51. Kapitel - Schmerz, Wut und Enttäuschung

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„Lou, Schatz! Lass uns darüber reden. Ich kann es dir erklären!" rufe ich ihm noch hinterher, doch mehr als sein herzzerreißendes Schluchzen ist vor der Tür nicht zu hören. Ich muss zu ihm, ich kann das doch nicht so stehen lassen. Louis muss wer weiß was von mir denken. Fuck! Warum habe ich auch diese scheiß Handtücher vergessen?

Ich steige aus der Badewanne. Das Badetuch, was Louis holen wollte, liegt vermutlich noch unten. Mit den Händen streife ich das Wasser so gut es geht von meinem Körper, versuche in meine Jeans zukommen - was auf feuchter Haut ja bestens funktioniert. Frustriert schmeiße ich die Hose in die Ecke und stürze in mein Schlafzimmer, um mir schnell eine Jogginghose und ein Shirt überzuziehen. Verzweifelt rufe ich immer wieder seinen Namen, doch er antwortet mir nicht.

„Lou, bitte! Lass es mich dir erklären!" rufe ich erneut, als ich auf dem Weg nach unten bin. Wieder keine Antwort. Wie ferngesteuert lauf ich durchs Haus, sehe selbst auf der Terrasse und im Garten nach. Nichts!

„Fuck!" kommt es lauter, als ich es will über meine Lippen.

„Na das nenn ich mal eine Begrüßung!" erschrocken drehe ich mich um und blicke in ein mir sehr vertrautes Gesicht.

„Gemma?" Ich brauche einen Augenblick, ehe ich realisiere, dass sie wirklich hier vor mir steht, doch dann fallen wir uns in die Arme. Mehr als ein Jahr ist es nun her, dass ich meine Schwester das letzte Mal gesehen habe.

„Du hast mir gefehlt!"

„Das merke ich. Ich bekomme kaum Luft." scherzt sie, löst sich aus meiner Umarmung und mustert mich von oben bis unten. „Was ist los, Haz?" bringt sie es direkt auf den Punkt. Eine Eigenschaft die ich an meiner Schwester schon immer sehr geschätzt habe.

„Ich habe Mist gebaut und will es erklären, nur Lou scheint, wie vom Erdboden verschluckt zu sein." kläre ich sie in der Kurzfassung auf. Ihr mitleidiger Blick entgeht mir nicht, ehe sie mir erzählt, dass Louis sie im Vorgarten beinahe umgerannt hätte und dann geflüchtet ist.

„Ich muss ihn suchen." Beschließe ich, habe schon fast meine Schuhe an, als Gemma mich bestimmend zurück ins Wohnzimmer zieht. „Wo willst du ihn denn suchen? Es ist stockfinster und verregnet. Er könnte sonst wo stecken!"

„Deswegen muss ich ihn ja suchen. Er hat doch hier niemanden, bei dem er unterkommen kann." Ich will schon wieder aufspringen, doch meine Schwester hält mich zurück. „Gib Louis etwas Zeit, vielleicht kommt er allein zurück. Ich meine, so aufgelöst wie er vorhin war, hört er dir wahrscheinlich sowieso nicht zu."   

Auch wenn ich es nicht wahrhaben will, weiß ich, dass Gemma recht hat. Louis wäre zu stolz, um mir jetzt zuzuhören. Ich hoffe nur er macht nichts Unüberlegtes.

Sauer auf mich selbst vergrabe ich mein Gesicht in meinen Handflächen, während Gemma beruhigend mit ihrer Hand über meinen Rücken fährt. „Willst du darüber reden?" fragt sie vorsichtig nach. Ich überlege kurz. Will ich darüber reden? Will ich meiner Schwester wirklich erzählen, wie egoistisch ich geworden bin? Dabei predige ich den Kindern im Kindergarten und Lottie doch immer, nicht nur an sich selbst zu denken. Ich schäme mich zutiefst für mein Verhalten und was ich Louis damit angetan habe.

Ich weiß, dass Gemma es nicht gutheißen wird, doch ich weiß auch, dass sie mich niemals verurteilen würde. Sie ist meine große Schwester und war immer für mich da, egal welchen Blödsinn ich angestellt hatte. Ich hoffe, dass sich das auch jetzt nicht geändert hat.

So erzähle ich ihr doch von diesem Brief, von meinen Ängsten Lottie zu verlieren und meinen Gefühlen für Louis. Ich erzähle Gemma alles, was in den letzten Wochen hier los war.

Einzig Louis' Lebensgeschichte verschweige ich. Er hat es mir im Vertrauen erzählt und das werde ich ganz bestimmt kein zweites Mal verletzten.

Sie hört geduldig zu, unterbricht mich kein einziges Mal. Ihr Gesichtsausdruck bleibt die ganze Zeit über neutral. Früher konnte ich an ihrem Blick sehen, was sie denkt, doch aus dem kleinen Mädchen von damals ist eine knallharte Geschäftsfrau geworden, die sich nicht in die Karten blicken lässt.

Ich bewundere sie für ihre Selbstbeherrschung, doch genau damit macht sie mir auch irgendwie Angst.

Meine Handflächen schwitzten vor Nervosität und mein Puls rast, als ich am Ende angelangt bin. Ich traue mir nicht, ihr in die Augen zusehen.

„Du hast ganz schönen Bockmist gebaut..." tadelt sie mich mit strengem Blick. „...aber es ist nichts, was sich nicht wieder geradebiegen lässt!" Genau wie damals, zieht sie mich in ihre Arme und krault meinen Kopf. „Ich kann deine Gründe nachvollziehen, aber Louis gegenüber ist es nicht fair gewesen... Aber hast du denn immer noch das Gefühl, er würde dir die Kleine wegnehmen wollen? Ich meine, er hat doch mitbekommen, wie sehr dich unser kleines Lockenköpfchen liebt. Und das tut sie nicht erst, seit sie dich Daddy nennt. Du bist neben Harriet schon immer ihr Mittelpunkt gewesen."

„Hättest du mich das vor einer Stunde gefragt, denn hätte ich nein gesagt, doch inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher. Louis hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich diese ganze verdammte Aktion bereuen werde. Was mach ich denn, wenn er wirklich mit ihr nach London geht?" wende ich mich verzweifelt meiner Schwester zu.

„Harry, ich weiß es nicht... gibt ihm ein paar Tage, um sich zu beruhigen. Im Zorn sagt man oft Dinge, die man eigentlich nicht so meint."

„Du kennst Louis nicht. In seinem Blick lag so viel Schmerz, Wut und Enttäuschung... ich denke schon das er es ernst mein. Verdammt Gem, ich will die beiden nicht verlieren!"

Erneut nimmt Gemma mich in den Arm und hauch mir einen Kuss auf die Stirn. „Versuch ihn morgen anzurufen, vielleicht hört er dir dann zu. Immerhin wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird." rät sie mir.

„Du klingst schon wie Mom mit ihren albernen Kalenderweisheiten!" ich muss kurz lächeln, doch Gemma zieht eher ein gequältes Gesicht.

„Daddy...? Ihr seid so laut!" schlaftrunken steht Lottie mit ihrer Puppe im Arm, am oberen Treppenabsatz und reibt sich verschlafen die Augen, während Gemma mich mahnend mustert. „Es tut mir leid Prinzessin. Wir sind jetzt leise." Entschuldige ich mich bei der Kleinen und will gerade auf sie zugehen, als sich meine Schwester in den Vordergrund drängt. „Hey Püppchen. Du bist aber groß geworden." Redet sie mit einer piepsigen Stimme auf Lottie ein. „Tante Gemma!" gegeistert reißt sie ihre Augen auf und kommt die Treppe heruntergerannt. Es folgt eine dicke Umarmung und viele Küsse auf das Kindergesicht. „Gemma bitte! Sie muss wieder ins Bett. Es ist nicht besonders hilfreich, wenn du sie jetzt ganz munter machst." rüge ich sie, was Gemma lediglich mit einer ausgestreckten Zunge kommentiert.

„Dein Daddy wird böse. Besser wir hören auf ihn." Sie nimmt das kleine Mädchen huckepack und lässt sich von ihr nach oben in das Kinderzimmer dirigieren.

Während Gemma versucht Lottie wieder zum Schlafen zu bringen, sitze ich auf der Couch und drehe mein Hany zwischen meinen Fingern. Ich möchte so gern seine Stimme hören, wissen, dass es ihm gut geht.

Ein paar Mal habe ich schon seine Nummer eingetippt, aber dann doch wieder einen Rückzieher gemacht. Louis würde heute nicht mehr rangehen, da bin ich mir sicher. Sein Stolz steht ihm viel zu oft im Weg.

lonely hearts  ➵ larry stylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt