Kapitel 5 ~ Familienabendessen

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»Du hast dich mit Erfolg vor dem Tisch decken gedrückt«, klatschte mir meine allerliebste Schwester direkt an den Kopf, nachdem ich die letzte Stufe erreicht hatte. »Wie immer.« Mit einem Pott von Kates selbstgemachten Mac n' Cheese in der Hand, rauschte sie nur knapp an mir vorbei und grummelte schlecht gelaunt vor sich hin. Wie sollte es auch anders sein? Mir war bewusst, dass Nancy jedes Mal an meiner Stelle helfen musste, den Tisch abends auf- und abdecken zu müssen, da ich mich eigentlich immer erfolgreich aus der Affäre ziehen konnte. Sie tat mir schon ein wenig Leid, aber manchmal hatte sie es verdient, bei ihrer Faulheit im Haus zu helfen. Daher hatte ich nie ganz so ein großes schlechtes Gewissen.

»Da bist du ja endlich, das Essen ist fertig«, ertönte Kates helle Stimme, die an mir ebenso vorbeirauschte, jedoch mit einem Teller Steaks in den Händen. »Würdest du noch die anderen beiden Bescheid geben?«, rief sie mir über die Schulter hinweg zu. Ich hatte mich bereits in Bewegung gesetzt und musste im Esszimmer kurz vor dem Tisch wieder wenden, um wieder zu der Treppe zu gelangen, von der ich gerade heruntergekommen war.

»Linus! Rina! Abendessen ist fertig!«, rief ich sie hinauf und lauerte noch kurz auf eine Antwort von ihnen beiden. Im Chor schrien sie dann zurück, dass sie kommen würden, weshalb ich mich von der Treppe abwendete und zufrieden zurück ins Esszimmer lief. Dort stand Kate mit erhobener Augenbraue und in den Hüften gestemmten Händen vor dem Esstisch und sah mich ernst an. »Was?«, fragte ich sie verwundert.

»Das hätte ich auch selbst tun können«, erwiderte sie. Typisch. Ich hätte mir auch denken können, dass sie das sagen würde, denn es war nicht das erste Mal. Eigentlich meinte sie immer mit Bescheid geben, dass ich ins oberste Geschoss ging, leise an die Tür, der beiden klopfte und ihnen dann über die Blume sagte, dass sie zur Raubtierfütterung antreten sollten. Jedoch löste ich diese Aufgabe immer mit dem Rufen ihrer Namen. Ich wusste, dass sie es nicht mochte, dennoch zuckte ich immer nur mit den Schultern, wenn sie mir einen scharfen Blick zuwarf und setzte mich an meinen Platz der Tafel, wie auch an diesem Tag.

Ausnahmsweise war der Tisch einmal vollständig gedeckt, da Jona mit uns essen würde, der auch das letzte Besteck an dessen Platz neben seinen Teller legte. Beim Setzen konnte er sich es jedoch nicht verkneifen, noch einen Kommentar über meine Duschgewohnheiten fallen zu lassen. Kate saß immer am Ende des Tischs zur Küche hin, sowie jeder Gast, der in dieses Haus schneite, am gegenüberliegenden Ende. Nancy und ich nahmen auf den beiden hintersten Stühlen Platz, während die beiden Knirpse direkt neben Kate sitzen würden. Wie zwei Wirbelwinde rannten sie die Treppe hinunter und sprangen auf die Stühle, ohne uns zuerst große Beachtung zu schenken.

»Erster!«, rief Linus und grinste wie ein Honigkuchenpferd über beide Ohren. Seine kleine besprenkelte Nase rümpfte sich dabei ganz unbewusst. Audrina dagegen verschränkte eingeschnappt ihre Arme vor der Brust und blickte ihn böse an, dabei fielen ihr wenige braune Strähnen ins Gesicht.

»Nur, weil du geschummelt hast.« Sie streckte meinem kleinen Bruder die Zunge raus.

»Habe ich gar nicht!«

»Doch hast du!«

»Habe ich nicht!«

»Do-och!«

»Nei-ein!«

»Es reicht!«, rief nun Kate, die mit den flachen Händen auf den Tisch schlug und die beiden Jüngsten streng ansah. Die jedoch erdolchten sich weiterhin mit Blicken. Es war selten, dass Kate zu solchen Mitteln griff, doch konnte ich es ihr nicht verübeln, da sie nicht einmal daran dachten nachzugeben, als Kate noch ruhig auf sie eingeredet hatte. Mit einem entschuldigenden Blick betrachtete sie Jona. »Entschuldigung, normalerweise benehmen sich alle am Essenstisch.«

»Ist schon in Ordnung, meine jüngeren Geschwister stecken in derselben Phase, keiner gönnt dem anderen etwas, ohne sein letztes Wort zu haben«, erklärte er mit einem unschuldigen Lächeln.

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