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MILA

Den ganzen Tag über habe ich das Wasser des großen Schwimmteiches durch die Fenster beobachtet. Eine Fontäne sprudelt in der Mitte heraus und gibt ein beruhigendes Geräusch ab. Ich habe die letzten Stunden darüber nachgedacht, ob ich es wagen sollte, hineinzugehen. Verlockend sieht es schon aus, doch die vielen Fragen und Probleme die immer wieder in meinen Gedanken aufkommen, halten mich davon ab. Doch je länger ich darüber nachdenke, desto schwerer wird es.
»Über was denkst du nach?«, holt mich Erins Frage aus meinen Gedanken. Sie sitzt im Schatten des Sonnenschirmes auf der Terrasse und wippt ihr Kind in den Armen. Mittlerweile bin ich mir sicher, das es ein Mädchen ist. Auf der Spieldecke glaube ich ein kleines Rosy erkennen zu können.
»Nichts Wichtiges«, winke ich ab und verliere meinen Blick wieder durch die Scheiben nach draußen. Ich sitze auf dem Sofa im Wohnzimmer. Erin schaut mich durch die geöffnete Schiebetür an. »Das sieht aber nicht so aus«, merkt sie an und folgt meinem Blick. Ihre Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. »Das Becken ist beheizt. Geh nur wenn du magst«, fordert sie mich auf. Unschlüssig beiße ich mir auf die Wange und zögere noch einen Moment. Selbst wenn das Wasser warm ist, draußen sind es keine zwanzig grad. Es ist Herbst und schon bald soll es Winter werden.
»Ich habe nichts zum anziehen...«, versuche ich mich schnell aus der Affäre zu ziehen. Erin erhebt sich mit dem Baby in den Armen, »dann gebe ich dir etwas. Lass mich Rosy schlafen legen und dann komme ich mit«, lässt sie nicht locker. Geschlagen ergebe ich mich und folge ihr nach oben. Sie legt Rosy in ihren Schlafzimmer in das kleine Bettchen vor dem Fenster und wartet bis sie eingeschlafen ist. Mit dem Zeigefinger über den Lippen schaut sie mich an und deutet mir still zu sein. Ich lehne mich gegen den Türrahmen und beobachte sie dabei, wie sie mir aus ihrem Schrank etwas heraussucht. Keine zwei Minuten später fange ich einen gelben Bikini, den sie mir zuwirft. »Wir treffen uns unten«, lächelt sie und zieht sich ins Bad zurück. Auch Chef verflüchtige mich in die Richtung von Fergus' Zimmer. Zum Glück scheint er noch nicht wieder da zu sein, so kann ich mich in Ruhe umziehen.

Mit einem Handtuch um dem Körper mache ich mich auf den Weg zum Schwimmteich. Erin wartet bereits auf mich. Das Handtuch lege ich auf einer der Sonnenliegen ab und mache mich auf den Weg zu den Stufen. Tatsächlich kitzelt das Wasser meine Zehen lauwarm. Je tiefer ich in das Becken laufe, desto wärmer wird mir. Es ist fantastisch. Das Wasser ist sauberer als angenommen. Erin lacht als sie sieht wie ich mich im Wasser drehe. Sie schwimmt mir ein Stück entgegen und legt den Kopf in den Nacken. Tief durchatmend schwimmt sie auf der Stelle. »Aus welchem Teil von London stammst du?«, möchte sie wissen. Neugierig, das muss man ihr lassen. »Kensington Palace Gardens«, antworte ich wahrheitsgemäß. Die Britin hebt ihre Augenbrauen. »Schick-Schick. Dann bist du sicher an diesem Überfluss von Angestellten hier gewohnt«, nimmt sie an und nickt mit dem Kinn auf die Frauen die in der Küche arbeiten, dann auf die Gärtner. »Ich bin mit ihnen aufgewachsen, aber vermissen tue ich es nicht. Es ist nur ungewohnt... ich bin quasi völlig aufgeschmissen. Vor ein paar Tagen habe ich zum ersten Mal Spiegeleier gemacht«, erzähle ich. Auch wenn Erin schmunzelt sehe ich dieses Fünkchen Mitleid in ihren Augen, das ich nicht gebrauchen kann. Ich hasse Mitleid.
»Du musst mich nicht so ansehen... ich weiß was das bedeutet«, murmle ich und verdränge das Wasser mit meinen Armen. Auf der Stelle schwimmend senke ich meinen Kopf hinab und starre auf die Wasseroberfläche. Mitleid ist das letzte, das ich gebrauchen kann. »Das war nicht meine Absicht. Ich... ich kann mir nur nicht vorstellen wie es sein muss, das ist alles«, erklärt sie mir ehrlich. Das verstehe ich. »Alles Gut, verstehe schon«, versichere ich ihr. Erin ist lieb. Ich mag sie sehr. Zwar kennen wir uns erst seit gestern, dennoch ist sie immer sehr aufgeschlossen und gastfreundlich zu mir gewesen. Es ist schön in diesem Castle, dank ihr.

»Hast du schon eine Idee, wie es weitergehen wird? Denkst du, das sie aufhören werden dich zu verfolgen?«, möchte sie schließlich wissen. »Das ist eine gute Frage«, seufze ich und lehne mich gegen den steinernen Rand des Schwimmteichs. »Hoffentlich werden sie das, doch ich weiß das es nicht so kommen wird. Mein Vater wird mich suchen bis er mich gefunden hat. Daran wird sich nie etwas ändern. Und wenn er das tut, sollte ich beten bereits Tod zu sein.«
»Was würde er tun? Dich schlagen?«
»Nein, er hat noch nie Hand an mich gelegt. Es gibt Dinge die weitaus schlimmer sind als Schläge. Eingesperrt sein zum Beispiel.«

Erin atmet aus und nickt. »Weist du, nach meiner Ankunft hier war ich eine lange Zeit in ein und demselben Zimmer eingesperrt. Irgendwann hatte ich das Gefühl die Wände kommen auf mich zu und erdrücken mich. Es ist ein beklemmtes Gefühl. Aber du musst nicht mehr so leben, verstehtsz du? Hast du schonmal darüber nachgedacht auszuwandern?«, schlägt sie vor. Kopfschüttelnd drehe ich mich mit dem Gesicht zum Beckenrand, lege meine Unterarme auf den Fließen des Randes ab und stütze meinen Kopf seitlich darauf. »Mein Vater hat seine Methoden. Er würde mich finden bevor ich das Flugzeug verlassen habe«, verneine ich. Es ist einfach keine Option für mich. »Egal wie weit ich weglaufe, meine Vergangenheit wird mich immer wieder einholen.«
Erin tut es mir gleich und nimmt die selbe Position ein. Sie schaut mich mit abgelegtem Kopf an und verzieht ihre vollen Lippen. »Das klingt wie etwas, das Fergus sagen würde«, fällt ihr auf. »Mhm, vermutlich war ich zu lange in seiner Wohnung...«
»Also läuft da was zwischen euch?«
»Nein«, mache ich deutlich. Denkt sie, das meine Antwort sich zu der die ich ihr vorhin gegeben habe, geändert hat? Sicher nicht. Zwischen Fergus und mir läuft rein gar nichts. Er mag mich nichtmal. Egal ob er mich angefasst hat oder nicht. Vielleicht hat es ihm Spaß bereitet das zu tun, oder er wollte mich endlich zum schweigen bringen. Wie auch immer, als ich ihn auf uns zustapfen sehe wird mir ganz anders. Mein Magen wird warm und meine Fingerkuppen kribbeln. Ich grabe sie fest in meine Handflächen und presse meine Zähne aufeinander. Er schaut nicht glücklich aus. Mit der Kapuze tief im Gesicht und den Händen im Pullover eilt er an uns vorbei ohne Erin und mich zu beachten. »Hey Fergus«, murmelt diese, doch der Schotte reagiert nicht. »Was der nur wieder hat?«, fragt sie sich laut und wendet das Gesicht ab. Ich schaue ihm nach bis es im inneren des Castles verschwindet. Als dann schließlich Ewans Stimme ertönt und er neben uns steht, beschließe ich Fergus zu folgen. Die beiden Turteltäubchen wollen sicher allein sein.

Serpent King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt