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MILA

Bei meiner Ankunft entgehen mir die vielen Männer nicht, die wie Gangster um die Kirche patrouillieren. Ich fühle mich so unwohl wie noch nie zuvor. Mein Herz schlägt hektisch und auf meiner Zunge hat sich ein merkwürdiger Geschmack breit gemacht. Ich könnte mich jeden Moment hier im Wagen übergeben. Doch dann würde ich mir vermutlich noch Schläge einfangen. Schluckend beobachte ich den behandschuhten Chauffeur, der mir die Tür öffnet und mir beim aussteigen hilft. Mein Vater, der bereits um den Wagen getreten ist, zerrt mir den Schleier übers Gesicht und stößt ein genervtes Brummen aus, dass ich nicht verstehe. Ich senke meine Augen sofort, aus Schutz und Angst. Zitternd hake ich mich bei ihm unter und wir laufen die vielen Stufen hinauf. Das Läuten der Glocken dröhnt mir in den Ohren wie der knarzende Bass einer schlechten Musikanlage. Die Melodie brennt sich in mein Gedächtnis und lässt mich keuchen, je näher ich dem Eingang zur Kirche komme. Ich Kralle mich nach halt suchend in das Jackett meines Vaters, bei dem ich mich untergehakt habe. Er spricht keinen Ton mehr mit mir, bis wir die Türen passieren.

Im inneren ist es stickig und modrig. Die kalte Herbstluft drückt sich hinter uns hinein und wirbelt meinen Schleier auf. Mein Herz rast, der Puls ebenso. Ich will fortlaufen, umdrehen, mich in Sicherheit bringen. Aber die vielen Männer meines Vaters würden nicht zögern mich zu Boden zu tackeln wie beim Football. Gegen diese Gorillas habe ich keine Chance, selbst wenn ich mir das gern einreden würde. Die stemmen locker das dreifache meines Körpergewichts im Fitnessstudio.
Meine Hand verkrampft sich. Ich versuche die Blumen festzuhalten und gleichzeitig nicht zu fallen, was schwerer ist als gedacht, noch dazu weil ich nur einen Arm benutzen kann. Leise Klaviermusik spielt bei meinem eintreten. Wir schreiten den Gang hinab zum Altar und ich wage nur einen kurzen Blick auf die Gäste, die zwischen den alten Kirchenbänken stehen und mich anschauen. Ganz vorn wartet mein zukünftiger neben dem Pastor. Ich schaue ihm nicht ins Gesicht, sondern wende die Augen schnell zurück auf das Meer aus Rosenblättern, über das ich schreite.
Stünde jemand anderes dort und wäre ich freiwillig hier, würde mir das Herz in diesem Augenblick vor Freude fast aus der Brust springen, doch stattdessen schlägt es vor Panik in mir. Hoffentlich kotze ich diesem Kerl nicht direkt auf die Schuhe...

Der Weg hinab zum Altar fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Die Familie des Bräutigams mustert mich bei jedem Schritt als wäre ich eine Trophäe, die ihnen jeden Moment überreicht werden würde. Sie sind schick gekleidet, aber nichts kann den Fakt verstecken, dass auch sie, Vorkehrungen getroffen haben. Neben einer Frau und einem Mann, steht ein schwarz gekleideter weiterer Mann mit dunkler Mine, in der ersten Reihe. Er hat sich nichtmal die Mühe gemacht, die Pistole an seinem Hosenbund zu kaschieren. Genau nicht wie die anderen Männer die sich an den Wänden und neben den Türen platziert haben. Gott, was soll das hier werden? Werden sie mich erschießen, sollte ich einen falschen Schritt machen?

Sterne tanzen vor meinen Augen und ich muss mich mächtig zusammenreißen, nicht ins Wanken zu geraten. Tief durchatmend beiße ich mir auf die Unterlippe, bis ich Blut schmecke. Der Geschmack von Eisen auf meiner Zunge lenkt mich etwas ab, beruhigt mein Herz dennoch nicht. Es setzt zwei Schläge aus als mein Vater mich an den dunkelhaarigen übergibt, dessen Namen ich nichtmal kenne. Er scheint, genau wie der Rest seiner Familie verärgert über mein Verhalten der letzten Wochen zu sein. Nachdem ich einfach abgehauen bin, rümpft er nur seine Nase als ich neben ihm stehe. Gott, lass mich nicht ohnmächtig werden. Meine Augen ruhen auf dem Strauß Blumen in meiner Hand. Die Schönheit der Blüten zieht meine Aufmerksamkeit auf mich und ich beginne, die Kirche und Worte des Pastors auszublenden. Alles zieht wie ein Film an mir vorbei. Ich nehme die Worte nicht mehr mit und die Welt um den Blumenstrauß herum verblasst. Ich höre das Blut in meinen Ohren rauschen, spüre wie mein Herz schlägt und meine Augen wässrig werden. Ich darf nicht weinen.

Serpent King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt