21. Kapitel - Abendritual

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Als wir zu Hause ankommen, trifft mich der Schlag. Der Frühstückstisch ist noch gedeckt, Wurst und Käse stehen noch offen da, lediglich das Geschirr ist verschwunden. „LOUIS!!" rufe ich wütend durchs Haus. Bekomme aber keine Antwort. Ich durchsuche jedes Zimmer. Nichts, bis ich schließlich im Garten fündig werde. Er liegt in Charlies Planschbecken, sein Kopf ruht auf dem Gummirand und Arme und Beine hat er von sich gestreckt.

„Schläft Louis?" will Charlie wissen, die ihn kichernd beobachtet. „Nicht mehr lange!" aufgebracht schnappe ich mir den Gartenschlauch und richte ihn direkt auf Louis' Gesicht. „Prinzessin dreh mal den Wasserhahn auf." flüstere ich ihr zu. Sie weiß genau was ich vor habe und läuft auch schon los. „Das wird lustig!" flüstert sie ebenfalls, damit Louis nicht schon vorher wach wird.

Auf mein Zeichen dreht sie den Hahn auf. Ich halte den Schlauch noch geknickt, damit das Wasser noch zurückgehalten wird. „Mach schon, Daddy." Die Kleine kann es gar nicht abwarten, hüpft schon freudig auf und ab. „Du zählst bis drei und gehst dabei immer einen Schritt zurück." Weise ich sie an, nicht das Louis sie vor Schreck umrennt. „Okay... eins... zwei... drei." Das war mein Zeichen. Ich löse den Knick aus dem Schlauch und die volle Wucht an kaltem Wasser trifft auf sein Gesicht. Erschrocken reißt Louis seine Augen auf und will aus dem Planschbecken springen, doch er übersieht den Rand, kommt ins Straucheln und landet schließlich auf seinem Bauch, direkt vor meinen Füßen.

„Sag mal hast du sie noch alle?" wütend funkelt er mich an, während er sich wieder aufrichtet. „Das wollte ich dich auch gerade Fragen." fahre ich ihn ebenso sauer an. „War es echt zu viel verlangt, mal den Tisch abzuräumen?"

„Du hast gesagt, ich soll mich um den Abwasch kümmern und das habe ich gemacht." Gibt er vorlaut zurück. Bei so viel Frechheit fehlen mir echt die Worte. Sprachlos bleibt mir der Mund offenstehen, doch da fällt mein Blick wieder auf den Schlauch in meiner Hand. Ohne zu zögern, richte ich das kalte Wasser erneut auf den Faulpelz vor mir. Wie wild wedelt er mit seinen Armen und taumelt ein paar Schritte zurück. „Vorsicht!" will Charlie ihn noch warnen, doch da ist es auch schon zu spät. Louis ist erneut über den Rand des Planschbeckens gestolpert und landet auf seinem Hinterteil im Wasser. So wütend ich auch gerade bin, ein Lachen kann ich mir trotzdem nicht verkneifen. Wie ein begossener Pudel schaut er aus der Wäsche, oder besser gesagt, aus der Badehose und verschränkt bockig die Arme vor der Brust.

„Ich auch Daddy, ich auch!" Charlie springt vergnügt vor dem Gartenschlauch hin und her und wartet darauf ebenfalls nass gespritzt zu werden. Da ihre Sachen vom Kindergarten schmutzig sind, tue ich ihr den Gefallen und lasse sie von dem kalten Wasser berieseln. Quiekend springt sie um das Planschbecken, wodurch Louis erneut eine Ladung Wasser abbekommt. „Habt ihrs dann bald mal!" beschwert er sich lauthals.

Sehr zu Charlie Missfallen drehe ich das kalte Wasser wieder ab und wickle das kleine Mädchen in ein Badetuch. Bibbernd drückt sie sich an meine Brust. „Nochmal Daddy." Bittet sie, zittert dabei aber wie Espenlaub. „Ein anderes Mal vielleicht, jetzt sollten wir dich erst einmal in trockene Kleidung stecken." Ich trage meine Kleine ins Haus, während Louis noch immer sauer im Planschbecken liegt.

„War Louis böse?" fragt Charlie, als sie wieder in trockener Kleidung steckt und ich ihr nasse direkt in die Waschmaschine befördere. „Nein, er war nicht böse, er war nur faul. Louis hat den Tisch nicht abgeräumt und nun können wir die Wurst und den Käse wegschmeißen. Und deswegen bin ich etwas sauer auf ihn." erkläre ich ihr die Situation. Entsetzt und mit großen Augen hält sie sich die Hand vor den Mund. „Dann bekommt Louis keine Gute-Nacht-Geschichte, stimmts?"

„Nein, die bekommt er heute nicht." stimme ich ihr schmunzelt zu. „Strafe muss sein."

„Und ein Hörspiel?"

„Nein, ein Hörspiel bekommt er auch nicht."

„Und ich?"

„Du bekommst entweder ein Hörspiel oder eine Geschichte vorgelesen. Oder wir singen noch ein Lied zusammen." Begeistert klatscht Charlie in ihre Hände. „Singen finde ich toll. Singt Louis auch mit?" Ich zucke etwas überfragt mit den Schultern, schließlich weiß ich nicht, ob Louis singen kann. Außerdem wäre es mir ganz recht, wenn er noch nicht zu sehr involviert wird. Ich möchte erst schwarz auf weiß haben, dass die beiden Halbgeschwister sind.

***

So sehr ich mich auch dagegen sträube, Charlie besteht darauf, dass Louis sie mit ins Bett bringt. „Wenn er selbst schon keine Gute-Nacht-Geschichte bekommt, so soll er wenigstens mit uns singen dürfen" ist ihre Begründung. Doch diese Entscheidung bereut sie schnell wieder. „Du singst schlimmer als Omi." wirft sie ihm an den Kopf, was er allerdings mit einem „Ich weiß" abwinkt. Es dauert nicht lang bis Charlie schläft. Sie ist geschafft von der Wärme und dem Rumtoben im Garten.

„Habt ihr immer so ein Abendritual?" möchte Louis wissen, als wir den Abend zusammen auf der Terrasse mit einer Tasse Tee ausklingen lassen.

„Ja, jeden Abend. Wenn nicht gesungen wird, bekommt sie eine Gute-Nacht-Geschichte oder wenigstens ein Hörspiel. Außer sie war nicht artig, dann muss sie ohne schlafen gehen."

„So wie ich heute?" stellt er belustigt fest. Nickend stimme ich ihm zu. „So wie du heute."

„Sorry nochmal dafür. Ich musste nie im Haushalt helfen. Du musst mir das schon sagen, wie einem kleinen Kind." gibt er zerknirscht zu, doch seine Worte sind nicht einfach daher gesagt, dass spüre ich.

Nach unserer kleinen Auseinandersetzung haben Louis und ich noch einmal in Ruhe über alles geredet und unseren Streit fürs erste beigelegt.

„Wie lange lebt Charlotte jetzt schon bei dir?" stellt Louis die Frage etwas zögerlich. „Sie wohnt erst ein paar Wochen bei mir. Davor hatte sich unsere Nachbarin Harriet um sie gekümmert." Louis wirkt etwas überrascht. „Ihr zwei wirkt so vertraut miteinander, ich hätte wetten können, sie ist wohnt schon länger bei dir."

„Charlie ist vor zwei Jahren zu Harriet gekommen. Sie war fast noch ein Baby." beginne ich ihm zu erzählen. „Damals habe ich noch bei meiner Mutter gewohnt, zwei Eingänge weiter. Immer wenn Harriet etwas vorhatte, oder es ihr zu viel wurde, habe ich die Kleine übernommen und somit viel Zeit auch außerhalb vom Kindergarten mit ihr verbracht."

„Du bist also für die Daddy-Rolle geboren? Ich meine, wer gibt sich sonst freiwillig mit fremden schreienden Rotznasen ab."

„Bei dir klingt das alles so negativ, dabei ist das der beste Job, den ich mir vorstellen kann. Von den Kleinen, könnte so manch ein Erwachsener noch eine ganze Menge lernen... zum Beispiel Tisch abräumen." Lachend schlage ich ihm leicht auf den Oberschenkel. „Haha, du bist ja witzig." Louis rollt mit den Augen und stellt seine leere Tasse ab.

„Hast du auch Getränke für große Kinder?"

„Wenn ich keinen Besuch erwarte, habe ich eher selten solche Getränke im Haus." muss ich ihn leider enttäuschen. „Na super! Seid ihr Engländer alle so spießig?"

„Wie lange wolltest du nochmal bei uns Spießern bleiben?" beantworte ich seine Frage mit einer Gegenfrage. „Das wird sich zeigen." Mit einem Blick, den ich nicht so recht deuten kann, erhebt er sich und verabschiedet sich in sein Zelt. „Frühstück gibt es um sieben, da lernen wir dann, wie man einen Tisch deckt." rufe ich ihm noch lachend hinterher, was er nur mit dem ausgesteckten Mittelfinger kommentiert.

lonely hearts  ➵ larry stylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt