Kapitel 42 ~ Verstand aus

53 8 187
                                    

»Linus, bitte hör auf, mit dem Essen zu spielen«, ermahnte ich den kleinen Mann neben mir.

Schmollend ließ er seinem Dino-Nugget in den Ketchup fallen, der sich mittlerweile auf dem ganzen Teller befand. Die Pommes mussten schon längst durchgeweicht und ungenießbar sein. Schien für ihn jedoch keinen Unterschied zu machen, so genüsslich wie er jeden Bissen vor sich hin kaute.

»Deinetwegen stirbt er jetzt in der Lava.« Beleidigt verschränkte er die kurzen Arme vor seiner kleinen Brust.

»Linus, dein Dino ist schon tod und war außerdem früher ein Küken«, mischte sich Audrina von der anderen Seite des Tisches ein.

Ausgerechnet heute musste Kate uns dieses Abendessen lassen. Wahrscheinlich wollte sie den beiden eine Freude machen, wenn sie nicht da war, um zu kochen. Sie wusste nur zu gut, wie sehr die kleinen Raubtiere darauf standen. Jetzt begann wie immer dasselbe Szenario, wenn es ausgerechnet dieses Gericht gab.

Linus spielte wie immer die Auslöschung der Dinos nach. Währenddessen seine Schwester ihn aufzog, dass nur kleine Kinder mit ihrem Essen spielen würden und ihre Witze darüber machte. Anscheinend spielten Zehnjährige gerne die Erwachsenen.

Noch verdrehte ich amüsiert meine Augen, bis ich mein blaues Wunder erlebte und hilflos zwischen den beiden schlichten musste. Zwei Kinder, die sich stritten? Da konnte ich nur verlieren. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Kinder den Erwachsenen komplett überlegen waren. Ihnen vielen immer wieder Argumentationen ein, gegen die ein normal denkender Mensch nie im Leben ankommen könnte. Die Kapitulation stand dann auf der Stirn geschrieben, bis jemand ein Machtwort sprach und beide in ihre Zimmer verfrachtete.

Jedenfalls rührte Linus sein Essen gar nicht mehr an. Beleidigt saß er neben mir und starrte seine Schwester argumentlos an. Und das war noch schlimmer! Schweigen. Absolutes Schweigen breitete sich über uns aus, während Rina weiterhin fiese Grimassen zog.

Wenn auch nur ein einziges Wort in der nächsten Sekunde fallen würde, dann würde etwas vom Zaum brechen, dass ich nicht ohne Kate erleben wollte. Und doch öffnete meine kleine Schwester ihren Mund und holte tief Luft ...

Der Donner grollte in Einklang mit dem Knall meiner Tür, die ich mit meinem Rücken zustieß. Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich gegen das Holz hinter mir. Für einen kurzen Augenblick verharrte ich in dieser Position und sperrte meine Ohren auf. Leises Gelächter drang in meine Muscheln und ließen es wie Musik klingen.

Zufrieden die Zwerge auch ohne Kate auseinandergebracht zu haben, ließ ich mich auf mein breites Bett fallen. Wie eine Wolke fing es mich sanft auf. Nicht im Traum könnte ich jetzt daran denken, jemals von ihm wieder aufzustehen.

»Das war wohl ein aufregendes Abendessen«, ertönte eine tiefe Stimme aus einer der Ecken meines Zimmers.

Mein Herz sprang genauso schnell in die Höhe, wie ich. Hektisch sah ich mich um. Hatte ich das gerade geträumt? War ich schon eingeschlafen?

Nur das warme Licht meiner Nachttischlampe erhellte den Raum. Es war schwierig für mich etwas zu erkennen, zumal kleine schwarze Punkte vor meinen Augen tanzten. Ich hätte langsamer aufstehen müssen.

»Da scheint mich jemand vergessen zu haben«, sprach sie weiter.

Sofort schossen meine Augen zu dem Sessel vor meinem Fenster, der mit mir begonnen hatte zu sprechen. Dabei war es gar nicht das samtig blaue Ding. Der Dunkelhaarige, der in einer Decke eingekuschelt auf ihn saß, sprach mit mir. Getaucht im warmen Schein der Lampe, fanden seine grauen Augen meine blauen und brachte mein Herz augenblicklich zum höher schlagen. Da war der Satz, dass es gerade gemacht hatte, nichts gegen den endlosen Marathon, dass es nun hinlegte.

Strong and SelflessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt