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FERGUS

Wie sie auf ihrem Stuhl herumrutscht, ist schon fast zum brüllen komisch. Denkt sie, ich sehe nicht wie rot sie bei meiner Ankunft geworden ist? Das gestern Abend hat ihr gefallen. Jede Zelle ihrer selbst hat sich mir hingegeben, als wäre ich Gott persönlich. Sie war gestern so kurz davor, mich in den Wahnsinn zu treiben. Fast hätte ich mich nicht mehr zurückhalten können. Aber fuck, in ihre unschuldigen Augen zu blicken hat mich wieder realisieren lassen, das sie dafür nicht bereit wäre, egal wie oft sie mich angefleht hätte. Sie mag behaupten das sie keine Jungfrau ist, aber alles an ihr schreit danach. Sie ist mit einem goldenen Löffel im Mund aufgewachsen und hat vermutlich noch nie die schützenden vier Wände ihres Zuhauses verlassen. Mila könnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Sie ist viel zu gut für die Welt in der sie steckt. Mir ist auch das Kreuz aufgefallen, das sie um ihren Hals trägt. Ich bin schon lange nicht mehr gläubig, aber sie scheint es zu sein.

Auch jetzt blitzt mir der goldene Kreuzanhänger entgegen. Sie sitzt neben mir am Esstisch und knabbert an einer Nektarine herum. Dabei starrt sie auf die Tischplatte als wäre sie das interessanteste der Welt. Aus unserem Gespräch hat sie sich schon längst ausgeklinkt. Ich nehme mir ab und zu ein paar Momente um die Britin von der Seite zu betrachten. Ihre Aura ist so rein und klar, wohingegen meine wohl topfschwarz oder blutrot ist. Wir sind wie zwei Gegensätze. Wie Tag und Nacht, wie Himmel und Hölle, wie Gut und Böse. Ich will mehr über sie herausfinden, mehr über ihre Familie aber vor allem mehr darüber, was geschehen ist. Hat ihr Vater sie wirklich all die Jahre in seinem Haus festgehalten? Wer muss er sein, das er sowas tut? Bis jetzt habe ich es vermieden Nachforschungen anzustellen. Ich könnte binnen Sekunden jedes Detail über sie herausfinden, wenn ich wollte. Aber das tue ich nicht. Lediglich Ewan riet mir, ihren Namen zu googeln. Vielleicht tue ich das. Die Männer ihres Vaters schienen bereit sein über Leichen zu gehen. Immer mehr beschleicht mich das Gefühl, das ihre Familie ebenfalls in den Kreisen meiner mitmischt. Zwar haben wir uns über die Jahre immer weiter legalisiert, doch selbst jetzt gibt es noch schmutzige Details und Geschäfte, die mein Onkel Alistair vor der Armee verbirgt. Die Waffenlieferungen an sie, sind die Hälfte des Einkommens, die andere Hälfte bekommt er durch den Anbau und Verkauf von Drogen. Es ist schwer davon wegzukommen, wenn man an der Quelle sitzt. Das weiß ich. Auch jetzt fließt das weiße Gift durch meine Adern. Es vergeht kein Tag an dem es das nicht tut. Ich brauche es um Atmen und denken zu können, um zu funktionieren. Sonst würden meine Gedanken permanent um ein und das selbe Thema kreisen. All die Medikamente die der Psychodoc mir verschrieben hat, haben nichts bewirkt. Koks ist das einzige, das meine Gefühl dämpft, meistens betäubt. Ich hasse sie so sehr, das ich es nicht aushalte ohne das Pulver. Jeder Gedanke, jeder Moment der mich nach Afghanistan zurückbringt, ist ein weiterer Riss in meinem Herzen, das immer und immer mehr auseinander fällt. Nichts und niemand könnte es je heilen.

»Wann kehrt dein Vater zurück?«, murmle ich fragend mit vollem Mund. Ewan setzt sich Rosy auf seinen Schoß und presst den Säugling fest an sich. Ihre runden Kulleraugen liegen neugierig auf Mila. »Übermorgen. Meine Mutter hat ihm zu diesem Spezialisten geschleppt, der seine Beinschmerzen lindern soll, damit er wieder mehr laufen kann. Du weißt ja, er hasst den Rollstuhl wie die Pest«, antwortet er Augenverdrehend. Nickend stopfe ich mir das letzte Stück Ei in den Mund. Ich kann mir vorstellen, wie Alistair schimpfen wird. Aber er ist ein zäher Hund, nichts und niemand bringt den alten Duncan so schnell aus der Fassung.
»So Lange können wir bleiben?«
Ewan nickt. »Klar«, bestätigt er. Das hört sich doch gut an. Mila bleibt hier während ich mir übermorgen die Wohnung anschaue. Ich sollte mich vorerst dort nicht blicken lassen, erst wenn es dunkel ist und nur allein. Wenn die Kerle gut sind, haben sie schon längst herausgefunden wo ich wohne und wer ich bin. Dann sollten sie noch schlauer sein und begreifen, das man sich nicht mit einem Duncan anlegt. Das hier ist mein Revier und ich werde es verteidigen, wenn ich muss. Diese Hunde werden mir nicht auf den Geist gehen, sonst werde ich sie eigenhändig kastrieren.

»Können wir jetzt los?«, unterbreche ich Ewans Spielstunde mit Rosy. Er wippt sie auf seinem Schoß hin und her und zulegt Grimassen. Welch ein merkwürdiger anblickt so einen tätowierten, Türsteher-Liken Mann mit einem zarten Baby in den Armen zu sehen. Sie bedeutet ihm die Welt. Vom ersten Moment an habe ich es in seinen Augen sehen können. Er mag zwar immer noch der alte sein, doch wenn Erin und Rosy in seiner Nähe sind, wird er weich.
»Wo wollt ihr hin?«, traut Mila sich zu fragen. Ich bezweifle das die anderen es mitbekommen haben, den Erin erzählt gerade etwas als Ewan ihr das Baby reicht. Also wende ich meinen Kopf Mila zu und blicke sie für einen stillen Moment an, bevor ich antworte. »Wir sind in einem der Gästehäuser. Es gibt einen Schießstand im Keller«, erkläre ich ihr und erhebe mich aus dem Stuhl. Ewan tut es mir gleich. Ich schnappe mir noch ein letztes Stück Obst aus der Schale vor mir und verschwinde mit meinem Cousin. Beim Gehen spüre ich Mila's Blick auf meinem Rücken wie Feuer das sich in meine Haut brennt.

Auf dem Weg zum Gästehaus esse ich den Apfel den ich mir genommen habe. Ewan telefoniert mit seinem Vater, vermutlich besprechen sie die nächste Lieferung von Waffen, die ich entgegennehmen werde. Selbst nach all den Jahren finde ich den Job genau so langweilig wie zu Beginn. Doch wenn es heißt, das ich nicht aus der RAF fliege, dann tue ich es. Niemand weiß von dem Problem das ich habe. Naja, fast niemand. Henry weiß es und ein paar meiner alten Kollegen. Alistair hat dafür gesorgt das niemand sonst es erfährt. Ich bin einen Deal mit meinem Vorgesetzten eingegangen - ein Jahr keine Flashbacks und ich darf zurück. Allerdings muss ich mich regelmäßig bei meiner Psychodoc Tante melden, was ich schon ewig nicht mehr getan habe. Ich mag die Stunden bei ihr nicht. Sie erinnern mich an all das was ich vergessen will. Sie kann mir nicht helfen, niemand außer die Drogen können das.

In den Gewölben unter dem zweiten Gästehaus ist es kühl. Hinter einer der Türen verbirgt sich ein lang gestreckter Raum mit Zielscheiben und Waffen. Sie dienen als persönlicher Übungsplatz für meine Familie. Und stammt noch aus den Zeiten, in denen die Duncans an weitaus illegaleren Geschäften beteiligt waren. Auch in den Gärten des Castles gibt es einen Schießstand mit künstlichen Tieren. So üben sie für die jährliche Jagd. Ich persönlich mache dort nicht mit. Es erinnert mich zu sehr an Afghanistan.
Im Gegensatz dazu haben die Pistolen vor mir im Schrank wenig Einfluss auf meine Erinnerungen. Ich war nicht im Combat Team, so verfolgen mich keine schlechten Erinnerungen an sie. Trotzdem blitzt ein Moment aus der Vergangenheit vor meinem inneren Auge auf, als ich mich aufstelle und auf die Scheibe schieße. Das passiert äußerst selten. Meine Finger beginnen zu zittern. Wieder und wieder drücke ich ab, die Kugel zerfetzen die Scheibe mit jedem Einschlag etwas mehr. Während Ewan weitermacht, bekommt er nicht mit wie ich nach der kleinen Schachtel in meiner Hosentasche Taste und sie dort nicht finde. Sie muss noch oben sein. Verdammt. Das einzige was in dieser Situation hilft ist das Kokain. Ich will es vergessen, will nicht an dir Momente erinnert werden. Zitternd beiße ich mir auf die Zunge und übe erneut Druck auf den Abzug aus. immer und immer wieder schieße ich, treffe genau ins Ziel. Erst als das Magazin leer ist, lasse ich meine Hände sinken. »Alles okay?«, fragt Ewan mich besorgt. Schluckend lange ich nach dem extra Magazin und tausche es aus. »Ja«, Lüge ich, »alles bestens.«

Serpent King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt