme in die Luft und schnaube. Hat er es etwa nicht mitbekommen? »Was hier los ist? Ich habe fast Neals kleine Schwester gefickt!« Mache ich meinem Ärger lüfte und rupfe die Tür auf. Mit einigen Schritten bin ich fort. Sie schlägt so laut hinter mir ins Schloss, das es einen gewaltigen Knall gibt. Ich stapfe wütend die Einfahrt hinab und mache mich auf den Weg in Richtung des Tores. Ich muss Abstand zwischen mich und diese dumme Airbase bringen. Vielleicht ist es genau das, was mich davon abhält verrückt zu werden und den Verstand zu verlieren.

Serpent King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt