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FERGUS

Die letzten Tage habe ich kaum geschlafen. Ich habe mich so beeilt und angestrengt um sie zu finden, dass ich nun so ausgelaugt bin und schon fünf Kaffee getrunken habe. Die unbequeme Ausrüstung an meinem Körper macht die Sache nicht besser. Ich hatte völlig vergessen, wie schwer dieses Zeug ist. Es ist so ungewohnt, es nach all dieser Zeit wieder zu tragen.
Im Glas der Tür spiegelt sich die goldene Kette um meinen Hals. Milas Schmuckstück habe ich nicht einmal abgelegt, um es nicht zu verlieren. Ich denke, das sie ziemlich sauer auf mich wäre, sollte ich es verlieren. Hoffentlich sehe ich sie noch heute wieder...
Einatmend straffe ich die Schusssichere Weste vor meiner Brust und schiebe ein paar extra Patronen in die dafür vorgesehenen Fächer. Auf dem Stück Klettverschluss klebt ein Patch mit meinem Namen, direkt über meinem Herzen. Die schwarze Uniform lässt mich noch muskulöser als sonst wirken.
»Hey, wie sieht's aus?«, erkundige ich mich bei John. Er sitzt zwei Meter neben mir an einem runden Esstisch in meiner Wohnung. Ich wahr seit Wochen nicht mehr hier und es fühlt sich seltsam an, wieder zurückzukehren. Ich musste ein paar Sachen aus dem Weg räumen damit wir Platz haben, doch der Rest der Wohnung ist noch immer im puren Chaos versunken. Es wird wohl noch ein paar Tage dauern, bis ich alles wieder zurück an seinen Platz gestellt habe.
»Meine Spione folgen dem Wagen, der das Haus verlassen hast, sieh nur«, sagt er und deutet auf den Computerbildschirm. Ich verfolge den schwarzen Mercedes genau. Mila muss sich darin befinden. Der Gedanke dass sie gerade zu ihrer eigenen Hochzeit fährt, lässt mir den Magen umdrehen. Ich verabscheue ihren Vater so sehr...

Nachdem ich seinen Namen wusste war es einfach Informationen über ihn und seine Organisation zu bekommen. Wie ich herausfand, suchen die Behörden ihn schon sehr lang und wahren mehr als erfreut darüber, dass ich weiß, wo er sich auffällt. Ausgerechnet Johns altem Team wurde die Aufgabe auferlegt, ihn festzunehmen. Sie sind die besten des Landes und mehr als erfolgreich. Da ich einmal dazugehört habe, hat John mich für den Job vorgeschlagen. Mein Boss war mehr als begeistert darüber. Er sieht es als einen Hinweis an, das ich bald wieder in den aktiven Dienst zurückkehren kann. Ich bin mir da allerdings noch nicht so sicher. Es wird sich zeigen, ob es geschieht oder nicht. Im Moment will ich nicht daran denken was in ein paar Monaten vielleicht ist. Nein, mein Blick ist so fokussiert auf den Bildschirm das ich fast vergesse, wo ich mich befinde.
»Wann treffen sie an der Kirche ein?«
»Zwanzig Minuten. Wir haben genug Zeit um uns auf den Weg zu machen, aber wir müssen schnell und leise sein. Das kirchliche Gelände wird seit Tagen von Sergios Männern überwacht. Sie sind bewaffnet und werden nicht zögern, diese Waffen einzusetzen«, erinnert mich John. »Daran zweifle ich auch nicht«, klopfe ich ihm auf die Schulter, »brauchen wir sie lebend?« Ich würde nicht zögern ihnen alle eine Kugel in die Birne zu jagen. Das sind grausame Menschen...
»Ja, alle. Die meisten der Männer konnten wir identifizieren, sie sind Kriminelle Schwerverbrecher die von Interpol gesucht werden, genau wie Sergio selbst.«

Stimmt, keine Toten. Stattdessen werden wir sie außer Gefecht setzen. Das erste Team wird das übernehmen. Es sind gut fünfzig schwerbewaffnete Gangster die um die Kirche patrouillieren. Weitere vierzig gehören zu den Murdocks. Mein Onkel hat mir gesteckt, das sie wohl bereits mehrere Millionen Pfund über Konten in der Schweiz an die Karakovs gezahlt haben. Diese Schwachköpfe waren einmal unsere Verbündeten, doch heute sind sie dem nicht mehr würdig. Allistair, mein Onkel, wollte schon lang von der illegalen Schiene weg und es nur noch als profitables Nebengeschäft tätigen. Der versuchte anschlag auf meinen Cousin, vor ein paar Monaten, hat nur noch eine größere Kluft zwischen die Familien gerissen. Ich weiß, dass ich, sobald ich durch die Tür der Kirche stürme, dieses Band endgültig Zerreiße. Dann gibt es kein zurück mehr zu den alten Regeln und Abkommen. Will ich das denn überhaupt? Die Murdocks sind ein Haufen Idioten - Ich mochte sie noch nie.
Neben John auf dem Tisch liegen über hundert Haftbefehle. Einen für jeden Mann dieser Veranstaltung. Es mag nicht die feine englische Art sein, das ich Interpol gesteckt habe, was die Murdocks sonst noch so treiben, aber immerhin bin ich Schotte. Mich kümmert keine feine englische Art. Ihnen und den Karakovs ist Mila völlig egal. Wenn es anders wäre, würde diese Hochzeit nicht zu Stande kommen. Ich hoffe so sehr, das ich ihrem Vater die Seele aus dem Leib prügeln darf, bevor er in ein Hochsicherheitsgefängnis transportiert wird. Es wäre mir eine fucking Ehre.

»Und wir?«, hake ich noch einmal nach. Ich kenne den Plan aber sicher ist sicher. Mein alter Ausbilder klappt den Laptop zu und erhebt sich in voller Montur. »Wir sind das Team das in die Kirche geht. Die anderen werden folgen. Aber versprich mir, das du dich im Griff hast«, bittet er. Ich runzle meine Stirn und lege meine Hände an die Weste, um ihnen Beschäftigung zu verschaffen. »Ich?«
»Ja, du Gus. Ich weiß das sie dir viel bedeutet, aber lass mich das machen, okay?«
Schluckend nicke ich und wende mein Gesicht ab. Die anderen Männer die sich gerade noch bereit gemacht haben, warten nun fertig eingekleidet in der Wohnung verteilt. John klemmt sich den Laptop unter den Arm und deutet auf die Tür. »Also meine Herren, aufsitzen. Zwanzig in jeden Wagen. Pronto«, befiehlt er ihnen streng. Ohne mit der Wimper zu Zucken marschieren die Soldaten ab, wir folgen ihn.

In der Tiefgarage des Hauses, die ich fast nie nutze, stehen fünf kugelsichere Transportwagen, sie uns ans Ziel bringen werden. Ein Teil der Männer sitzt bereits als wir ankommen, sie waren nicht mit oben, das wäre ein bisschen viel für mein Apartment gewesen. Vierzig weitere werden uns an der Kirche treffen. Sie bilden das erste Team, das uns den Weg hinein ermöglicht. Wir müssen warten bis sie das Gelände gesichert haben, bevor wir eingreifen. Niemand in der Kirche soll Verdacht schöpfen.
Ich sitze nachdenklich im dunklen Wagen und halte mein Gewehr vor mir in den Händen, den Lauf zum Boden gerichtet. Meine Finger tasten nach dem goldenen Kettchen um meinen Hals. Ich spüre meine Handschuhe über das Stück Schmuck fahren und atme aus. Als es Zeit wird, vermumme ich mich. Danach heißt es warten.
Mila, kleines Vögelchen, schon bald wirst du frei sein.

Serpent King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt