28. Kapitel - Spaßbremse

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Meine Motivation für heute hat ihren Tiefpunkt erreicht. Ich freue mich schon auf meine Couch und ein ausgiebiges Mittagsschläfchen. Die Aufräumarbeiten im Kindergarten waren anstrengender als gedacht. Glücklicherweise hat das Unwetter den Gruppenräumen nichts getan, doch die Außenanlagen sind mächtig in Mitleidenschaft geraden, dass wir beschlossen haben den Rest der Woche die Einrichtung zuschließen. Alle Eltern wurden informiert und der Kindergarten im Nachbarort hat sich angeboten, die Kinder zu betreuen, die nicht zu Hause bleiben können.

Müde drehe ich den Schlüssel im Schloss und öffne die Haustür. „Bin wieder da." mache ich mich bemerkbar, bekomme jedoch keine Antwort. Die Ruhe im Haus macht mich stutzig. Langsam betrete ich die Wohnung. Schon der Blick ins Wohnzimmer reicht mir. Was zur Hölle macht die Matratze hier unten?

„Louis, Charlie? Wo steckt ihr zwei?" rufe ich wütend. Meinen Mittagsschlaf kann ich vergessen. Das Haus gleicht einem Schlachtfeld und wenn ich den Schuldigen gefunden habe, kann er sich auf was gefasst machen.

„Bekomm ich gar keinen Kuss zur Begrüßung?"

„Doch Daddy!" hab doch gewusst, dass sie darauf reinfällt. Sauer laufe ich die Treppe nach oben. Die Kinderzimmertür ist nur angelehnt, aber das Getuschel der beide höre ich trotzdem. Mit Schwung schlage ich Tür auf, worauf mich gleich der nächste Schlag tritt. Beide sitzen halb nackt und von Kopf bis Fuß mit Farbe beschmiert auf dem Boden und schauen mich mit Unschuldsmienen an. Und wieder einmal frage ich mich, wer von beiden das Kind ist.

„Hallo Daddy." strahlt mich meine Kleine an, als wäre nichts. „Charlie, geh ins Bad. Ich komm gleich zu dir."

„Charlie ist nicht da." Irritiert sehe ich sie an. „Ich will jetzt Lottie heißen." erklärt sie mir begeistert. „Charlie ist nämlich für Jungs." Mit zusammengekniffenen Augen sehe ich Louis wütend an. Natürlich ist mir klar, woher sie diesen Mist hat. Er hat ja auf dem Spielplatz schon angedeutet, was er von ihrem Spitznamen hält.

„Geh jetzt ins Bad." Gebe ich ihr sauer zu verstehen. Ohne Widerrede gehorcht sie.

„Und jetzt zu dir." wütend ziehe ich Louis auf die Beine. „Wir wollten gerade aufräumen." versucht er sich rauszureden. „Was habe ich mir eigentlich dabei gedacht, dich auf ein kleines Kind aufpassen zu lassen. Du scheinst jeglichen Bezug zur Realität verloren zu haben. Gestern die Aktion mit dem Pizzaboten und heute verwandelst du mein Haus in ein Trümmerfeld." mache ich mir Luft.

„Den Bezug zur Realität habe ich nicht verloren, vielleicht verlegt, aber nicht verloren." Macht er sich wieder einmal lustig. „Louis!" fahre ich ihn an. „Kannst du nicht einmal deine blöden Sprüche lassen und endlich erwachsen werden? Oder zumindest mal nachdenken, bevor du handelst. Dann wäre dir vielleicht auch in den Sinn gekommen, dass das Rot in Charlies Haar nicht so schnell wieder raus geht."

„Man Harry, wir haben einfach nur gespielt. Kann ja nicht jeder so eine Spaßbremse sein, wie du."

„Einfach nur gespielt? Du hast meine Küche in einen See verwandelt, vom Wohnzimmer ganz zu schweigen. Und was bitte macht die Matratze da unten." Fassungslos sehe ich ihm an. „Unter ‚einfach nur gespielt' verstehe ich etwas anderes."

„Du weißt doch gar nicht was Spaß ist. Für dich gibt es nur deine Arbeit und Kinderbetreuung. Halt warte - das ist ja in deinem Fall das Gleiche. Wann hattest du denn das letzte Mal richtig Spaß? Wann warst du das letzte Mal feiern, oder hast etwas gemacht, was nicht korrekt und vernünftig war, hmm? Wann warst du das letzte Mal besoffen? Fang endlich an zu leben, solange du noch jung bist." nun erhebt auch Louis seine Stimme. Das will er nicht auf sich sitzen lassen und fordert mich heraus. Nur fällt mir auf die Schnelle keine gute Antwort ein. Klar kann ich auch feiern und Spaß haben, aber das Leben besteht nun mal nicht nur aus Spaß.

„Dachte ich mir! Du führst ein Spießerleben und bist neidisch, wenn andere ihr Leben genießen." Mit den Worten dreht Louis sich um und verschwindet aus dem Zimmer.

***

„Bist du böse auf mich und Louis?"

„Auf dich nicht Charlie. Nur auf Louis." Beruhige ich sie, als ich für sie eine Badewanne einlasse. „Wir werden dich wohl erst einmal einweichen müssen, so viel Farbe wie du am Körper hast."

„Aber, Daddy, ich wollte doch auch Bilder auf meinem Arm. So wie du und Louis."

„Aber Charlie..."

„Darf ich bitte Lottie heißen?" unterbricht sie mich und zieht wieder diesen Schmollmund. „Lottie klingt wie ein Mädchen. Und ich bin doch ein Mädchen, stimmt's Daddy?"

Auch wenn ich nicht begeistert bin, so hat sie doch das Recht selbst zu entscheiden, wie sie genannt werden möchte.

„Ich finde Charlie schön, aber wenn dir Lottie besser gefällt, dann nenne ich dich in Zukunft so." glücklich will sie mir um den Hals fallen, doch das kann ich noch im letzten Moment verhindern. „Erst waschen wir dir die Farbe ab, dann kannst du mich drücken."

„Okay Daddy." Sie klettert in die Badewanne und nimmt sich ihr Wasserspielzeug. Vergnügt planscht sie im Wasser, bis sich die Farbe allmählich löst. „Nur dein schönes blondes Haar wird noch ein paar Tage rot bleiben."

„Das ist nicht schlimm Daddy. Dann macht mir Louis wieder eine Frisur und ich kann wieder Anna sein."

„Anna?" frage ich verwundert nach. „Ja, Anna! Ich bin Anna und Louis ist Christoph." Erklärt sie mir. „Wohl eher Sven." Sage ich eher zu mir selbst. Lottie schaut mich zwar verwundert an, sagt aber nichts, wofür ich ihr auch sehr dankbar bin. Noch so eine Diskussion kann ich gerade wirklich nicht gebrauchen.

***

Während Lottie und ich im Badezimmer waren, muss Louis das Wohnzimmer wieder aufgeräumt haben. Die Matratze ist wieder da, wo sie hingehört, und auch sonst sind alle Spuren vom Vormittag beseitig. Nur von Louis fehlt jede Spur, aber das könnte mir im Moment nicht gleichgültiger sein.

Schnell mache ich uns noch etwas zu Essen, damit die kleine Maus endlich ihren wohlverdienten Mittagsschlaf bekommt. Immer wieder gähnt sie vor sich hin und hat Probleme die Äuglein aufzuhalten. Bevor sie mir am Tisch einschläft, schaffe ich sie in ihr Bettchen. Auf dem Weg nach oben ist sie doch tatsächlich auf meinem Arm eingeschlafen.

Auch mir brennen inzwischen die Augen vor Müdigkeit, genau der richtige Zeitpunkt, um auch etwas Schlaf nachzuholen. Doch kaum liege ich in meinem Bett und habe die Augen geschlossen, klingelt es an der Tür.

lonely hearts  ➵ larry stylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt