2. Kapitel - Alles wird gut

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„Wann kommt Omi nach Hause?" immer wieder stellt mir Charlie die gleiche Frage und jedes Mal muss ich ihr antworten:

„Ich weiß es nicht mein Schatz. Wir müssen warten, bis Tante Anne nach Hause kommt."

„Will zu Omi." Dicke Tränchen kullern ihre Wangen hinab. Es tut mir in der Seele weh, die Kleine so zu sehen. Am liebsten würde ich sie in den Arm nehmen und sagen

„Alles wird gut." Doch ich befürchte, so leicht wird es dieses Mal nicht.

Um Charlie etwas abzulenken, gehe ich mit ihr in den nahegelegenen Park. Sie liebt den Park, oder besser gesagt den Spielplatz im Park. Hier gibt es ebenerdige Trampoline, verschiedene Rutschen, eine Kletterburg, Schaukeln, Wippen und einen viel größeren Sandkasten als im Kindergarten. Die kleine Ablenkung tut ihr sichtlich gut. Sie lacht wieder und die Tränen sind fürs erste getrocknet.

Müde lässt sich Charlie ins Gras fallen und streicht sich ihre blonden Locken aus dem verschwitzten Gesicht. Das viele Hüpfen hat sie müde gemacht.

„Hoch!" bettelt sie und streckt mir ihre Ärmchen entgegen. Ich geh in die Hocke und Charlie klettert auf meinen Rücken.

„Hüh Pferdchen!" ruft sie noch begeistert, doch schon nach den ersten Metern gibt sie keinen Mucks mehr von sich. Ihr Atem geht gleichmäßig und ruhig. Die kleine Maus ist eingeschlafen.

Wie zu erwarten, ist Harriet heute nicht mehr aus dem Krankenhaus entlassen wurden. Ich nehme Charlie mit zu meiner Mom nach Hause, da in meinem Haus noch das reinste Chaos herrscht. Vorsichtig lege ich das schlafende Mädchen auf der Couch ab, bevor ich zu meiner Mutter in Küche gehe. Traurig sitzt sie am Tisch und starrt auf ihre Tasse.

„Mom, was ist los?"

„Harriet hat Lungenkrebs und muss operiert werden." Geschockt sehe ich sie an.

„Sie weiß es schon seit ein paar Wochen, aber hat eine OP strickt abgelehnt. Ich habe heute mit Engelszungen auf sie eingeredet, bis sie endlich einer Behandlung zugestimmt hat." erzählt Mom dann weiter.

„Was wird jetzt aus Charlie?" Diese Frage quält mich schon den ganzen Tag, seit ich weiß, dass Harriet im Krankenhaus ist.

„Ich weiß es nicht, Harry." Tränen bahnen sich einen Weg über Mom's Wangen. Besorgt nehme ich sie in den Arm. Ich bin ratlos, keine Ahnung wie ich mit der Situation umgehen soll. Charlie ist noch so klein, sie kann doch nicht schon wieder aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden. Harriet war das Beste, was dem kleinen Mädchen passieren konnte. Warum muss das Schicksal immer bei den herzensguten Menschen so erbarmungslos zuschlagen.

„Du sollst morgen zu Harriet ins Krankenhaus kommen. Sie möchte mit dir reden." meint meine Mom schließlich.

„Ich? Weißt du, worum es geht?"

„Nein Harry, es scheint aber wichtig zu sein. Ich kann Charlotte nach der Arbeit aus der Kita holen, dann kannst du direkt nach Feierabend zu ihr gehen." Nickend stimme ich meiner Mutter zu.

„Ihr zwei bleibt heute Nacht erst einmal hier und morgen sehen wir dann weiter." Behutsam schaffe ich das schlafende Kind in mein altes Zimmer. Grundreinigung müssen wir auf morgen früh verlegen. Sie schläft tief und fest und bekommt von all den Sorgen nichts mit. Und das soll fürs erste auch so bleiben. Ich lege mich mit einer Luftmatratze neben das Bett, nur für den Fall, dass sie mitten in der Nacht wach wird und nicht weiß, wo sie ist.

Charlie hat die Nacht durchgeschlafen. Sie war zwar am Morgen verwundert, warum sie bei Tante Anne zu Hause ist, aber ich habe ihr erklärt, dass die Omi erst wieder gesund werden muss, bevor sie zurückkommt und dass Charlie so lange bei Tante Anne und mir bleiben darf.

Ich hoffe nur, ich habe mich damit nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt.

Heute ist Freitag, das bedeutet die drei Gruppen werden zusammengelegt und wir gehen alle gemeinsam auf den Sportplatz der Grundschule, die gleich hinter dem Kindergarten liegt. Auch an solchen Tagen bestehen meine Kinder auf Musik. Jede Gruppe darf sich ein Lied aussuchen, zudem dann Bewegungsspiele gemacht werden. Zayns Gruppe hat sich heute für das Fliegerlied entschieden.

Zur Einstimmung gar nicht schlecht. Nialls Gruppe möchte das singende und springende Känguru hören. Dabei müssen mir alle etwas helfen. Bei dem Lied bin ich nicht so textsicher, die Kinder dafür um so mehr. Sie bemerken auch sofort, wenn die Melodie nicht ganz stimmt.

„Das musst du noch üben!" ermahnt mich der kleine Alec aus Nialls Gruppe. Zayn und Niall fangen an zu lachen.

„Ja Harry, das musst du wohl nochmal üben." äffen sie im Chor den Jungen nach.

„Asche auf mein Haupt. Da habe ich wohl gerade meine Wochenendbeschäftigung bekommen." Auch ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen, während Alec zufrieden nickt und weiter springt.

„Charlie, Hailey, Fynn, Luke und Jace wofür habt ihr euch heute entschieden?" wende ich mich an meine Gruppe.

„Turn-Tiger." Kommt es wie aus der Pistole geschossen.

In der vergangenen Woche wollte sie das Lied jeden Tag hören und gemeinsam haben wir uns eine kleine Choreografie dazu überlegt, welche sie nun gemeinsam mit den anderen Kindern über möchten.

Wieder einmal bin ich unheimlich stolz auf die Zwerge. Auch wenn sie mit ihren 3 Jahren noch nicht jedes Wort perfekt aussprechen können, so klingt es in meinen Ohren wunderbar.

Nach der musikalischen Erwärmung werden die bunten Bälle und das große Schwungtuch aus dem Bollerwagen gezogen. Begeistertes Jubeln geht durch die Masse. Danach spielen die Jungen mit Niall eine Runde Fußball und die Mädchen üben zusammen mit Zayn am Hula-Hopp Reifen. Ich für meinen Teil mache von jedem Kind Fotos, die sie nächste Woche in ihre Hefter kleben dürfen.

Mit viel Sport, Musik und Kinderlachen vergeht auch der Arbeitstag wie im Fluge.

Die Kinder haben gerade ihren Mittagsschlaf beendet, da wird Charlie von meiner Mom abgeholt. Glücklich springt sie ihr in die Arme. Es kommt nicht oft vor, dass sie als erstes abgeholt wird, umso glücklicher ist sie heute.

„Sie ist gerade erst aufgestanden. Gibst du ihr zu Hause bitte noch etwas zu essen? Aber nicht so viel Süßes." weise ich meine Mom an. Sie rollt nur mit den Augen.

„Harry, ich weiß, wie man mit Kindern umgeht. Was meinst du, wer dich und Gemma großgezogen hat." Lächelt kneift sie mir in die Wagen.

„Lass das Mom." Protestiere ich und kling schon fast wie Niall, wenn er schmollt.

„Ich mache mir doch nur Gedanken."

„Ich weiß. Aber du darfst mir da vertrauen. Wir sehen uns später." Damit verabschiedet sie sich. Charlie drückt noch kurz ihre Freunde und geht mit Tante Anne hüpfend an der Hand aus dem Gebäude.

Nach dem Vesper werden nach und nach auch die anderen Kinder abgeholt und ich kann mich auf den Weg ins Krankenhaus machen.

Etwas nervös bin ich schon. Ich weiß nicht was mich gleich erwartet, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass es nichts Gutes ist.

lonely hearts  ➵ larry stylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt