MILA
Henry und ich sitzen auf dem Sofa und haben uns die ganze Zeit über unterhalten. Ich habe erfahren das er und Fergus sich bereits sehr lange kennen, und sogar das Henry Vater geworden ist. Er sagte, das er oft bei seiner kleinen Tochter in London sei. So sind wir ins Gespräch gekommen. Obwohl ich bereits mein ganzes Leben dort lebe, kenne ich wenig von der Stadt. Zu lang war ich in unserer Villa eingesperrt. Vermutlich würde ich mich bereits auf der Straße der Kensington Palace Gardens verirren. Die Wohnanlage ist Videoüberwacht und hat Torwächter. Vermutlich hätte ich es nicht ungesehen hinaus geschafft. Mir ist immer noch nicht ganz klar wie ich in Inverness abhauen konnte. Es war nur ein winziger Augenblick in dem mein Vater beschäftigt war und ich in Richtung des Badezimmers gelaufen bin. Als ich hinter verschlossener Tür saß, sind mir die Sicherungen durchgebrannt und ich bin mit meinem Kleid aus dem Fenster geklettert. Ungläubig muss ich daran zurückdenken. Vielleicht bin ich verrückt...
»Danke das wir bleiben dürfen«, bedanke ich mich bei Henry. Der muskulöse Soldat nickt schmunzelnd. »Sicher, selbst wenn ich noch nicht in Erfahrung bringen konnte, wieso eigentlich.«
»Fergus hat keinen Ton verloren?«, frage ich verwundert. Henry schüttelt seinen dunkelhaarigen Kopf und lehnt sich auf seinem Sofa zurück. »Nein, nichts. Aber ich helfe ihm immer gern. Es ist viel zu lang her das wir etwas Zeit miteinander verbracht haben... das letzte Mal in-« Kopfschüttelnd presst er seine Lippen aufeinander und verliert seine Augen im Raum. Neugierig hake ich nach. »Wo?«
Mein er in Inverness? An seiner Reaktion sehe ich, das er nicht das meinen muss, was ich denke. Vielleicht meint er den Krieg. Ich weiß nichts darüber, ob Fergus stationiert war. Aber es muss so gewesen sein. Das bestätigt nur meine Vermutung mit seinem Verhalten. Er ist krank.Henry erhebt sich ausatmend vom Sofa, dabei sehe ich die Marke um seinen Hals baumeln. Er schiebt sie in sein enges Shirt und streift sich durch die Haare. »Möchtest du einen Kaffee?«, bietet er an. »Sehr gerne, danke.«
Still macht er sich auf den Weg in die Küche. Es donnert und blitzt das erste mal, als ich die Kaffeemaschine arbeiten höre. Der Wind peitscht den Regen gegen die Scheiben, es dauert nicht lang bis Henry mit zwei Tassen zurückkehrt und das trockene Holz im Kamin entfacht. Es knistert fröhlich vor sich hin.
Dankend nehme ich ihm eine der Tassen ab und puste mir das heiße Getränk kalt, um mir nicht die Lippen zu verbrennen. Die Flüssigkeit duftet herrlich nach Kaffee, was ich ebenfalls im Raum breitmacht. Gepaart mit dem Regen und dem knistern des Feuers, bildet sich eine ruhige Stimmung im Haus aus. Ich genieße es.
Meinen Kopf lege ich in meiner Handfläche ab und starre in die lodernden Flammen. Am Rande meines Sichtfelds erkenne ich, wie Henry auf seinem Telefon herum tippt. Seine Stirn kräuselt sich angespannt. »Alles okay?«, wage ich mich zu fragen. Er scheint so in seinen Gedanken vertieft zu sein, das er zuerst nicht mitbekommt, das ich etwas zu ihm gesagt habe.
»Hm?«
»Ob alles in Ordnung ist«, wiederhole ich meine Frage. Er nickt zügig und wirft sein Telefon aufs Sofa. Der Bildschirm erlischt schwarz. »Ja, alles gut. Hab mich nur erkundigt ob jemand Fergus gesehen hat. Anscheinend war er bei unserem Vorgesetzten«, erzählt er. Meine Augen weiten sich. »Das hört sich nicht gut an...«, merke ich an. Henry schüttelt verneinend seinen Kopf. »Mhm, wer weis. Fergus ist schlau, er wird sich nicht unterkriegen lassen. Manchmal tendiert der Boss etwas dazu, cholerisch zu werden.«
»Ist nicht jeder Boss so?«
Henry schmunzelt schräg und zuckt mit den Schultern. »Vermutlich.«Mein Zeigefinger streift über den Rand der Tasse, aus der ich zuvor einen Schluck genommen habe. Mir schwebt schon seit ein paar Stunden eine Frage im Kopf herum, die ich mich noch nicht getraut habe auszusprechen. Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür. Henry ist wirklich lieb und scheint uns gerne hier zu haben. Ich schätze ihn nicht wie jemand ein, der unfreundlich wird. Es mag die jahrelange Erfahrung mit meinem Vater sein, der mich stets immer und immer wieder angemeckert und geschrien hat, wenn ich ihn nach etwas bat. Langsam muss mir klar werden, das nicht alle so sind. Das es nicht die Regel ist und mein Vater nur einfach bescheuert. Deswegen kommen mir die Worte leichter über die Lippen als zuvor vermutet.
»Kannst du mir vielleicht einen Gefallen tun?«
Henry deutet mir trinkend fortzufahren. »Ich bräuchte vielleicht etwas zum anziehen... Schlieslich kann ich nicht ewig in Fergus' und Erins Sachen leben...«
Der dunkelhaarige Soldat stellt seinen Kaffee auf dem Couchtisch ab und erhebt sich. Genau in diesem Moment öffnet sich die Haustür und ein pitschnasser Fergus tritt ein. Er scheppert die Tür hinter sich ins Schloss und stapft die Treppe hinauf.
»Fergus?«, frage ich laut und erhebe mich ebenfalls. Henry seufzt und schnappt sich seinen Schlüsselbund im Flur. »Ich mache mich auf die Suche nach etwas für dich. Welche Größe hast du? Ohne respektlos zu klingen...«
»M, danke Henry. Ich schaue mal was Fergus über die Leber gelaufen ist...«
Henry presst seine Lippen aufeinander um nicht zu lachen, aber ich sehe ihm seine zuckenden Mundwinkel an. »Da hat er sicher eine lange Liste für dich. Viel spaß.«
Mit diesen Worten verschwindet er hinaus in den Regen.Einen Moment verharre ich in meiner Position bevor ich mich die Treppe nach oben in den ersten Stock wage. Aus dem Bad, gleich am Gästezimmer angrenzend, dringen schniefende Geräusche. Auch ohne zu sehen was dort vorgeht, weiß ich das er Drogen konsumiert. Lippenbeißend lehne ich mich gegen die geöffnete Zimmertür und verschränke meine Arme vor der Brust. Ich warte, bis er hinauskommt. Es dauert gute sieben Minuten bis der Schlüssel im Schloss gedreht wird und ich den Schotten erblicke. Er ist wieder trocken, seine Haare geföhnt und die Kleidung gewechselt. Blitze erhellen den Raum als unsere Augen sich treffen. Er wischt sich mit dem Handrücken unter der Nase entlang und beachtet mich kein bisschen. Stöhnend fällt er auf seine Seite des Bettes und kehrt mir den Rücken zu.
»Fergus?«
»Verpiss dich«, brummt er kehlig und legt seinen linken Arm unter seinen Kopf. »Wo warst du?«
»Geht dich nichts an.«
»Sei nicht so zu mir...«, wispere ich gekränkt. Ich versuche die ganze Zeit nett zu ihm zu sein, aber er vermiest es mir immer. Wieso kann nicht ein liebes Wort über seine Lippen kommen? Wieso ist er immer so stur und verärgert?
»Verpiss dich«, wiederholt er sich erneut. Ich tue genau das Gegenteil und trete ins Zimmer ein. »Henry hat erzählt das du bei deinem Boss warst«, beginne ich.
»Schön für dich. Geh«, fordert er mich auf.
Ich trete noch näher ans Bett heran. »Fergus ich weiß nicht was ich machen soll...«
»Du sollst mich endlich in Frieden lassen, kapierst du das nicht?«, fährt er mich an, »bilde dir nichts darauf ein, dass du meinen Schwanz gesehen hast. Das bedeutet überhaupt nichts!«Seine Worte treffen mich mehr als sie sollten. Schließlich hat ein winziger Teil in mir gedacht, dass da doch etwas wäre. Nur ein Fünkchen Interesse. War ich nur für den Augenblick gut?
Die Drogen sprechen aus ihm, das kann er nicht leugnen. Vielleicht ist diese fiese Seite gar nicht er, sondern das Zeug das er nimmt.
Schweigend trete ich um das Bett herum und mustere ihn. Er starrt in den Regen hinaus. »Hast du Hunger? Ich könnte-«
»Nein.«
»Durst?«
»Was ist das hier für ein Spiel? Lass mich einfach in Ruhe, Hexe.«
Er kneift seine Augen zusammen, vermutlich denkt er das ich mich dann in Luft auflösen würde. Seufzend strecke ich meine Finger aus und hebe die Decke an. Ich ziehe sie ein Stück über ihn, dabei berühre ich sein Handgelenk ausversehen. Schluckend zucke ich zurück und schaue ihm in die Augen. »Dein Herz rast«, stelle ich entsetzt fest. Genervt blickt er mich endlich an, seine Augen eiskalt. »Und? Dann weist du wenigstens, das es noch schlägt, und jetzt geh.«
Diesmal tue ich was er sagt. Kopfschüttelnd mache ich mich auf dem Weg zur Tür, dabei fällt mir die weiße Dose auf dem Teppich auf, gleich neben seiner Jacke liegend. Verwundert knie ich mich hinab und drehe das kalte Plastik in meinen Händen. Den Namen darauf kann ich nicht aussprechen.
»Was ist das, Fergus?«
Etwa mehr von den Drogen?
Er antwortet mir nicht, also stecke ich die Packung ein und beschließe Henry zu fragen. Sicher weiß er mehr.
DU LIEST GERADE
Serpent King | 18+
RomanceFergus Duncan, ein drogenabhängiger Ex-Soldat lernt Ludmila Karakov kennen, eine junge Frau die verzweifelter nicht sein könnte und sich in die eisigen Fluten des Meeres stürzen will. Ihr letzter Ausweg vor einer Heirat mit einem Mann, der ihr Vater...