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Während Derrick sie trägt, laufe ich hinter ihm her und denke über all das nach, was in der letzten Stunde vorgefallen ist.

Eine Person, die mit mir verbunden ist, ist verletzt, doch ich habe nichts gespürt.

Seine Mutter ist meinetwegen Tod und auch davon habe ich nichts gespürt.

Wieso nicht?

Tatsache ist, dass wir niemals hätten zurückkommen dürfen.

Ohne mich wäre Natalia wahrscheinlich noch am Leben, doch eine weitere Sache lässt mich nicht los.

Wieso das gebrochene Genick?

Außerdem habe ich ein sehr schlechtes Gefühl, weshalb ich weiterhin nachdenklich in den Himmel schaue und den Mond betrachte.

Morgen ist Vollmond.

Natürlich sind die Geschichten totaler Schwachsinn, dass Werwölfe sich an Vollmond verwandeln und keine Kontrolle darüber haben, doch die Tatsache, dass wir an den drei Tagen stärker und aufbrausender sind, ist nicht zu bestreiten.

Es sind immer die drei Tage, von denen die meiste Macht ausgeht.

Der Tag vor Vollmond, der Tag an Vollmond und der Tag danach.

"Ich weiß nicht, was ich sagen soll", sagt Derrick leise und reißt mich somit sofort aus den Gedanken.

"Dann versuch es gar nicht erst. Du könntest sowieso nichts sagen, dass mich aufmuntern oder besänftigen könnte. Sie ist meinetwegen Tod und wahrscheinlich kommen noch weitere Tode dazu", sage ich und steige über einen großen Ast, der mitten im Weg liegt.

Während Natalia, Jason und Silas in einen Kampf verwickelt waren, hatte ich Spaß mit Derrick und habe nichts davon mitbekommen, obwohl ich eigentlich all ihre Emotionen hätte empfinden müssen.

Verdammt, das ist zum Haare ausreißen!

Sofort, als Derrick das Reservat betritt, kommen einige Leute auf uns zu, wie Danny, Asher und auch Davina, doch ich blicke einfach weiter zu Boden.

Ich beobachte, wie Derrick Natalia auf einen der Tische legt und dann etwas Abstand nimmt, doch als er etwas Weißes erkennt, dass aus ihrer Tasche gefallen ist, geht er verwirrt wieder auf sie zu.

Er will danach greifen, doch sofort stürme ich auf ihn zu und packe sein Handgelenk, um ihm davon abzuhalten.

Ich spüre, wie er mich von der Seite verwirrt betrachtet, doch ich ignoriere es und starre nur auf das weiße Ding.

"Was hast du?", fragt Danny, der sich mir langsam nähert und dann an meiner linken stehen bleibt.

Eilig reiße ich den Kopf hoch und blicke in die Richtung von Aeryn’s Haus.

"Passt auf, dass niemand den Stein berührt", sage ich eilig und renne sofort los.

Ich ignoriere all meine Manieren und platze einfach in das Haus hinein.

Felicia sitzt im Wohnzimmer auf der Couch und scheint überhaupt nicht verändert, weshalb ich sofort weiter gehe und in das Zimmer platze, in dem ich vor einigen Wochen mal gelegen habe.

"Scheiße!", fluche ich, als ich entdecke, dass Blaze an Jasons Seite sitzt und mit einem dieser Steine herumspielt.

"Du Idiot! Hast du eine Ahnung, was du damit angerichtet hast?!", frage ich ihn, weshalb er mich total irritiert betrachtet.

"Leg das beschissene Ding weg! Am besten irgendwohin, wo es niemand anderes anfassen kann!", knurre ich und sehe ihn wütend an, ehe ich mir verzweifelt durch die Haare fahre.

Alle im Raum sehen mich an, als wäre ich vollkommen durchgeknallt, doch das bin ich ganz und gar nicht.

Zögerlich und weiterhin verwirrt, steht Blaze auf und geht auf das Bücherregal zu, ehe er den Stein in das oberste Fach legt.

"Und jetzt erklär uns das mal", sagt er und verschränkt die Arme vor der Brust.

Sofort blicke ich zu Aeryn.

"Wie geht es ihm?", frage ich besorgt und gehe zu ihr, da sie gerade Jasons Wunden reinigt.

Fawn kniet neben dem Bett und drückt voller Sorge seine Hand.

"Ignorier mich nicht ständig", atmet Blaze genervt aus, doch um ihn kann ich mich gerade definitiv nicht sorgen.

"Er wird wieder. Der Heilprozess hat längst angeschlagen, also wird es höchstens ein bis zwei Tage dauern, bis er wieder vollständig auf den Beinen ist."
Ich nicke nachdenklich.

Das bedeutet aber, dass der Stein seinen Körper nicht berührt hat.

"Wo war der Stein?", frage ich und drehe mich im selben Moment zu Blaze um.

"Ich hab ihn von Silas", sagt er und zeigt auf das andere Bett, auf dem Silas liegt und schläft.

Dass er bei meinem Gebrüll nicht aufgewacht ist, wundert mich zwar, doch die Tatsache, dass Silas den Stein wahrscheinlich ebenfalls berührt hat, ist mehr als nur schlecht.

"Kommt", sage ich ernst und meine damit alle.

Auch Aeryn sollte davon erfahren.

Sie sieht mich kurz fragend an, weshalb ich ihr sanft zunicke und schon steht sie auf.

Felicia bitte ich ebenfalls darum, uns zu folgen und schon gehen wir alle zusammen zurück.

Die anderen stehen alle um Natalia’s Leichnam herum und blicken auf, als wir zu ihnen kommen.

"Was ist das für ein Stein?", fragt Derrick ziemlich genervt, was ich ihm in diesem Augenblick auch überhaupt nicht böse nehme.

"Ein Mondstein", sage ich und verschränke die Arme vor der Brust.

"Es ist eine Art Gestein, ein Kristall, um genauer zu sein."

"Ein Kristall?", fragt Danny verwirrt, weshalb ich sofort nicke.

"Genauso wie Rosenquarz oder Amethyst. Berührt man in einem der drei Tage einen Mondstein, hat das schwere Folgen", erkläre ich nachdenklich und gleichzeitig verwirrt darüber, dass keiner von ihnen auch nur eine Ahnung davon hat.

"Den gesamten Monat über, laden sie sich auf und wenn man dann, in einem der drei Nächte, einen von ihnen berührt, entladen sie sich sofort. Bei Menschen hat es keine Wirkung, doch auf Wölfe eine umso stärkere."
Sofort blicke ich mich verwirrt um, als eine weibliche Stimme das erklärt, was ich denke und schon sehe ich eine Frau in Derricks Alter an, die Danny wie aus dem Gesicht geschnitten ist.

Dieselben blonden Haare und dieselben bernsteinfarbenen Augen.

An Enigmatic GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt