MILA
London ist nicht der beste Ort, um abschalten zu können. Obwohl man den Verkehr der Regen Innenstadt hier in der Siedlung kaum hört, stören mich die Hochhäuser, die mir den Ausblick auf den grauen Himmel verderben. Immer wieder spiegeln sich Blitze in den gläsernen Fassaden der Türme. Donner grollt durch die Wolken. Ich sitze in der Nische meines Badezimmerfensters hinter der Wanne und starre nach draußen. Die Beine angezogen und die Arme um die Knie geschlungen. Nach dem Abendessen gestern habe ich meinen Vater nicht wieder zu Gesicht bekommen. Heute Morgen habe ich Frühstück auf mein Zimmer bekommen und auch das Mittagessen wurde mir gebracht. Ich bin sicher, dass ich eine gefangene bin. Die beiden Aufpasser vor meiner Tür sprechen Bände. Ich will nicht herausfinden was sie für Mittel anwenden werden, sollte ich einen Fuß vor diese Tür setzen.
Lippenbeißend reibe ich mir meinen bandagierten Unterarm. Selbst das lässt mich an Fergus denken. Der Schnitt in seiner Handfläche war tief, ich hoffe das er vernünftig ist und den Verband dran lässt, bis es verheilt ist. Bei mir wird das wohl noch etwas länger brauchen. Egal mit welcher Kraft ich versuche meine Finger zu bewegen, nicht mal das kleinste zucken bringe ich zustande. Frustriert beiße ich mir auf die Unterlippe und wende mein Gesicht wieder aus den klaren Fenstern hinaus. Wie lang muss ich noch hier versauern, ohne zu wissen was passiert? Was mein Vater mit mir anstellen wird? Ich habe keinen blassen Schimmer und gerade das kratzt so an meiner Psyche. Allein der Gedanke doch diesen schmierigen Typen heiraten zu müssen, wie ich ursprünglich sollte, lässt mir einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen. Hoffentlich wird das nie passieren. Dann würde ich es diesmal wirklich beenden.
Erschöpft von den letzten Tag und besonders dem Unfall, lehne ich meine Stirn gegen die kalte Scheibe und schließe die Augen als die ersten Regentropfen dagegen prasseln. Ich sehe Fergus vor mir, spüre seine Berührungen als würde er präsent sein, die warmen Lippen auf meinen und die Hände an meiner Mitte. Seit Atem prallt gegen meinen Mund, seine Augen graben sich wie Schaufeln in meine ohne je die Absicht zu haben wieder loszulassen. Ich verfalle ihm minütlich mehr und mehr. Was ein Zufall es doch ist, das er ausgerechnet der beste Freund meines Bruders war. Es ist als hätte Neal uns zusammengeführt weil er wusste das wir uns brauchen.
Mit meinen Fingerkuppen berühre ich meinen Hals. Dort wo der Anhänger sonst auf meiner Haut aufliegt, ist nur eine kahle Stelle. Ich fühle mich nackt ohne die Kette. Sie bedeutet mir so viel.
»Tut mir leid Neal, ich verspreche das ich sie wiederfinde«, wispere ich gen Himmel. Ob er mich beobachtet von dort oben? Ich vermisse meinen großen Bruder so sehr...~
Je mehr der Tag voran schreitet, desto müder werde ich obwohl es noch nicht sehr spät ist. Nach einer umständlichen Dusche, in der ich versucht habe meinen Arm nicht zu durchnässen, habe ich mich umgezogen und meine Haare geföhnt. Zehn Minuten habe ich in Spiegel die Platzwunde an meinem Haaransatz betrachtet und sie schließlich sanft mit einem Pflaster bedeckt, das noch in der oberen Schublade des Waschtischs lag. Es regnet noch immer in Strömen als ich das Licht im Badezimmer lösche und neben mein Bett trete. Über dem Stuhl meines Schreibtisches hängend erkenne ich die Jacke von Fergus im Licht des Vorgartens, liegen. Die großen Lampen die die uralten Bäume erhellen sind wie helle Sterne die ein warmes Zwielicht in den Raum werfen. Es schaut aus wie ein Sonnenuntergang, selbst wenn die schon längst am Himmel dem Mond gewichen ist. Meine unversehrte Hand streicht über die Jacke des Schotten. Ich kann mich anders als sie mir über das Schlafshirt und die kurze Hose zu ziehen. Mit geschlossenen Augen vergrabe ich meine Nase im derben Stoff der Jacke und ziehe sie eng um meinen Körper. Das Kleidungsstück riecht nach Fergus. Ich vermisse ihn...
Er ist der einzige seit einer langen Zeit gewesen, bei dem ich mich so wohl und angekommen gefühlt habe. Wir sind uns gerade näher gekommen und er hat sich mir geöffnet, als ich entführt wurde. Selbst wenn ich nichts dafür kann, übermannt mich mein schlechtes Gewissen fast. Auf mein Bett sinkend, mit dem Gesicht zum Fenster, denke ich über das vergangene nach. Über all die Dinge die er nun allein durchstehen muss. Ich wusste das er Unterstützung braucht. Mir tat es in der Seele weh ihn so am Boden zerstört zu sehen und das nur wegen dem Tod meines Bruders. Er muss ihn wahrlich als besten Freund geliebt haben. So wie ich ihn als Bruder geliebt habe. Der Schmerz zu Neal verbindet uns auf eine besondere Art und Weise. Mag sein das er sich mir deshalb Näherkommen ist. Egal wieso, ich habe den dunkelhaarigen Schotten mit dem griesgrämigen Gesichtsausdruck und den vielen Tattoos liebgewonnen. So sehr das ich mich in seine Jacke gekuschelt ins Bett lege und langsam aber sicher in meine Traumwelt abdrifte und dabei nicht einmal seine Augen vergesse, die sich vor meinen abzeichnen.~
Ich wache in seiner dicken Jacke auf. Bin so müde, das ich erst zum zweiten Mal mitbekomme, wie jemand eifrig gegen meine Tür klopft. Müde stoße ich ein Gähnen aus und reibe mir über die Augen. Hoffentlich ist das nicht wieder mein Vater der mit mir sprechen will. Auf seine Vorträge kann ich verzichten, mir geht es so schon dreckig genug. Müde schlürfe ich durch mein Zimmer auf die Tür zu. Ich drehe den Schlüssel im Schloss und schon springt sie auf. Erschrocken stolpere ich ein paar Schritte zurück und mache Bekanntschaft mit dem harten Boden. Nichtmal der weiche Teppich kann den Sturz abfedern. Mit klopfendem Herzen schaue ich an meinem Vater hinauf, bis unsere Augen sich treffen. Er hat seinen behandschuhten Zeigefinger ausgestreckt und deutet auf mich. Sein Gesicht voller Verachtung. »Steh endlich auf und zieh diesen Fetzen von Jacke aus. Gehört die dem Bastard mit dem du dich rumgetrieben hast? Dieses Pack«, schnauzt er und langt nach dem Kleidungsstück. Er zieht mich mit einer Hand auf die Beine und schubst mich rückwärts aufs Bett. Sitzend reibe ich mir meinen gebrochenen Arm und verziehe die Lippen schmerzvoll. »Was... was machst du hier?«, frage ich ihn ängstlich. Allein seine Augen verraten mir, wie eiskalt er dahinter sein muss. Nichts ist mehr von dem übrig der er einmal war. Kein Fünkchen liebe ist mehr geblieben.
Er strafft seinen maßgeschneiderten Anzug selbstbewusst und rümpft die Nase. »Riecht auch nach Schotten.«
»Hey!«
»Halt deine Klappe Ludmila! Du wirst jetzt deine Sachen packen und dann brechen wir zurück nach Inverness auf«, kündigt er an. Schockiert reiße ich meine Augen auf und weiche ein Stück weiter zurück. »Wie bitte?«, frage ich fassungslos. Er lacht siegessicher und deutet mir den Reißverschluss zu öffnen. Langsam streife ich mir Fergus Jacke ab und umklammere sie so fest ich kann. »Was hast du vor?«, will ich mit dünner Stimme wissen. Seine Mundwinkel zucken, das Kinn in die Höhe gereckt. »Dachtest wohl das Du um die Hochzeit herumkommst mit deiner kleinen Fluchtaktion. Falsch gedacht meine Liebe. Diesen Samstag wirst du heiraten.«
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Serpent King | 18+
RomanceFergus Duncan, ein drogenabhängiger Ex-Soldat lernt Ludmila Karakov kennen, eine junge Frau die verzweifelter nicht sein könnte und sich in die eisigen Fluten des Meeres stürzen will. Ihr letzter Ausweg vor einer Heirat mit einem Mann, der ihr Vater...