55. Kapitel - Wegen dem Brief?

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Louis POV

Ich atme einmal tief durch, als ich mit Lottie an der Hand endlich den Kindergarten verlassen kann. Meine größte Sorge, Harry über den Weg zu laufen, ist glücklicherweise nicht eingetreten, aber auf einen Vortrag von Niall hätte ich auch verzichten können. Ich habe nicht um seine Meinung gebeten. Obwohl ich dank ihm jetzt eine fertig möblierte Wohnung und einen Job habe, bin ich ihm keine Rechenschaft schuldig.

„Wo fahren wir hin?" fragt Lottie verwundert, als ich mit ihr in den Bus steige. „Wir fahren jetzt zu mir nach Hause." verkünde ich stolz und schiebe sie in eine freie Sitzreihe. „Aber wir laufen doch immer nach Hause."

„Du und dein Dad lauft immer nach Hause, aber ich habe jetzt meine eigene Wohnung und die möchte ich dir gern zeigen." erkläre ich ihr die neue Situation, doch Lottie gibt sich damit nicht zufrieden.

„Warum denn?"

„Was meinst du?"

„Warum hast du eine Wohnung? Willst du nicht mehr bei uns sein?" fragt sie mit traurigen Augen. „Weißt du, dein Dad und ich haben Streit und da ist es besser, wenn wir uns aus dem Weg gehen."

„Wenn Hailey und ich uns streiten, muss Hailey Entschuldigung sagen, dann drücken wir uns und sind wieder Freunde."

„Und warum muss sich Hailey entschuldigen und nicht du?"

„Weil ich immer lieb bin!" empört sie sich, als sei es selbstverständlich. „So, du bist also immer lieb?" frage ich sie und kitzle sie ein wenig aus, was sie herzhaft auflachen lässt.

„Aber so einfach ist das bei Harry und mir nicht." Muss ich das kleine Mädchen enttäuschen. „Wegen dem Brief?" überrascht sehe ich sie an. „Du weißt davon?"

„Hmm. Daddy hat mir gesagt, dass du deshalb ganz böse auf ihn bist."

„Das stimmt."

„Aber du hast doch den Brief jetzt und du hast mich gefunden. Dann könnt ihr doch jetzt wieder Freunde sein!" gibt sie zu bedenken. „Was meinst du mit - ich habe dich gefunden?"

„Daddy hat gesagt du bist mein Bruder und dass du mich gesucht hast."

Perplex sehe ich meine Schwester an. Harry hat ihr alles erzählt! Ich kann es noch gar nicht glauben und dabei habe ich den ganzen Vormittag überlegt, wie ich ihr schonen die Wahrheit beibringe.

„Aber ich wollte einen kleinen Bruder, am besten noch ein Baby." Reißt sie mich aus meinen Gedanken und bringt mich zum Lachen. „Leider kann man sich das nicht aussuchen." werfe ich ein. Wir kommen an unserer Haltestelle an und verlassen den Bus. Von hier aus sind es nur ein paar Meter zu meiner Wohnung, die wir schnell hinter uns bringen müssen, da es bereits wieder wie aus Eimern schüttet.

„Wo sind denn deine Spielsachen?" möchte Lottie wissen, die sich irritiert in der Wohnung umsieht. „Ich habe keine Spielsachen." muss ich sie enttäuschen. „Aber du solltest erst einmal Mittagsschlaf machen."

„Aber meine Puppe ist zu Hause und mein Teddy im Kindergarten. Da kann ich nicht schlafen!" trotzig verschränkt sie die Arme vor der Brust und lässt sich auf die Couch fallen. „Aber Mäuschen, du musst etwas schlafen, sonst können wir heute Nachmittag nichts tolles unternehmen." rede ich auf sie ein, auch wenn ich mir nicht viel Hoffnung auf Erfolg mache.

„Nö!" bockt sie weiter. Genervt stöhne ich, aber aufgeben kommt für mich noch nicht in Frage.

„Und wenn wir uns zusammen hinlegen und ich dir was vorlese?"

„Nö!" Lottie dreht mir den Rücken zu und kuschelt sich an die Lehne. Vorsichtig nähere ich mich ihr von hinten und beginne ihren Rücken zu kraulen. Sie lässt es sich gefallen und schon nach wenigen Minuten fallen ihr die Äuglein zu.

Als sie tief und fest schläft, trage ich das kleine Mädchen in mein Bett und lege ein paar Decken um sie herum, damit sie nicht herausfallen kann.

Sie wird sicher eine Stunde schlafen. Zeit genug, um nochmal schnell in den nahegelegenen Supermarkt zu gehen. Harry gibt ihr nach dem Schlafen immer frisches Obst und manchmal ein paar Kekse. Ich möchte das auch machen, schließlich soll sich Lottie bei mir wohlfühlen. Allerdings war mein Vormittag so vollgepackt, dass ich es nicht mehr geschafft habe.

Als ich mit vollgepackten Tüten nach Hause komme, höre ich bereits im Treppenhaus Kindergeschrei. Ich sprinte die Stufen hinauf und schließe meine Wohnungstür auf. Mit tränenüberströmtem Gesicht sitzt Lottie auf dem Boden und hat die Knie fest an sich gezogen.

„Ich will zu meinem Daddy" schluchzt sie. „Wann kommt Daddy und holt mich ab?"

Es schmerzt, sie so traurig zu sehen, aber da müssen wir jetzt beide durch. Lottie wird sich schon noch daran gewöhnen - hoffe ich jedenfalls.

„Mäuschen, steh erstmal von dem kalten Fußboden auf und dann machen wir uns etwas zu essen. Ich habe dir auch einen Apfel mit Teppich besorgt!"

Widerwillig drückt sie sich vom Boden hoch und folgt mir in die Küche. Sie setzt sich auf die schon etwas in die Jahre gekommene Eckbank und sieht mir zu, wie ich ihr eine Scheibe Toast fertig mache und den Pfirsich aufschneide. Die Stimmung ist angespannt und das sonst so fröhliche und lustige Mädchen sitzt wie ein Häufchen Elend auf ihrem Platz.

„Was ist das?" fragt sie misstrauisch, als ich ihr den Teller hinstelle. „Ein Toast mit Käse. So wie du ihn immer isst." Erkläre ich ihr und setze mich neben sie. „Ich mag Käse ohne Löcher. Der hat Löcher, den mag ich nicht!" antwortet Lottie beleidigt und schiebt den Teller von sich. Ich schiebe ihr den Teller wieder hin. „Lottie bitte, du musst etwas essen. Niall meinte du hast im Kindergarten schon nicht viel gegessen."

„Der ist aber eklig!"

„Das kannst du gar nicht wissen, wenn du noch nicht gekostet hast."

„Ich will lieber Salami."

Bevor die Diskussion noch endlos so weiter geht, mache ich ihr einen neuen Toast und glaube damit endlich meine Ruhe zu haben.

Doch weit gefehlt.

„Da ist gar kein Salat drauf. Daddy macht mir immer Salat drauf." Beschwert sich Lottie erneut. „Ich habe aber keinen Salat. Das muss heute mal so gehen. Und jetzt Schluss damit. Du isst, was auf deinem Teller liegt." Bekommt sie etwas unsanfter von mir zur Antwort.

Ich habe langsam die Nase voll von ihrem Gemecker. Sie ist doch sonst so leicht zufriedenzustellen. Keine Ahnung, was heute mit ihr los ist.

Zehn Minuten vergehen, in denen wir uns anschweigen und Lottie an ihrem Pfirsich knabbert. „Hast du aufgegessen?"

„Ja!"

„Aber da liegt doch noch Brot auf deinem Teller?"

„Dann sieh nicht hin!" antwortet das kleine Mädchen rotz frech und schiebt den Teller erneut von sich.

„Was machen wir jetzt?" möchte sie wissen und klettert von der Bank. „Worauf hättest du denn Lust?"

„Auf Spielplatz!"

„Draußen regnet es aber und der nächste Spielplatz ist ein ganzes Stück entfernt!" muss ich sie schon wieder enttäuschen. „Dann will ich was Backen!"

Kann sie sich nicht etwas Normales aussuchen, etwas, was ich auch kann?

„Wollen wir wieder Anna und Elsa spielen? Ich bin von mir aus auch Sven, wenn es sein muss." Mache ich einen Gegenvorschlag, der mit mürrischer Miene sofort von ihr abgewiesen wird. „Ich will aber backen!"

„Mäuschen, ich habe weder irgendwelche Kuchenformen noch die entsprechenden Zutaten zum Backen hier!"

„Hier ist es blöd!" schreit sie mich schon fast an. „Können wir nicht wieder nach Hause zu Daddy gehen? Ich vermisse meinen Daddy soooooo sehr. Biiitttteee?" quengelt sie und schlüpft bereits in ihre Schuhe. 

Ich hatte mir den Tag mit meiner Schwester irgendwie anders vorgestellt. Einfacher und unbefangener, nicht ganz so nervenaufreibend.

Seufzend gebe ich nach. Ich möchte Lottie nicht weiter quälen und recht machen kann man es dem kleinen Fräulein heute sowieso nicht.

„Du hast gewonnen. Hol deinen Rucksack. Ich bring dich zurück."

„Jaaa!" Und plötzlich kann sie wieder lachen und fröhlich durch die Gegend hüpfen.

lonely hearts  ➵ larry stylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt