Kapitel 49 ~ Schotten aus Stahl

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Nervös spielte ich an dem Knoten meines Tuches, das meinen rechten Arm umwickelte. Zum zweiten Mal in dieser Woche konnte ich gegen das starke Pochen in meiner Brust nicht ankämpfen. Der Anblick des kleinen Einfamilienhauses vor mir trieb es immer weiter an.

Die graugrüne Holzverkleidung versteckte sich hinter zwei kleinen Bäumen mit prachtvollen grünen Kronen. Große dunkle Fensterrahmen ließen es auf mich geheimnisvoll wirken, als hätte es etwas zu verbergen. Trotz dessen machte es einen freundlichen und einladenden Eindruck auf mich, denn auf der kleinen Terrasse aus Sandstein fand eine Hollywoodschaukel Platz, die ein großes Fenster verdeckte. Um ihr herum verstreut standen eine Menge Pötte mit bunten Blumen. Es machte den Eindruck, als hätte jemand nicht mehr geschafft, sie in den Vorgarten einzupflanzen. Die Beete vor dem Haus waren leer. Nur der perfekt, getrimmte grüne Rasen schien nicht in Vergessenheit geraten zu sein.

Das Haus musste schon älter sein. Am Dach musste sich ein Dachziegel gelöst haben, der wohl schon aufgesammelt wurde und die Natursteine des Gehweges und der Terrasse hatten bereits einen dunklen Ton angenommen. Außerdem schienen wenige Leisten Holz der Verkleidung angefressen zu sein.

Es war keinesfalls mit dem vergleichbar, in dem ich lebte. Kate musste es damals mit ihrem Mann neu gebaut haben, doch verspürte ich eine aufkommende Begeisterung für ältere charmante Häuser in mir, wie für dieses hier.

Wir hatten nicht einmal fünf Minuten gebraucht. Es erschreckte mich ein wenig, wie nah Christian und ich doch beieinander wohnten.

Auf der Fahrt hatte mir Kayden erklärt, dass weder der Weg zu Christoph noch zu ihm über die Straße, in der ich wohnte, führte. Er war sich sicher, dass Christian mich beabsichtigt an diesem Abend aufgesucht hatte. Alles andere wäre ein Umweg und unlogisch gewesen.

Seine Mutmaßungen feuerten meine Nervosität nur noch mehr an. Wahrscheinlich hatte er auch gar nicht bemerkt, wie sehr mich der Gedanke an diesem Treffen zusetzte. Es gab drei verschiedene Szenarien, die ich mir ausmalte, wenn ich dem Quarterback gegenüber stand.

Erstens: Er wollte meine Entschuldigung nicht hören und ließ mich eiskalt an seiner Tür stehen und vielleicht sogar betteln.

Zweitens: Er würde mich reden lassen und mir danach eine eiskalte Abfuhr verpassen, weil ich mich vielleicht doch irrte.

Drittens und die wahrscheinlich unrealistischste: Er würde mir zuhören und meine Gefühle erwidern.

»Okay. Ich habe ihm geschrieben, dass er rauskommen soll. So läufst du nicht in Gefahr jemand anderen an der Tür anzutreffen«, erkläre Kayden, ehe er sein Smartphone auf das Armaturenbrett seines Autos ablegte.

»Danke, Kayden.« Es war wirklich eine Erleichterung für mich, nicht an der Tür klingeln zu müssen. Somit könnte ich auch Christian Fragen ersparen, die seine Eltern oder sein Bruder ihn stellen würden, sofern ausgerechnet einer von ihnen mir die Tür öffnen sollte.

Um nicht länger über die nächsten paar Minuten nachdenken zu müssen, die mir bevorstanden, wechselte ich das Thema. Auf andere Gedanken würde ich zwar nicht kommen, doch könnte es meine Wartezeit gewaltig verkürzen. »Darf ich dich fragen, wie es Mila geht? Weiß sie überhaupt, dass du bei mir bist?«

Es entging mir nicht, dass seine himmelblauen Augen eine Nuance dunkler wurden. Seufzend kämmte er sich mit einer Hand durch sein nach hinten geföhntes Haar, während er den Blick von mir abwendete. Ich tat es ihm gleich und starrte die große dunkle Haustür des Hauses vor mir. Sie hatte ebenso ihren alten Charme, wie der Rest des Hauses, mit ihren großen kunstvollen Gläsern.

»Vielleicht wird sie mich dafür in die Hölle schicken, aber ich kann nicht mit ansehen, wie du dir selbst die Schuld für den Streit gibst. Sie hasst sich für ihr Verhalten am Donnerstag dir gegenüber und macht sich Vorwürfe. Außerdem hasst sie sich dafür, dass sie zu feige war, gestern an deinem Spind aufzutauchen, nachdem sie sich auch mit Jona gestritten hatte.«

Strong and SelflessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt