55

3.8K 208 10
                                    

MILA

Nach unserer Unterhaltung im Badezimmer, hat Fergus mich zu Bettruhe verdonnert. Mir gefällt das überhaupt nicht, vor allem weil er nochmal weg wollte, aber er versicherte mir, dass er bald wiederkomme. Ich denke das er sich trotzdem nicht vor heute Abend blicken lassen wird. Vorhin habe ich ihn mit seinem Cousin und ein paar anderen durch den Garten laufen sehen. Sie sind in einem der Gästehäuser verschwunden, die das Castle hat. Nun bin ich allein. Dem Fernseher schenke ich bereits seit Stunden keine Aufmerksamkeit mehr. Es läuft irgend eine Serie, nur damit es nicht so still ist. Eine Weile habe ich mich in Fergus seinem Zimmer umgesehen doch habe mich inzwischen dem Fenster zugewendet und dem Raum den Rücken gekehrt. In den Wipfeln der riesigen alten Bäume tanzen Vögel umher. Sie fliegen von Ast zu Ast und zwitschern gesellig. Das Wetter ist einigermaßen gut und sogar erstaunlich warm für diese Jahreszeit. Es ist nur eine Ausnahme, das ist mir bewusst. Schon bald, wenn auch die wenigen übrig gebliebenen Blätter zu Boden gefallen sind, wird der Schnee kommen und die Welt in eine frostige Landschaft aus weißer Zuckerwatte verwandeln. Ich mag den Winter. Liebe es, stundenlang vor dem Kamin zu sitzen, das Feuer knistern zu hören und einen Kakao in den Händen zu halten. Früher, als ich noch keine zehn war, hat Neal mir immer vorgelesen. Wir saßen eine Ewigkeit vor dem Feuer und ich habe nur seinen Erzählungen gelauscht. Es ist eine schöne Erinnerung die mich selbst jetzt noch Lächeln lässt.
Nach geraumer Zeit schlafe ich ein. Meine Lider fallen zu und der Kopf wird mir schwer. Ich ziehe die Decke bis zum Kinn und schlafe auf der Seite liegend ein, dick zugedeckt und bereit hundert Jahre zu schlafen.

Ich weiß nicht wie viel Zeit verstrichen ist als ich wieder aufwache, aber der Himmel hat sich wieder zugezogen und einzelne Regentropfen kleben an der Scheibe. Die Vögel in den Baumkronen sind verschwunden. Sie haben sich sicher in ihr trockenes Nest zurückgezogen. Vor ein paar Jahren hat Neal mir einmal erzählt, das es hier im Herbst sehr schlechtes Wetter gibt, es viel regnet und stürmt, bevor der Schnee kommt. Die Kälte soll außerdem beißend sein. All die Jahre habe ich es nicht geglaubt sich nun wird mir klar, dass er recht gehabt hat. Seit Tagen regnet und stürmt es. Der Himmel ist gewittergrau und die Wolken riesengroß, wie eine düstere Kuppel die sich über die Highlands gelegt hat. Gähnend zupfe ich die Decke bis zur Nasenspitze und vergrabe mein Gesicht in der nach Fergus riechenden Bettdecke. Das schwarze Stück ist warm und weich, fast schon so dick wie eine Federbettdecke. Die Kissen sind ebenso und die Matratze so gemütlich das ich glatt weiterschlafen könnte. Fühlt es sich so an, wenn der ganze Stress der letzten Tage von einem abfällt?
Wie sehr ich mir wünschen würde, das Fergus jetzt hier wäre. Kick würde mich in seinen Armen verstecken und wie Dornröschen auf ewig schlafen, bis er mich wach küsst.
Vermutlich habe ich zu viele Filme geschaut.

Ein zartes Klopfen an der Tür ertönt. Ich befreie mich bis zu den Schultern hinab aus der Decke und rutsche etwas im Bett auf, bleibe dennoch auf der Seite liegen und drehe nur den Kopf zurück über die Schulter, in Richtung Tür. »Ja?«, antworte ich gespannt. Wer kann das nur sein? Fergus würde nicht klopfen. Wer also dann?
Es ist Glenna. Sie kommt leise hinein und schließt die Tür hinter sich. »Darf ich reinkommen, oder störe ich?«, erkundigt sie sich mit einem Lächeln auf den Lippen. Schluckend schüttle ich den Kopf und deute ihr näher zukommen. »Nein schon okay. Setzen sie sich doch«, bitte ich sie. »Nenn mich Glenna, das ist nicht so formell«, bietet sie mir an und sinkt auf die Bettkante. Nervös grabe ich meine gesunden Finger in die Bettdecke und ziehe sie enger an meinen Körper. Fergus' Tante wühlt meine Gemüter auf, da ich nicht weiß, was sie will. Bis jetzt sind wir uns noch nicht allein begegnet. Das sie jetzt zu mir kommt und das Gespräch sucht, bringt mein Herz ängstlich zum schlagen. Ihre Augen huschen hinaus aus dem Fenster und sie scheint für einen Moment in Erinnerungen zu schwelgen.

»Weist du, Fergus war schon immer mein kleines Sorgenkind«, beginnt sie besonnen, »selbst wenn er nur mein Neffe ist, ist er trotzdem mein zweiter Sohn... Nach dem Tod seiner Eltern hat er es so schwer gehabt. Er hat ständig nur geweint und fast ein ganzes Jahr nicht allein in seinem Bett schlafen können.«
Sie lässt eine Atempause und ich bin nicht sicher, wohin dieses Gespräch führt. Worauf will sie hinaus? Was will sie mir mit diesen Worten klarmachen?
»Als er mit den Drogen angefangen hat, ist etwas in mir zerbrochen«, gesteht sie mir und schaut mich kurze Zeit mit glasigen Augen an. Ich wage es nicht sie zu unterbrechen. »Weist du, er war schon so oft in der Entzugsklinik und ist immer wieder rückfällig geworden. Es hat mir das Herz gebrochen weil ich wusste, dass es seiner Mom so sehr wehgetan hätte, ihn so zu sehen«, schnieft sie. Ich reiche ihr still ein Taschentuch vom Nachttisch. »Danke«, weint sie und wischt sich die Tränen fort, »...deswegen bin ich froh, dass er jemanden gefunden hat, der ihm da durch hilft. Mich hat er nicht mehr an sich rangelassen. Es hat mir das Herz gebrochen meinen Jungen so zu sehen, umso glücklicher macht es mich, das er dich hat. Mein Sohn mag dich wirklich Mila«, schnieft sie weiter. Ich rutsche im Bett auf und lege ihr meine Hand tröstend auf die Schulter. Das wollte sie mir also erzählen. Mir ist nicht bewusst gewesen, das Fergus schon so oft zuvor versucht hatte, Clean zu werden. Das schmerzt mir in der Seele. Ich kann Glenna verstehen. Mir würde es ebenso das Herz brechen, jemanden den man liebt, so zu sehen. Trotz das Fergus nicht ihr leiblicher Sohn ist hat sie ihn mit solch einer Liebe und Mitgefühl erzogen das es mir selbst schon Tränen in die Augen treibt. Ich blinzle sie schwer atmend weg und tätschle Glennas Schulter weiter.
»Fergus ist großartig. Er kann von Glück sprechen, das er jemanden wie dich hat Glenna«, wispere ich während sie sich mit einem Taschentuch die Tränen abwischt. »Oh bitte, die letzten Jahre hatte er nicht so einen Fortschritt gemacht wie mit dir. Wenn man jemandem danken muss, dann dir«, antwortet sie. Ich atme kopfschüttelnd aus und tätschle ihre Schulter. »Nein das-«
»Doch, ich sehe wie viel du ihm bedeutest. Ich möchte nur, das du weißt, dass du hier immer willkommen sein wirst. Egal was zwischen meinem Mann und deiner Familie passiert ist.«
»Das ist sehr lieb von dir, Glenna. Ich weiß das zu schätzen«, spreche ich und lege meine Hand über mein Herz. Seine Tante ist so lieb. Ich kenne das nicht von meiner Familie, deshalb berührt es mich umso mehr. Die Schottin schnieft ein letztes Mal und schließt mich vorsichtig in ihre Arme, als hätte sie Angst mir wehzutun. Ihre mütterliche Umarmung löst einen Schauer der Erleichterung in mir aus. Ich fühle mich wohl hier, bei Fergus und seiner Familie. Erschöpft schließe ich die Augen und lasse zu das ihre Hand sich an meinen Hinterkopf legt um ihn zu tätscheln. »Danke für die Ehrlichkeit und danke, das ich bleiben darf...«
»Natürlich Mila, du gehörst jetzt zur Familie.«

Serpent King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt