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"Das ist doch nicht ihre Schuld!", brüllt mein Onkel den Direktor an, während ich ziemlich desinteressiert hinter ihm auf einem der Stühle sitze und er beinahe dabei ist, dem Mann vor sich den Kopf abzureißen.

"Sie hält sich nicht an den gegebenen Dresscode, Sir. Wir haben das lange genug durchgehen lassen, aber die Schüler fühlen sich mittlerweile mehr als nur ungerecht behandelt", erklärt der Direktor in einem ruhigen Ton, doch Micah ist mehr als nur aufgebracht.

"Sie hat Hypothermie, Sie ignorantes Arschloch!", brüllt mein Onkel wieder und schon blickt der Direktor zu mir nach hinten und an meinem Onkel vorbei.

"Das tut mir unfassbar leid, Sir, aber ich kann das nicht weiter dulden. Sowohl die Schüler, als auch die Eltern hängen mir im Nacken. Es tut mir wirklich leid, aber die Entscheidung steht. Schicken Sie Ihre Nichte besser auf eine normale Schule. Jede Privatschule würde genauso handeln, wie ich es musste", kommt es wieder ziemlich ruhig vom Direktor, ehe er aufsteht und meinem Onkel mit einer sanften Handbewegung den Weg zur Tür weist.

"Lass uns gehen, Micah", sage ich und erhebe mich aus dem Stuhl, ehe ich meine kalten Hände in die Taschen meines schwarzen Mantels schiebe.

Wäre nur schön, wenn das irgendetwas daran ändern würde, dass meine Hände vollkommen unterkühlt sind.

So wie der Rest meines Körpers.

"Unglaublich!", spottet Micah noch, ehe er vorgeht und ich ihm dann mit ziemlich neutralen Emotionen folge.

Das ist bereits die vierte Privatschule, von der ich geworfen werde, nur weil ich mich nicht wie die anderen an den gegebenen Dresscode halten kann.

Der Dresscode ist eine simple schwarze Strumpfhose, ein bordeauxroter Rock und eine weiße Bluse, mit einem zum Rock passend roten Blazer.

Wie soll jemand mit Hypothermie so auch ordentlich den Schultag überstehen können?

"Ich sollte ihm dafür den verfluchten Schädel einschlagen, dass er nichts gegen diese miesen Wichser unternommen hat!", brüllt Micah plötzlich unkontrolliert und tritt einen der Mülleimer auf den Fluren durch den halben Gang, was mich schon fast zum Lachen bringt.

Da es ihn jedoch nur noch mehr aufregen würde, halte ich mein Lachen zurück und beginne stattdessen leicht und stumm zu lächeln.

"Du hättest nicht extra herfahren müssen, Micah", sage ich nach einigen stillen Momenten, in denen wir durch die Schule und dann hinaus auf den Parkplatz laufen.

"Natürlich musste ich das! Irgendwelche hormongesteuerten Bastarde, haben Hand an meine einzige Nichte gelegt und ihre Kleidung zerrissen, nur weil ihnen nicht gepasst hat, dass sie mehr trägt, als ihnen lieb ist!", faucht er zurück und bleibt abrupt stehen, ehe er sich zu mir dreht und ich beinahe in ihn hinein laufe.

"Du bist drei ganze Stunden gefahren, nur um ein nutzloses Gespräch mit dem Direktor zu führen. Die Zeit hättest du lieber mit deiner Frau und deinem Sohn verbringen können", sage ich leise und sehe zu Boden, ehe ich mit meinen weißen Schuhen ein paar Steine hin und her scharre.

"Bullshit! Du verwechselst mich wiedermal mit deinem Vater, Kleine", sagt er erst ziemlich wütend und wird dann immer leiser.

"Jetzt steig ein, damit du dich an der Sitzheizung aufwärmen kannst", befiehlt er streng und zeigt hinter sich zu seinem Wagen, weshalb ich wieder ziemlich kleinlich zu Boden sehe und dann beginne zu laufen.

Stumm setze ich mich auf den Beifahrersitz, schnalle mich an und verstecke sofort meine Hände in meinen Ärmeln, ehe ich die Hände mit den Ärmeln in die Taschen meines Mantels zurückschiebe.

Als Micah sich neben mich setzt, schmeißt er sofort den Wagen an und schaltet ohne zu zögern die Sitzheizung ein.

"Ich lasse deine Sachen aus deinem Apartment holen. Wir fahren jetzt zu mir und da wirst du vorerst bleiben. Wir finden schon irgendeine Lösung für dieses Problem", sagt er nachdenklich und beginnt zu fahren.

Diese Auseinandersetzung heute, war nicht meine erste, die ich mit irgendwelchen Mitschülern hatte, doch dass sie so brutal waren, hatte ich schon lange nicht mehr.

Irgendwie macht es mich fast schon glücklich, endlich nicht mehr auf diese hochgestochene Privatschule gehen zu müssen.

"Ich könnte auf die Highschool in deiner Gegend gehen, oder die letzten Monate auch einfach nach einem Job suchen. Dann besorge ich mir ein Apartment und schon ist alles geregelt", sage ich leise und krieche immer tiefer in meinen Mantel hinein, nur um etwas Wärme spüren zu können.

"Vergiss das mit dem Apartment mal schnell wieder. Du wirst bei uns wohnen. Keine Widerrede."

"Ich will euch nicht zur Last..."

"Ich sagte, keine Widerrede!", mahnt er finster und wirft mir einen wütenden Blick von der Seite zu, was mich sofort verstummen lässt.

An Enigmatic GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt