Kapitel 12 ~ Am Lake Placid

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Bevor mich einer von ihnen sehen konnte, machte ich auf dem Absatz kehrt und war im Inbegriff einen Sprint hinzulegen, als mich ein starker Arm von der Seite packte und aufhielt. Vor Schreck wich ich zurück, umklammerte krampfhaft meine Tasche und blickte den Übeltäter böse an. Fast hatte ich vergessen, dass Jona nicht mehr der große schlaksige Junge war, dessen Arme fast so dünn waren, wie meine eigenen. Ich entspannte mich wieder ein wenig, als ich durch seine Brille in seine braunen Augen sah. Vielleicht atmete ich sogar ein wenig erleichtert aus.

Mila lief bereits auf die Jungs zu und begrüßte sie mit überschwänglicher Freude, während ich meinen Mund aufmachte und Jona leise anfuhr, sodass die anderen nichts mitbekommen konnten. »Von deinen Jungs war nicht die Rede!«

»Ich weiß, dann hättest du dich auch quergestellt«, antwortete er locker und zuckte mit den Schultern. Wie konnte er so cool bleiben, während ich fast vor Wut überkochte? »Lyn, mach dich locker. Das mit dem Baden war nicht meine Idee. Christoph hatte gefragt und wollte euch Mädels gerne dabeihaben, wahrscheinlich um die Frauenquote in unserer Gruppe zu erhöhen.«

Ich sollte mich lockermachen? Ich sollte mich lockermachen, während sie ein ganz wichtiges Detail vergessen haben, mir mitzuteilen? Wollte er mich verarschen? Er wusste ganz genau, dass es mir nicht leicht fiel mich auf neue Leute einzulassen, das mussten er und Mila am eigenen Leib erfahren. Gestern am Footballfeld hatte ich mich breitschlagen lassen dort zu bleiben und vielleicht hatte ich mich auch ein wenig amüsiert, das heißt aber noch lange nicht, dass ich die Vollpfosten dort unten auch am Wochenende sehen musste. Erst recht wollte ich mich nicht wortwörtlich vor ihnen nackig machen müssen! Ich war ja noch nicht einmal bereit gewesen, mit Jona und Mila zusammen ins Wasser zu gehen. Jetzt sollte ich das vor drei weiteren Jungs tun? Vergiss es, Jona.

»Um die Frauenquote zu erhöhen, hätte er ja auch andere Mädels fragen können. Der müsste doch genug kennen«, erwiderte ich nur mit zusammengebissenen Zähnen, um leise zu sprechen.

Jona verengte nur seine Augen zu Schlitzen, beugte sich näher zu mir und sah mich aufmerksam an. »Wie kommst du denn jetzt darauf?«, fragte er mich dann und traf mich ganz unvorbereitet. Was meinte er damit? Es war ja wohl kaum zu übersehen, dass der Rotschopf gut aussah, Charme hatte und in der Footballmannschaft spielte. Solche Jungs hatten doch immer eine Menge Mädels um sich herum. »Kann es sein, dass du ihn gut findest?«

»Wie bitte?«, quietschte ich fast zu laut, doch die Jungs und Mila blieben weiterhin abgelenkt. War das gerade sein Ernst? Das schloss er aus einer Aussage, die nicht im Geringsten damit zu tun hatte, ob ich ihn gut fand oder nicht. Es war eine reine Vermutung. Okay, ja, er sah gut aus, das gab ich zu und nett ist er obendrein, aber deswegen fand ich ihn doch nicht automatisch gut. Also zumindest nicht in dem Sinne, wie Jona und Mila es gerne sahen. Ich räusperte mich und versuchte halbwegs einen normalen Ton zutreffen. »Nein, das tue ich ganz sicher nicht. Ich spreche nur das aus, was sehr offensichtlich ist. Guck dir Mila an, wie sie kaum die Augen von den Jungs lassen kann. Meinst du nicht, dass es bei anderen Mädchen - außer mir natürlich - nicht genauso ist? Der hätte jede fragen können, keine hätte nein gesagt.«

»Jede außer dir, ja?«, fragte er skeptisch und zog dabei eine seiner Augenbraue nach oben, die nun über den Rand seiner Brille lugte. Er wollte mir einfach nicht glauben.

»Ja, jede außer mir«, wiederholte ich darum seine Worte und stemmte die Hände in die Hüften, um meine Aussage zu bekräftigen. »Also, ich gehe jetzt, bevor sie mich sehen. Ich war nie hier.« Ich drehte mich wieder um und erneut zog Jona mich zurück.

»Das kann ich nicht zulassen, Lyn. Sei doch nicht so verklemmt«, seufzte er und sah mich ernst an.

»Ich bin verklemmt?«, fragte ich ihn ungläubig und riss meine Augen weit auf.

Strong and SelflessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt