MILA
Das Haus ist ganz schick. Zugegeben ziemlich gut für einen Militärstützpunkt. Es scheint hier an nichts zu fehlen. Das Badezimmer ist gut bestückt und auch der Rest des Hauses schaut nicht so aus, als würde hier niemand leben. Fremde Jacken hängen im Flur und Schuhe stehen feinsäuberlich geordnet auf dem Boden. Militärische Genauigkeit.
Fergus steht in der Küche als ich aus dem Badezimmer zurückkehre. Er schneidet Tomaten und gibt sie gerade in eine Pfanne. Es riecht nach Eiern. »Das ist das einzige, was da war, Henry muss mal einkaufen gehen«, brummelt er. »Henry?«, frage ich neugierig und lehne mich neben ihm an die Schränke. »Ein alter Freund, er ist zur Zeit in Inverness aber wird spätestens morgen hier sein«, erklärt er mir. Neugierig spähe ich in die schwarze Pfanne in der er herumrührt und entdecke tatsächlich das vermutete. »Schon wieder Eier?«, seufze ich. »Das ist das einzige im Kühlschrank gewesen«, verdreht er die Augen und teilt es gleichmäßig auf zwei Teller auf. »Danke«, lächle ich ihm trotzdem an. Es ist besser als hungern zu müssen. Noch dazu schaut das Rührei mit der Tomate und etwas Speck wirklich köstlich aus. Fergus kann besser kochen als ich.Am Esstisch niedergelassen, starre ich an ihm vorbei aus dem Fenster. In unmittelbarer Ferne erkenne ich die Dächer großer Hangars, dahinter nur Brachland. »Ist das eine Landebahn da hinten?«, nuschle ich mit vollem Mund. Ohne sich herumzudrehen antwortet er. »Ja.«
»Cool«, nuschle ich weiter. Er will offensichtlich nicht darüber sprechen. Allein das wir hier sind scheint ihm nicht zu bekommen. Er sitzt die ganze Zeit über so steif und verkrampft da, selbst vorhin auf dem Sofa habe ich es gemerkt. Nach dem Zwischenfall gestern habe ich lange über das Geschehene nachgedacht, als er weg war. Ich weiß nicht wie es heißt, aber ich bin mir sicher das es seine Vergangenheit ist, die ihn einholt. Wie gern würde ich mehr über ihn erfahren. Der dunkelhaarige ist der interessanteste Mensch, der mir seit einer Weile über den Weg gelaufen ist. Seit meinem Bruder um genau zu sein...
Seine Augen schauen so gekränkt und gebrochen, das ich mich frage was vorgefallen ist. Was hat ihm zu dem gemacht, der er heute ist? Hat er jemanden verloren der ihm wichtig wahr? Einen Freund, Bruder oder Kameraden?
Jede Zelle meiner selbst sträubt sich danach ihn darauf anzusprechen. Ich will seine Situation nicht noch schlimmer machen. Meine Iriden ruhen auf seinen zitternden Händen. Er kann kaum die Gabel halten. Seine Fingerknöchel treten weiß hervor, sein Kiefer ist angespannt. »Bin gleich wieder da...«, murrt er Sekunden später genervt. Ich starre den leeren Platz an von dem er sich erhoben hat. Ohne ihm nachgehen zu müssen weiß ich, das er Kokain schnupft. Es tut mir leid für ihn. Zum ersten Mal hege ich echtes Mitgefühl für ihn. Ich glaube, das ein guter Kerl in ihm steckt. All die Jahre muss niemand versucht haben zu ihm vorzudringen. Genau das ermutigt mich weiterzumachen. Es mag dumm sein immer das gute in Menschen zu sehen, aber bei ihm irre ich mich nicht. Fergus mag ein Eisklotz sein, doch sein Herz ist so weich wie Karamelleis. Es muss nur lang genug bearbeitet werden bis es schmilzt.~
Die erste Nacht im neuen Bett fühlt sich komisch an. Die Matratze ist etwas unbequemer als im Castle und in seiner Wohnung. Ich brauche ein paar Drehungen, bis ich die richtige Position gefunden habe. Durch die geputzten Fenster sehe ich die Scheinwerfer der Landebahn in der Ferne. Ab und zu hört man die Geräusche der Flugzeuge die dort landen. Trotzdem ist es stockfinster im Zimmer. Das Wasser plätschert in der Dusche nebenan und ich drifte immer weiter in meine Traumwelt ab. Die Decke bis zur Nasenspitze gezogen, schlafe ich ein.
Mitten in der Nacht wache ich durch Geräusche auf. Es ist weder ein Flugzeug noch ein Auto von der Straße, sondern kein geringerer als der, der neben mir liegt. Der dunkelhaarige keucht als wäre er einen Marathon gelaufen. Blinzelnd komme ich gegen die Dunkelheit an und suche das Zimmer nach ihm ab. Ich muss mich vollständig auf die andere Seite drehen, um ihn zu erblicken.
Fergus hat mir den Rücken gekehrt und sitzt am Rand des Bettes. Seine Hände sind neben seine Beine in die Matratze gegraben und, sein Kopf hängt hinab. Auf seinem nackten Rücken hat sich ein Schweißfilm gebildet. Er muss ein Albtraum gehabt haben, denke ich mir. Zögernd strecke ich meine Hand aus und berühre seinen Rücken. Er zuckt zusammen, dreht sich aber nicht um. »Ich bins nur«, beruhige ich ihn. Schwer atmend streift er sich durch die Haare und keucht. »Ich wollte dich nicht wecken...«, entschuldigt er sich bei mir. »Schon okay«, versichere ich ihm. Fergus neigt seinen Kopf in meine Richtung und sieht mich über die Schulter hinweg an. »Das im Castle war ein seltener Zwischenfall«, will er mir verklickern, »normalerweise passiert das nicht.«
»Willst du es erzählen?«
»Nein«, brummt er kehlig und legt sich zurück ins Bett. Das muss ich wohl akzeptieren. Wenn er nicht darüber sprechen möchte, kann ich nichts tun. Ich sehe das er noch nicht bereit dafür ist. Vielleicht bin ich auch nicht die richtige Person dafür. Wir kennen uns noch nicht lange, aber vielleicht vertraut er sich diesem Henry an, dem das Haus gehört. Lippenbeißend mustere ich seine harten Gesichtszüge. Sie sind so steinig und monoton. Was er wohl geträumt hat? Dieser Ort ist daran Schuld. Es triggert ihn. Sind es die Helikopter und Flugzeuge, er sagte das er Pilot sei. Hat er eine dieser Kampflugzeuge geflogen? Mir wird ganz mulmig im Bauch wenn ich- nein, daran darf ich jetzt nicht denken. Ich schließe müde meine Augen und drifte in einen leichten Schlaf ab. Fergus weckt mich noch dreimal unabsichtlich die Nacht, weil er von den Albträumen aufwacht. In den frühen Morgenstunden als die Sonne gerade hinter den Bergen hervorkommt, verlässt er das Zimmer und verschwindet mit seiner Jacke in der Hand. Wohin er geht weiß ich nicht, ich schlafe ein bevor ich es mitbekomme.~
Gähnend strecke ich meine Arme in die Luft und lege den Kopf ausatmend in den Nacken. Es ist bereits Mittags als ich erholt aufwache. Wie immer fehlt von Fergus jede Spur. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt.
Die wenigen Sachen die ich noch habe, sind von Erin. Aber sie sind schmutzig und so bleibt mir nichts anderes übrig als ein Oberteil von Fergus zu stehlen. Die Hose von Erin ist noch in Ordnung.
Im Haus ist es noch stiller als im Castle. Hier gibt es keine Angestellten die in der Küche klappern oder die Waschmaschine betätigen. Bin ich etwa allein?
»Fergus?«, rufe ich durch die vier Wände des Flures und lege meine Hand ans Treppengeländer. Der angesprochene antwortet nicht. Wo er nur ist? Immerhin sehe ich den Jeep durch das Fenster neben der Garage stehen. Es ist nicht das einzige. Wer das wohl ist?Jemand räuspert sich hinter mir als ich in der Tür der Küche stehe. Erschrocken drehe ich mich um und sehe einen Mann auf dem Sofa im Wohnzimmer sitzen. »Gut geschlafen?«, fragt er mich mit rauer Stimme. Schluckend nicke ich. »Wer sind Sie?«, frage ich unbeholfen nach. Er steht auf und kommt langsam auf mich zu. Im stehen ist er um einiges größer und verdammt muskulös. Fast so breit wie der Türrahmen. Er streckt mir seine große Hand entgegen. Skeptisch blicke ich auf sie hinab bevor ich meine hineinlege. »Henry, du stehst in meinem Haus«, stellt er sich vor. Meine Augen weiten sich. »Oh, dass, das tut mir leid, ich wusste nicht das du es bist. Ich bin Mila«, lächle ich peinlich berührt. Sein Handdruck ist fest und kurz. »Ach, kein Problem. Weist du wo Gus ist?«, will er sich umschauend wissen. »Wer?«, frage ich mit einem großen Fragezeichen auf der Stirn. »Fergus«, hilft er mir auf die Sprünge. »Oh, nein. Ich war selbst gerade auf der Suche nach ihm. Weit kann er ja nicht sein, oder? Vielleicht am Flugfeld?«
Henry schüttelt immer wieder seinen Kopf, so als wären meine Worte so abwegig. »Niemals. Der nähert sich der Startbahn nicht auf zwei Kilometer. Schon gar nicht den Hangars. Er kann nur bei seinem Vorgesetzten sein«, klärt er mich auf. Seine Worte hinterlassen nur noch mehr fragen. »Ist etwas vorgefallen? Er ist doch Pilot, oder?«
Henry schnaubt und schüttelt abermals den Kopf. »Von mir wirst du nichts erfahren. Das ist sein Ding. Wenn er es dich wissen lassen will, wird er es tun.«
Das verstehe ich. Er will seinen Freund schützen. Fergus scheint Mental nicht der stabilste zu sein. Was auch immer hier geschehen ist, er ist nicht bereit sich dem zu stellen. Ihm scheint es große Schmerzen zu bereiten das er herkommen musste, und das nur wegen mir. Schuldgefühle machen sich in mir breit. Sollte ich ihn darauf ansprechen?
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Serpent King | 18+
RomanceFergus Duncan, ein drogenabhängiger Ex-Soldat lernt Ludmila Karakov kennen, eine junge Frau die verzweifelter nicht sein könnte und sich in die eisigen Fluten des Meeres stürzen will. Ihr letzter Ausweg vor einer Heirat mit einem Mann, der ihr Vater...