Er hatte es getan ...Er hatte meine Schwester in den Medien für tot erklären lassen. Nie sank mein Mut zur Hoffnung tiefer, als an diesem Tag.
Wie sollte ich sie denn jetzt noch finden, wenn ich keine Hilfe mehr erwarten konnte?
Niemand würde sich mehr um diese Geschichte scheren. Sie war für andere zu Ende erzählt.
Kein Happy End.
Nicht für uns.
Und dennoch war es genug, um sie zu glauben.
Außer puren Mitleid aus ihren Augen und Mündern würde ich nichts mehr von den Menschen erwarten können, die ich um Hilfe bitten wollte. Ihre einzige Antwort wäre: »Sie ist tot, meine Liebe. Leider können wir dir nicht mehr helfen. Es tut uns leid.«
Sie ist tot.
Nein!
Sie ist tot!
Nein! Nein! Nein!
Tränen bahnten sich schmerzhaft den Weg in meine Augen. Ich durfte jetzt nicht schwach werden. Ich würde mich nie mehr aufraffen können. Wenn ich jetzt aufgab, wäre sie enttäuscht von mir. Das durfte sie nicht.
»Ich bin stolz auf dich. Auf dich und deine Stärke. Vielleicht bin ich sogar ein kleines bisschen eifersüchtig, denn deine Stärke würde ich nie besitzen. Du musst stark sein, wenn ich es nicht kann. Tust du das für mich?« Leise hallten diese Worte in meinem Gedächtnis wieder. Ihre Worte.
Es war der Tag an Grandmas Beerdigung. Ich war elf und sie vierzehn. Doch war sie bereits an diesem Tag kein Mädchen mehr. Sie wirkte schon damals so erwachsen, erwachsener als ich es jetzt, mit meinen vierzehn Jahren je sein könnte. Sie hatte immer die richtigen Worte parat, wusste, was in schwierigen Situationen zu tun war und schlichtete jeden Streit, der auch nur entstehen konnte. Sie hatte viel von unserer Mutter, während ich eher quer schlug. Ich hatte weder Ähnlichkeiten mit Mom noch mit Dad. Manchmal hatte ich mich gefragt, wie ich überhaupt in dieser Familie hinein passte
Nun ja, sie existierte so nicht mehr.
Begonnen hatte es mit ihrem Tod. Grandmas Tod.
Ich hatte damals nicht geweint. Hatte Rosa deshalb gedacht, dass ich stark war?
Grandmas Tod hatte mich damals nicht so getroffen, wie er meiner Schwester getroffen hatte. Sie dachte, es wäre Stärke. Dabei kannte ich diese Frau einfach zu wenig, um, um sie weinen zu können. Während Rosa regelmäßig zu Besuchen bei ihr war, hatte ich irgendwelchen Unterricht, der für meinen Dad wichtig war. Nie hatte er mich gefragt, was ich wollte. Dennoch war ich ihm dankbar, denn er wollte dadurch nur eine gute Zukunft für mich sichern.
Heute fand ich es abscheulich von mir. Ich hasste mich dafür, dass ich kaum um die Frau, die meine einst tolle Mutter großgezogen hatte, getrauert hatte. Dafür trauerte ich umso mehr, um Mom und Rosa. Am allermeisten um Rosa, da sie noch irgendwo dort draußen war und es kaum noch eine Möglichkeit gab sie zu finden. Niemand wusste etwas über ihr Verschwinden. Sie war einfach weg ...
Es gab niemanden, der sie gehen sehen hatte oder gesehen hatte, wie jemand anderes Verdächtiges sie in ihrem Zimmer besucht hatte. Wieso hatten wir keinerlei Anhaltspunkte? Wie konnte jemand so einfach von der Bildfläche verschwinden?
Gedankenverloren spielte ich mit dem Anhänger meiner Kette zwischen meinen Fingern. Ich starrte an die Decke meines Zimmers, die schon lange nicht mehr weiß gewesen sein konnte. Verloren lag ich auf dem weichen Teppich, den wir aus unserer alten Wohnung mitgenommen hatten. Er war so weich, dass es mich schon wieder an sämtlichen Gliedern meines Körpers juckte und ich kratzen musste.
Ich war verloren ...
Verloren, da ich ohne meine große Schwester war. Ohne Mom. Ohne Dad, der nicht mehr derselbe war, seit dem Vorfall. Ich hatte wiedereinmal das Gefühl zu ertrinken. Mein Herz schoss erneut dem Grund des Meeres entgegen. Diesmal gab es keinen Halt mehr. Er hatte aufgegeben. Aufgegeben, Rosa zu suchen und damit hat er bereitwillig in Kauf genommen, auch mich zu verlieren. Oder hatte ich ihn bereits verloren?
Tränen bahnten sich in meine Augen. Das kalte Silber meiner Halskette traf auf mein Schlüsselbein, als ich keine Kraft mehr hatte, es in meinen Fingern zu halten. Ein Ertrinkender hatte auch keine Kraft mehr, sich an die Oberfläche zu kämpfen, wenn es zu spät war. War es das denn? War es zu spät? Hatte Rosa denn keine Chance mehr, nach Hause zu kommen?
Während mein Herz ertrank, erstickte ich an dem schmerzhaften Kloß in meiner Kehle. Heiße Tränen bahnten sich den Weg an meinen Wangen hinunter. Nichts konnte sie mehr aufhalten.
Ich versuchte erneut nach meiner Kette zu greifen. Versuchte erneut an meiner Kraft festzuhalten an der Rosa so glaubte. Doch das Medaillon lag schwerer, wie nie zuvor zwischen meinen Fingern, weshalb es mir auch gleich wieder aufs Schlüsselbein rutschte. Es gab kaum noch Kraft in mir ...
Rosa hatte damals eine ähnliche. Ohne hinzusehen, konnte ich mir die geschwungenen Blüten einer Lilie meines Medaillons ins Gedächtnis rufen, sowie die der Rose an Rosas Kette. Im Gegensatz zu mir wusste die ganz genau, warum unsere Mom uns diese geschenkt hatte. Ich war zu jung, um zu verstehen.
Früher hatte ich sie nie oft getragen, hatte nicht den Wert an diesem Stück Silber gesehen. Heute war es mir das Kostbarste, was mir von beiden geblieben war.
Rosa hatte sie nie abgelegt. Sie weigerte sich grundsätzlich, wenn jemand das von ihr verlangte. Für sie war es von der ersten Sekunde an, als Mom sie ihr um den Hals gelegt hatte, das kostbarste Geschenk. Nach ihrem Verschwinden und Moms Tod verstand ich warum.
Es war das Einzige, was von Mom übrig geblieben war. Nie hatte mehr Gefühl in einen Geschenk gesteckt, als in diesen Ketten. Sie waren das Denkmal meiner verstorbenen Mutter und meiner vermissten Schwester, um nichts würde ich sie jemals wieder ablegen.
Weitere Tränen bahnten sich den Weg über mein Gesicht, bis sie die Fasern meines Teppichs durchnässten. Ich ignorierte es, blieb liegen. Niemand könnte mich jetzt aus der Tiefe retten, die ich immer weiter ansteuerte.
Nicht einmal ein Rettungsboot.
Meine Stärke war verschwunden. Genauso plötzlich, wie meine Schwester, war sie einfach nicht mehr da, nicht abrufbar.
Fühlte sich so aufgeben an?
Ich weiß nicht mehr, wie ich Susan aus der Tiefe retten kann ...
Das Schreiben dieses Kapitels viel mir absolut nicht leicht, sowie beim Prolog und doch musste es sein. Hoffen wir das beste und lasst sie nicht aufgegeben haben. Gibt es noch Hoffnung?
Eure ~ Cali
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Strong and Selfless
Romance𝘽𝙖𝙣𝙙 𝙄 𝙙𝙚𝙧 𝙎𝙩𝙧𝙤𝙣𝙜 𝙍𝙚𝙞𝙝𝙚 Rosa Price ist verschwunden. Ihr Vater unternimmt alles, um sie zu finden. Nach einem Jahr Suche gibt die Polizei auf und erklärt sie für tot. Währenddessen verfolgt die leidenschaftliche Hobbytänzerin Ashl...