Kapitel 47 ~ Sieger stehen allein

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Wenn ich dachte, ich konnte nach diesem kleinen Lichtblick in meinem Leben noch einmal schlafen, dann hatte ich mich gewaltig geirrt. Demnach wandelte ich auch am Donnerstag, wie ein Zombie durch die Gänge, der kaum Kraft in sich trug. Würde ich den Hunger nach Gehirn verspüren, so könnte man mich mit R aus dem Film Warm Bodies vergleichen. Dummerweise stellte ich mir sogar die Frage, ob Christian in der Lage wäre, mich wieder menschlich zu machen. Würde er das überhaupt wollen?

Wieder waren meine Gedanken bei ihm. Es war zum Mäuse melken, dass ich nicht von ihm loskam. Mittlerweile müsste es mir doch leichter fallen, denn nun ging nicht nur ich ihm aus dem Weg, sondern er mied mich genauso sehr.

Jedes Mal, wenn ich ihn am heutigen Tag sah, versetzte es mir einen Stich. Er sah mich nicht ... Begegneten wir uns zufällig auf den Gängen, richtete er seine grauen Augen auf den Boden und ging schnurstracks an mir vorbei. In den Mittagspausen saß er mir nicht mehr gegenüber. Angeblich hatte er Quarterback-Pflichten zu erfüllen und beriet sich mit dem Coach.

Während es sich so anfühlte, als würde ich auf meinem eigenen Überbleibsel an Herz herumtrampeln, sorgte sich sogar Mila schon um mich. Ich dachte wirklich, ich könnte mein Empfinden vor ihr und Jona verstecken. Da hatte ich mich wohl getäuscht. Meine beste Freundin bohrte ebenso nach, wie mein bester Freund, nur wesentlich sanfter. Bisher konnte ich sie immer wieder abwimmeln. Sie sollten sich nicht um mich sorgen, denn sie hatten schon genug eigene.

Ein Glück, dass ich Kate in letzter Zeit kaum begegnete. Vor ihr hätte ich noch weniger meine Fassade aufrechterhalten können. Leider hatte diese Frau ein gutes Gespür dafür, wie es ihren Kindern ging. Dafür war sie einfach eine viel zu gute Mutter. Was würde sie sich freuen, wenn ich ihr von meiner Gelegenheit erzählen würde.

Wahrscheinlich war ich gerade meinem Traum näher dran, als im letzten Jahr. Trotzdem lag mein Herz noch immer zerschmettert am Boden.

Ich sollte glücklich sein, Freudensprünge machen und es mit meinen Liebsten teilen, aber das tat ich nicht. Es war seltsam. Lange hatte ich mich danach gesehnt, einer Karriere, als Profitänzerin näherzukommen, nur, um festzustellen, dass es in meinem Inneren rein gar nichts veränderte. Stattdessen hatte ich Natalie Page um Geduld gebeten, welches sie bis nach dem Homecoming bewahren sollte.

Als ich diese Bitte äußerte, hatte ich nicht mit Verständnis gerechnet. Eine kulante Trainerin war im Bereich des Tanzens eine äußerste Rarität. Noch seltener kam es vor, dass sie auf ihre Schüler warteten, doch genau das wollte sie tun. Sie wollte mir soviel Zeit geben, wie ich benötigte. Allerdings betonte sie auch, dass ich nicht zu lange mit meiner Entscheidung warten sollte.

Hätte mir jemand vor einem Monat gesagt, dass bei solch einer Gelegenheit ich den Wunsch äußerte, noch mehr Bedenkzeit zu erhalten, dann hätte ich denjenigen laut ausgelacht. Nicht aufgrund meines Zögerns, sondern des Homecoming wegen. Ich hasste ihn, jedoch war es mir wichtig, das Cheerleading-Team zu unterstützen. Ich hatte etwas begonnen, also musste ich es auch beenden.

Es wäre nicht fair, ihnen gegenüber, sie sitzen zu lassen. Gerade erst hatten sie mich als eine von ihnen akzeptiert. Wir hatten das zusammen auf die Beine gestellt und es fühlte sich gut an. Neben all den Schmerzen in mir, ließen sie mich zumindest ein wenig vergessen. Es war tatsächlich eine tolle und neue Erfahrung, wie Kate behauptet hatte. Wahrscheinlich sollte ich ihr dafür danken sowie Mr Miller, der mich zu ihnen gebracht hatte, obwohl es lange gedauert hatte, bis ich es einsah.

Wir waren vorbereitet. Die Lieder für die Pausenunterhaltung während des Footballspiels waren gewählt, die Cheers eingeprägt und die Choreografie saß. Nur die Pyramiden machten uns zu schaffen. Leider zweifelte ich ein wenig daran, dem Team vielleicht zu viel zuzumuten. Niemand sollte sich meinetwegen überschätzen. Vielleicht lagen auch darin meine schlaflosen Nächte begründet.

Strong and SelflessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt