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MILA

Baff starre ich auf die Haustür, aus der Fergus gerade verschwunden ist. Nach dem lauten Knall, mit dem er sich verabschiedet hat, hat sich eine bedrückende Stille über das Haus gelegt. In mir brodelt es, nicht aus Wut, sondern aus purer Verzweiflung. Mein Herz schlägt mir schwer gegen die Brust und schmerzt bei jedem Schlag. Während ich langsam auf das Sofa zugehe, wird mir speiübel. Schluckend sinke ich in die Polster und vergrabe das Gesicht in den Händen. Verdammter Mist...

Ich hätte nie gedacht, das Fergus all die Zeit meinen Bruder meinte... Das sie zusammen gedient haben. Ich bin planlos gewesen. Mein Vater hat mir nichts über seinen Tod erzählt, hätte er das, hätte ich es vielleicht ahnen können und dann doch nicht geglaubt. Der Zufall wäre einfach zu groß gewesen. Neal war Fergus' bester Freund. Das ergibt genau so wenig sinn wie der Rest. Mein Bruder hat nie viel über seine Arbeit mit mir gesprochen, aber ich weiß das er verdammt stolz auf seinen Posten war. Hätte er nicht in einem Satz Fergus erwähnen können? Wieso hat mir Neal nichts erzählt? Mir die Schläfen massierend schließe ich meine Augen und atme tief aus. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit ihm, das viele Jahre zurückliegt. Er wollte den Mädchennamen meiner Mutter verwenden, um zu verstecken das er ein Karakov ist. Die RAF hätte ihn niemals aufgenommen hätten sie gewusst, dass er der Sohn von Vladimir Karakov ist. Wir alle werden damit in Verbindung gebracht, solang wir den Namen tragen. Es ist ein Fluch, sagte Neal einst. Vielleicht hat er deshalb mit keinem Wort etwas von mir erwähnt. Weil er auf seinen Beruf stolz war, weil es sein eigenes Ding war. So oder so werde ich ihn dafür nicht verurteilen. Er ist schon lange Tod. Noch dazu verstehe ich ihn, ich weiß nicht was ich in seiner Situation getan hätte.

»Du bist wirklich Neals Schwester?«, holt Henry mich aus meinen Gedanken. Ich hebe meinen Kopf und sehe ihn Oberkörperfrei im Türrahmen zum Flur stehen. »Scheint so«, flüstere ich fertig mit den Nerven. Der dunkelhaarige Soldat verschränkt seine muskulösen Arme vor er Brust und presst die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. »Er hat nie etwas über seine Familie erzählt, ich wusste nicht das-« Die letzten Worte lässt er in der Luft hängen. Ich weiß genau was er sagen will. Er wusste nichts von mir.
»Umgekehrt genau so, Neal hat nie ein Wort über die Arbeit verloren, es ist einfach alles so kompliziert und blöd«, murmle ich nachdenklich und senke meine Augen auf den Langflorteppich vor dem Sofa. Ich grabe meine Zehen tiefer hinein und kaue auf meiner Unterlippe herum. »Ich hatte keine Ahnung das Fergus ihn kennt, als er mir geholfen hat. Wirklich, ich hatte keine Ahnung...« verteidige ich mich. Henry stößt sich vom Rahmen ab und schlendert auf den Kamin rechts von ihm zu. Er nimmt ein paar Stücken Holz und stapelt sie ordentlich darin. Vor dem Feuerplatz kniend entfacht er es mit einem Streichholz und wirft es hinein. »Mir brauchst du das nicht weißmachen, ich glaube dir auch so«, brummt er kehlig, »und Fergus weiß einfach nicht wohin mit seinen Emotionen. Er wird sich wieder einkriegen, keine Sorge«, versichert er mir. Skeptisch ziehe ich meine Füße aufs Sofa und decke sie zu. Das karierte Muster der Decke ziehe ich nachdenklich mit meinen Fingern nach. In meinen Ohren knistert das Kaminfeuer ruhig vor sich hin. Als Henry sich erhebt kann ich zum ersten Mal einen blick auf die rot-orangen Flammen werfen, sie lenken mich etwas ab. »Ich weiß nicht so recht...«, gestehe ich und merke, wie meine Gedanken mehr und mehr abdriften. Ich lehne mich gegen die Kissen auf die Seite und ziehe meine Hand unter meinen Kopf. Henry legt noch ein paar Stücke Holz ins Feuer und schaut mich dann an. »Willst du noch einen Kaffee?«, bietet er mir an. »Ja, danke«, murmle ich und schaue zu wie er die leere Tasse vom Couchtisch nimmt und in die Küche verschwindet. Jetzt können wir nur warten bis Fergus zurückkehrt. Ich kann nur beten das wir uns aussprechen können. Zu wissen das er der beste Freund meines Bruders war und ihn sein Tod so getroffen hat, verursacht mir noch mehr Herzschmerzen. Allein zur Liebe meines Bruders willen, muss ich ihm helfen wieder auf die Beine zu kommen. Neal würde nicht wollen, dass sein bester Freund so abrutscht, das weiß ich sicher.

Serpent King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt