Kapitel 16 ~ Die Therapiestunde

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Unruhig rutschte ich auf dem weichen Sessel herum, auf den ich mich niedergelassen hatte, als Mr Miller mich darum gebeten hatte mich zu setzen, während er sich noch schnell einen Kaffee holen ging. Ich hoffte für ihn, dass er sich direkt einen extra Starken holen würde, denn den hatte er heute nötig, sobald er mit dem Gespräch beginnen würde. Es kam nicht oft vor, dass ich freiwillig zu ihm ging. Eigentlich kam es bisher noch gar nicht vor. Ich hatte besseres zu tun, als meinen wertvollen Nachmittag im Büro eines Lehrers abzuhängen. Bisher hatte ich ihn nur zwei Mal gesehen. Zum ersten Mal als ich neu an diese Schule war und das letzte Mal vor den Ferien, als ich gezwungen war mit ihm zu reden. Dieses Gespräch handelte sich dabei nur um mein Wohlergehen und mein Einleben in dieser Schule, da er sich um mich »sorgte«. Als würde es Lehrer tatsächlich interessieren, wie es uns Schüler erging. Zumindest schien er sich zu bemühen, dennoch traf er bei mir immer nur gegen eine Fellswand, wenn er mich um ein Termin bat, um so überraschter war er heute mich vor seinem Büro zu sehen.

Um mich selbst ein wenig runterzufahren sah ich mich in seinem Büro um, das mehr einer Wohlfühloase glich, als einem Arbeitszimmer. Erst einmal gab es hier viel zu viele Pflanzen, die blühten und gediehen. Kam er extra am Wochenende her, um seine Babys zu gießen? Zutrauen würde ich es ihm irgendwie. Das Fensterbrett hinter seinem Schreibtisch quoll mit verschiedensten Pflanzenkübeln über, während sich an seiner Jalousie grüner Blätter empor hangelten. Diese schien er schon eine ganze Weile nicht mehr zu betätigen.

Auf dem typischen weißen Schreibtisch herrschte pures Chaos. Die Tastatur seines PCs war unter einem Berg Papieren vergraben auf dem die Maus thronte. Hier und da lagen Stifte, Büroklammern und kleine runde Locherreste umher. Es sah so aus als hätte er sich einen Todeskampf mit dem Locher geliefert und wäre kläglich gescheitert. Die kleinen Papierfetzen waren überall. Zwischen durch entdeckte ich Buchrücken mit Titeln, die hauptsächlich verrieten, dass er sich für Psychologie interessierte. Wahrscheinlich hatte er es sich zur Aufgabe gemacht uns Schüler zu durchschauen und zu therapieren. Vielleicht sollte er sich selbst erst einmal therapieren und seine leeren Tassen in den Geschirrspüler zu stellen, die im gesamten Büro verteilt waren. Mehrere auf dem Tisch, eine Andere im Bücherregal und wieder eine andere auf einen Aktenschrank.

Mein Blick wanderte weiter. Weg vom Tisch und all den Pflanzen, die glücklich vor sich hin photosynthesierten. Tatsächlich hatte er sich die Mühe gemacht sogar die Wände umzustreichen, die mich mit ihrer grellen gelben Farbe nur so anschrien. Würde ich sie länger betrachten bekam ich wahrscheinlich noch Augenkrebs, so quietsch gelb waren sie. Generell schien er kräftige Farben zu mögen, denn die Couch, die in der Ecke stand war mit knallrotem Leder überzogen. Die Sessel ihr gegenüber in einem grasgrün und einem neonorange. Alles in diesem Raum schrie einen förmlich an, so schnell wegzulaufen wie nur möglich. Dennoch saß ich hier wie an einem Stuhl gekettet und versuchte aus dem Vertrauenslehrer schlau zu werden, der absolut keinen Geschmack für Möblierung hatte, dabei wirkte er noch so jung und agil.

Wahrscheinlich wäre ich heute noch gar nicht zu ihm gegangen, wenn Mila und Jona mich nicht dazu gezwungen hätten. Jona war sogar drauf und dran mich über die Schulter zu werfen und hierher zu verschleppen, da lief ich dann doch lieber mit meinen eigenen Beinen. Sie selbst gingen ihren Hobbys nach nach der Schule, weshalb Mila wahrscheinlich schon bei ihrer Theater-AG war und Jona zusammen mit den Jungs ins Fitnessstudio gehen würde, da laut ihm meinetwegen unser Training ausfallen würde. Eigentlich hatte ich nicht vor mich lange mit Mr Miller auseinanderzusetzen, aber wer weiß was noch kommen möge. Wenn ich eins über ihn wusste, dann dass er hartnäckig sein konnte. Diese Eigenschaft hatte er mir zu unserem ersten Treffen schon präsentiert.

Damals war er noch recht neu an dieser Schule angestellt, zumindest glaubte ich das. Die Mädchen schwärmten von ihm, sogar Mila konnte sich kaum zurückhalten, denn das war unser erstes Gespräch, das wir miteinander geführt hatten. Nicht das beste Thema, um sich mit mir anzufreunden. Ich hatte ihr damals ganz schön die kalte Schulter gezeigt, obwohl sie mir an den ersten Tagen sehr geholfen hatte. Wie ich jedoch bald feststellen durfte, stürzte sich Mila auf alle neuen Schüler, die nicht bei drei aus dem Klassenzimmer flüchteten.

Strong and SelflessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt