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FERGUS

zwei Tage später...

Mila saß vorgestern glücklich neben mir im Auto und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Nach dem Besuch im Restaurant meiner Eltern in dem kleinen verschlafenen Fischerdörfchen nördlich von Inverness, hat sie das strahlen nicht mehr verlassen. Ich wusste, das ich ihr damit eine Freude machen konnte. Ich wollte ihr unbedingt den Ort zeigen an dem ich aufgewachsen bin, bis zum Unfall meiner Eltern. Ich kann mich an so viele glückliche Momente im Restaurant zurückerinnern die ich mit den beiden dort teilte. Es war schon immer mein sicherer Hafen, selbst nach all den Jahren in denen ich nicht dort war. Es ist sehr schön gewesen und ich musste Marge schwören, mit dem nächsten Besuch nicht so lange zu warten. Ich bin ihr so dankbar für alles, was sie für das Lokal tut. Ohne sie hätte ich es schon längst schließen müssen.

Gestern habe ich Mila nach Inverness entführt. Wir waren in meiner Wohnung um mehr Kleidung zu holen, danach sind wir durch die Innenstadt gelaufen und waren in ein paar Shops. Ich brauchte noch Geschenke für meine Tante und ein paar andere aus der Familie. Im Grunde genommen für jeden. Normalerweise wissen sie, das sie nicht viel von mir erwarten können und im Gegenzug erwarte ich auch nichts von ihnen. Das klappt ganz gut. Aber dieses Jahr habe ich mir die Mühe gemacht wenigstens etwas kleines für jeden zu kaufen. Man kann sagen, das Mila daran schuld ist, sie hat mich quasi genötigt Geschenke für meine Familie zu kaufen. Wir haben jeden Shop abgeklappert den es gab. Für Tante Glenna gab es etherische Öle für ihren Luftbefeuchter. Für Erin ein teures Parfüm und für Ewan eine eine Uhr. Onkel Alistair bekommt Schnaps. Da kann ich nichts falsch machen.

Nun sitze ich in meinem Zimmer, im Sessel neben den Fenstern und warte bis Mila aus dem Badezimmer kommt. Sie wollte sich duschen und sich herrichten. Wir haben ihr gestern extra ein Kleid für das Essen mit meiner Familie heute Abend gekauft. Sie denkt, dass das mein Weihnachtsgeschenk für sie ist. Süß.
Jetzt ist sie schon über eine halbe Stunde im Badezimmer und ich vergammle langsam in diesem Stuhl. Seufzend blicke ich auf die teure Uhr an meinem Handgelenk und lege den Kopf zurück. »Kann ich dir irgendwie helfen?«, rufe ich und hoffe, dass sie es hört.
»Ja, komm rein«, antwortet ihre liebliche Stimme aus dem Badezimmer. Ich erhebe mich aus dem Sessel und stoße die angelehnte Tür langsam auf, sehe sie mit dem Rücken zu mir am Waschbecken stehen und mit dem Reißverschluss kämpfen. Das weinrote Kleid schmiegt sich an ihre Kurven wie eine zweite Haut und betont ihre Rundungen sehr. Ihre Figur - eine einzige Sanduhr in diesem Stück Stoff. Beeindruckt fahre ich meine Finger ihre Seiten entlang und betrachte sie durch den Spiegel.
Ich küsse sanft ihr Schlüsselbein. Das Kleid hat zwar dünne Chiffonärmel, aber einen weiten Ausschnitt der einen Teil ihrer Schultern entblößt. Der Rock liegt eng an und betont ihre Taille, endet in der Mitte ihrer Oberschenkel. Ich sauge ihren lieblichen Duft nach Jasmin, Vanille und Lavendel ein, der auf ihrem Hals liegt. Glitzernde Ohrringe hängen links und rechts an ihren Ohrläppchen. Unsere Augen treffen sich durch den Spiegel. Ich schließe die lange Reißverschlussleiste mit einem Handgriff und schlinge meine Arme anschließend um ihr Becken, drücke ihren Po gegen meinen Schritt und schaue sie die ganze Zeit über durch den Spiegel an. Ihre Wimpern sind getuscht und die Lippen leuchten in einem zarten dunkelrot. Sie trägt Eyeliner und hauchzarten Lidschatten, der ihren Augen schmeichelt. »Du siehst wunderschön aus«, raune ich ihr zu und bringe sie zum strahlen. Ihre Finger schieben sich auf die meine und ich weiß genau, das sie spürt, was sie in mir auslöst. »Du siehst ebenfalls schick aus, Fergus«, schmunzelt sie und dreht sich in meinen Armen herum. Sie richtet den Kragen meines Hemdes und streift es glatt, fährt über meine Schultern und legt ihre Hände an meine Wangen. »Ich bin nervös«, gesteht sie gehen meine Lippen hauchend. »Musst du nicht«, erwidere ich und streife durch ihre gewellten Haare. Sie glänzen im Schein der Lampen.
»Vertrau mir Vögelchen. Alle lieben dich und nun komm, bevor der Braten kalt wird«, ziehe ich sie vorsichtig mit mir. Ihre hohen Absatzschuhe hinterlassen klackende Geräusche auf dem alten Boden und ich kann nicht aufhören, meine Hände an ihrem Körper hinabwandern zu lassen. Mila kichert geschmeichelt und schiebt meine Hand von ihrem Rückgrat weg. »Nicht, dafür haben wir nachher noch genug Zeit«, versichert sie mir und entfernt sich ein Stück von mir. Schmollend schaue ich sie an. Gott, alles in mir schreit danach sie wieder aufs Zimmer zu zerren und sie aus diesem verdammten Kleid zu schälen. Aber sie hat recht. Ich kann das Essen mit meiner Familie nicht sausen lassen. Tante Glenna würde mich zur Not aus dem Bett heraus an den Tisch schleppen. Für sie ist es das wichtigste Fest im Jahr.

Klassische Weihnachtsmusik spielt als wir unten ankommen. Erin wippt mit Rosy in den Armen vor dem Kamin herum und Glenna schaut begeistert zu, während Ewan ihr ein Glas Wein reicht und mein Onkel Alistair auf dem Sofa sitzt und Schnaps trinkt. Er scheint seinen Rollstuhl heute mal im Zimmer gelassen zu haben. Es muss einer der wenig guten Tage sein, in den seine Knochen nicht so wehtun und er laufen kann. Es gibt wahrlich nicht viele davon.
Tante Glenna fällt als erstes auf, das wir uns dem Wohnzimmer nähern. Sie hat sich wie die anderen in Schale geschmissen und trägt ein grün-kariertes Kleid. Erin eines in rot und Ewan wie ich Hemd und Hose. Auch Onkel Alistair trägt Hemd und Anzughose. Die kleine Rosy trägt ein Kleid und Strumpfhose. Sie zappelt in den Armen ihrer Mutter und brabbelt glücklich vor sich hin.
»Da seit ihr ja, Frohe Weihnachten«, wünscht Glenna uns und stürmt gutgelaunt auf uns zu. Sie schmeißt sich erst Mila um den Hals und anschließend mir. Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange und wünsche ihr das gleiche.
Mila tritt nur zögernd ins Wohnzimmer und begrüßt auch die anderen. Mit meinem Onkel hadert sie immer noch ein wenig. Alistair ist ein alter Bock aber heute scheint Glenna ihm ins Gewissen geredet zu haben. Er streckt Mila seine Hand entgegen und wünscht ihr Frohe Weihnachten. Überrascht erwidert sie seine Geste und auf ihren Lippen macht sich ein schüchternes Lächeln breit. Ich bin so unglaublich froh, dass sie sich hier wohlfühlt und angekommen zu sein scheint.

»Frohe Weihnachten Mann«, klopft Ewan mir auf die Schulter. Er reicht mir ein Glas Whisky und das nehme ich ihm gerne ab. »Frohe Weihnachten«, murmle ich und nippe am Schnaps. Es fühlt sich so surreal an, sie alle in einem Raum zu sehen. Die letzten Weihnachten in vergangenen Jahren war ich immer zugedröhnt um das Gefühl zu verdrängen, das über die Feiertage in mir aufkam, wenn ich Ewan und seine Eltern sah. Weil ich das nicht hatte, obwohl Glenna und Alistair mich immer wie ihren Sohn behandelten. Ich war zu feige mich meinen Gefühlen zu stellen. Jetzt mit Mila an meiner Seite fühlt es sich nicht so leer in meinem inneren an. Ich betrachte sie aus der Ecke des Raumes und sehe wie sie mit Rosy spielt, mir zulächelt und die Zeit ihres Lebens hat. Ich bin dankbar für Erin, die sie aufgenommen hat wie eine Schwester und dankbar für den Rest meiner Familie, weil sie mich selbst nach all den Dingen die passiert sind, noch als Familie ansehen und nun auch Mila dazuzählt. Ich spüre meine Eltern hier bei uns, als stünden sie direkt neben mir und beobachten das ganze aus Distanz. Als würde Mom mir einen Kuss auf die Wange und mein Dad mir seine Hand auf die Schulter legen um mir zu sagen, dass sie stolz auf mich sind. Ich bin nur der, der ich heute hin, wegen ihnen und den Dingen die mich prägten und ich bin froh das ich auf meine Familie zählen kann, egal wie schwer es sein mag. Ich bin froh, jemanden wie Mila zu haben, der mich bedingungslos und unwiderruflich liebt. Sie damals in diesem Brautkleid in der Kirche stehen gesehen zu haben, hat mir einen gewaltigen Schauer durch den Körper gejagt. Ich habe mir vorgestellt wie es wäre wenn ich neben ihr gestanden hätte. Sie war so glücklich, dass ich sie doch noch gerettet habe. In dem Moment ist mir klar geworden, das ich sie und sie mich liebt. Auch jetzt spüre ich ihre liebevollen Augen quer durch den Raum. Rosy sitzt auf ihrem Schoß und imitiert fröhlich die Filmfiguren die im Fernseher laufen. Sie dort mit diesem kleinen Wesen sitzen zu sehen, lässt mich anders fühlen. Mir wird mulmig im Bauch, nicht weil ich es komisch finde, sondern weil es ein seltenes Bild ist. Ich wollte nie Kinder, das habe ich mir vor langer Zeit geschworen. Mein Leben ist viel zu verkorkst und chaotisch dafür. Ich bin viel zu zerstört innerlich. Aber sie so zu sehen ändert meine Meinung vielleicht.
Eifersucht. Es ist die Eifersucht die in dem Moment meine Adern flutet, weil es nicht mein Kind ist, dass da auf ihrem Schoß sitzt.

Serpent King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt