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Ich habe Derrick sein Handy gegeben, habe ihm dann gesagt, dass ich den anderen von der tollen Neuigkeit berichte und bin gegangen, doch stattdessen laufe ich gerade aus der Wohnung des letzten verschwundenen.

Ich wollte mich selbst davon überzeugen, dass es nichts gibt, was zurückgelassen wurde, doch es gab wirklich nichts.

Nicht einmal ein Staubkorn, der nicht sein sollte.

"Wir sollten uns beeilen, wenn du heute noch ankommen möchtest", ertönt eine Stimme, die ich bereist gehört habe.

Ich blicke zur Seite und direkt in einen schwarzen Wagen hinein, in dem der fremde Typ aus dem Wald sitzt.

Der Typ, welcher mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass ich Silas nicht vertrauen kann.

"Steig ein. Ich begleite dich", fügt er mich hinzu, lehnt sich dabei zum Beifahrersitz und öffnet die Beifahrertür.

"Wieso sollte ich dir vertrauen?", frage ich skeptisch und sehe ihn ernst dabei an.

Es ist dunkel, er sitzt in einem schwarzen Wagen und ist nicht gerade auf meiner "wir werden beste Freunde" Liste.

"Sollst du nicht. Jetzt steig ein", sagt er und sieht mir dabei starr ins Gesicht.

"Und wieso sollte ich dann in deinen Wagen steigen?", frage ich erneut und hebe eine Braue.

"Weil ich Antworten auf deine Fragen habe. Willst du einen ganzen Monat warten?", fragt er und hebt ebenfalls eine Braue, so als wolle er mich nachäffen.

Ich sehe nach links und rechts, denke kurz darüber nach, atme dann frustriert aus und steige ein.

**

Wir fahren schon eine ganze Weile und haben trotzdem noch kein weiteres Wort miteinander gewechselt, was mich unfassbar nervös macht.

"Etwas an dir ist anders. Hat er dich schon markiert?", fragt er schließlich.

"Wird er noch. Was weißt du alles?", frage ich und entscheide mich dazu, mich in seine Richtung zu drehen, um ihm genauer zu betrachten, während er mir meine Fragen beantwortet.

"Was willst du wissen?", stellt er eine der bekannten Gegenfragen.

"Erzähl mir, woher du wusstest, dass wir Silas nicht trauen können", sage ich entschlossen.

Auch wenn es schmerzt, muss ich es einfach wissen.

Ich muss wissen, ob es das richtige ist, bevor ich das tue, was ich geplant habe.

"Wegen der Sache im Wald", sagt er und sieht einfach geradeaus.

"Du meinst Natalia?", frage ich und erwische mich dabei, wie meine Stimme zu brechen beginnt, als ich ihren Namen ausspreche.

Er nickt und atmet etwas tiefer ein, so als wolle er gleich unter Wasser tauche und bräuchte dafür etwas mehr Luft in den Lungen.

"Ich habe ihn gewarnt, ihm gesagt, dass er es gut sein lassen soll, doch er hat den blonden Jungen auf meine Freunde gehetzt und damit den Kampf begonnen. Die Frau hat sich eingemischt, wurde verletzt und mein jüngster hat die Kontrolle verloren. Er hat sie beinahe zerfetzt, bis ich ihn von ihr gerissen habe. Sie hat gelitten, meine Kleine, also habe ich sie von dem Leid erlöst", erklärt er mit ruhiger Stimme.

"Also hast du ihr das Genick gebrochen", stelle ich fest und bekomme als Antwort ein Nicken.

"Silas stand einfach da, hat sich angesehen, wie sie gelitten hat und hat sich trotzdem nicht gerührt. Auch wenn die beiden keine Mate Verbindung hatten, wurden sie doch durch zwei Kinder verbunden, oder sehe ich das falsch?", fragt er und zieht dabei die Brauen zusammen, so als würde er das Verhalten von Silas nicht verstehen können.

"Ein Kind", murmel ich leise.

"Hm?"

"Ein Kind. Sie haben eine gemeinsame Tochter, doch Jason ist nicht von ihm", antworte ich, was ihn die Brauen noch enger zusammen ziehen lässt.

"Da habe ich andere Informationen", sagt er und hebt dabei die Schultern, die er ganz einfach wieder fallen lässt.

"Jedenfalls habe ich mich vor ihn gestellt und ihm gesagt, dass er den Jungen beruhigen soll, doch er hat wie ein Verrückter nach meiner Hand gegriffen, sie zu sich gezogen und einen komischen Stein in meine Hand gedrückt", erklärt er, was mich sofort dazu bewegt, den Stein aus meiner Hosentasche zu ziehen.

"Den hier?", frage ich.

Er wirft nur einen winzigen Blick in meine Richtung, sieht sich den Stein an, blickt wieder auf die Straße und nickt.

Er wollte ihn testen.

Wieso wollte er ihn testen?

"Es gibt so viele Steine, die so ähnlich aussehen, also haben wir nicht herausgefunden, was das für ein Stein ist", erzählt er weiter, doch er spricht nicht davon, dass er...

"Und du bist ein Wolf?", frage ich und unterbreche meine eigenen Gedanken.

"Jap. Von Geburt an. Erste Verwandlung mit sechs Jahren. Ziemlich frühzeitig", erklärt er mit neutraler Miene.

"Du weißt mehr", stelle ich fest, was ihn wieder dazu veranlasst, einen tieferen Atemzug zu nehmen.

"Wenn du fragst, weil ich den Stein berührt habe, dann habe ich eine Ahnung, auf was du hinaus willst", antwortet er.

"Ein Mondstein, richtig? Ein Mondstein", fragt er und wiederholt es dann noch einmal, so als wolle er es sich selbst erklären.

"Wie er im Buche steht. Nur steht in den Büchern nichts darüber, dass er unseresgleichen die Macht raubt", murmel ich und betrachte ihn etwas genauer, während ich mich wieder nach vorne drehe.

"Also", sage ich und sehe nun nur noch mit dem Kopf in seine Richtung.

"Wieso bist du immun?", frage ich gerade heraus, was ihn zum Schmunzeln bringt.

"Deinetwegen, meine Kleine."

An Enigmatic GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt