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Schon seit einer ganzen Weile ist es auch im Krankenzimmer ruhig, doch bis jetzt kam noch niemand heraus, also sitzen wir alle ziemlich aufgeregt da und warten darauf.

Mich macht die ganze Theorie der Wilden Jagt noch vollkommen wahnsinnig.

"Es ist Vollmond", sagt Fawn leise gähnend, während ihr müder Kopf an Dannys Schulter lehnt.

Wir sitzen nun schon den ganzen Nachmittag hier und mussten bisher einfach so da sitzen, während wir nichts für Felicia tun konnten.

Doch jetzt nicht mehr zu hören, dass sie Schmerzen hat, ist erleichternd, nachdem wir immerhin auch schon das Weinen der kleinen hören durften.

"Heute ist Vollmond", wiederhole ich nachdenklich und blicke hinter ihr aus dem Fenster und direkt in den späten Abendhimmel hinaus.

Plötzlich kommt mir eine dumme Idee, welche sofort von Fawn bemerkt wird.

"Das kannst du nicht tun", sagt sie und sieht mich traurig an, doch bevor ich etwas dazu sagen kann, wird die Tür geöffnet und sowohl Derrick als auch Micah kommen heraus.

Micah strahlt bis über beide Ohren und lacht mit Derrick über etwas, das wir nicht ganz mitbekommen haben.

Vor uns bleiben sie stehen und sehen uns einen Moment lang einfach an.

"Sie ist wunderschön", murmelt Micah dann stolz und grinst noch breiter.

"Nochmal Glück gehabt, dass sie das Aussehen ihrer Mutter bekommen hat", scherzt Derrick mit recht ernster Miene, beginnt jedoch leicht zu schmunzeln, als Micah ihm einen kleinen Schlag auf den Hinterkopf gibt.

"Sie möchte mit dir sprechen", sagt er dann, als er sich zu mir herunter lehnt und mir einen Kuss auf die Schläfe drückt.

Etwas überrascht stehe ich auf und sehe noch dabei zu, wie Derrick sich auf meinen vorherigen Platz fallen lässt.

Dann gehe ich jedoch auf Micah zu und lächle ihn an.

"Glückwunsch", flüstere ich fast und umarme ihn kurz, nur um dann sofort an ihm vorbei und zum Krankenzimmer zu gehen.

Ich klopfe erst an und warte auf die Bestätigung hereinkommen zu können, die ich kurze Zeit später auch von einer erschöpften Felicia bekomme.

Also öffne ich die Tür, schlüpfe hinein und sehe sie mit einem warmen Lächeln an.

Sie hat das kleine geschöpft auf ihrer Brust liegen und sieht unglaublich müde aus, also warte ich einfach und gehe geduldig auf sie zu.

Ich setze mich auf den Stuhl, der neben ihr steht und betrachte das Gesamtbild.

Einfach atemberaubend schön.

Noch ein Grund mehr, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen.

"Du hast etwas Dummes vor", sagt sie plötzlich mit müder Stimme und reißt damit meine Aufmerksamkeit auf sich.

Ich sehe sie einfach an, frage mich, wie genau sie das weiß, doch ich kann es mir nicht erklären.

Vielleicht war es mein Blick, meine Ausstrahlung oder doch einfach nur mein Herzschlag.

"Du hast ihm versprochen, dass du nichts Dummes tun wirst, Lilo", sagt sie und sieht mich mahnend, aber besorgt an.

"Du solltest dich nicht um mich sorgen. Sorge dich um deine Familie", lächle ich sanft und sehe sie auch genauso an.

"Sagt diejenige, die ein Teil dieser Familie ist", lächelt sie ebenso sanft, ehe sich dieses Lächeln in ein verschmutztes grinsen entwickelt.

"Bitte nicht", sage ich und spüre, wie sich meine Wangen rot färben.

"Ich sollte die erste sein, mit der du darüber sprichst, aber da es sich hier um meinen großen Bruder handelt, sage ich dir einfach nur, dass ich mich für euch freue", sagt sie leise und streicht über den winzigen Rücken des kleinen Säuglings.

Ich nicke nur verträumt und betrachte das winzige Geschöpf auf ihrer Brust.

Sie hat die Augen geschlossen, die Hände zu winzigen Fäusten geballt und die Lippen so aufeinander gepresst, dass es so aussieht, als würde sie einen Kussmund machen.

"Wir haben uns dazu entschieden, sie Cynthia zu nennen", flüstert sie, doch ich kann meinen Blick einfach nicht von ihr lösen.

Erst jetzt fällt mir wieder etwas ein, dass mein Herz zum Rasen bringt.

Vor einer ganzen Weile hat Felicia mir davon erzählt, dass ich für Isaac und das Baby die Patin sein werde und jetzt ist die kleine da.

Ich bin die Patin von Isaac und der kleinen Cynthia.

Das kann ich gar nicht wirklich glauben.

"Es hat Bedeutung", kommt es von Aeryn, die sich etwas weiter vom Bett entfernt um das Aufräumen kümmert.

Mit einem fragenden Blick sehe ich zu Felicia, die es mit einem kleinen nicken bestätigt.

"Mond Göttin", lächelt sie breit und zeigt mir damit ihre weißen Zähne.

"Geboren an Vollmond", fügt sie noch hinzu, ehe sich stolze Tränen in ihren Augen bilden.

Noch ein Grund mehr, es zu tun.

Ich stehe auf, gehe auf das Regal zu und taste mit den Fingern die obersten Regale ab, bis ich an etwas Kaltes stoße und es greife.

Niemand hat ihn weggeräumt.

"Was tust du?", fragt Aeryn.

Als ich zu ihr sehe, entdecke ich ihren alarmierten Blick, den sie zuerst auf mich und dann auf den Mondstein in meiner Hand richtet.

"Ich werde ihn weise nutzen, versprochen", versichere ich ihr und lasse sie einfach so damit stehen, während ich mich wieder zu Felicia bewege.

"Es tut mir unglaublich leid, dass ich Derrick aufgehalten habe. Er hätte von Anfang an bei dir gewesen sein sollen", sage ich und bleibe neben ihr stehen.

Sie sieht zu mir auf und schenkt mir eines ihrer vielen und bezaubernden Lächeln.

Diese Frau ist bloß ein paar Jahre älter als ich und hat eine vollkommen andere Ausstrahlung.

Sie wirkt immer glücklich, was ich niemals so umsetzen könnte.

Die beiden haben einander mehr als nur verdient.

Micah und Felicia sind einfach perfekt füreinander.

"Das macht doch nichts. Micah zu urteilen hat er mindestens noch zwei Geburten, bei denen er es wiedergutmachen kann", sagt sie und schon sehe ich sie mit großen Augen an.

Sie lacht ein wunderschönes Lachen, welches Cynthia etwas zu wackeln bringt, doch die kleine rührt sich nicht weiter.

"Mal sehen, wer ihm diese Kinder schenkt", lacht sie noch einmal auf, ehe sie nach meiner Hand greift und diese sanft drückt.

"Ich lenke die beiden ab, solange du mir versprichst, dass du morgen früh wieder vor mir stehst und die eher annimmst, die Patin meiner Kinder zu sein. Gesund und munter", fügt sie noch ernst hinzu und wartet auf meine Antwort.

Ich zögere, umfasse den Kristall in meiner anderen Hand fester und nicke dann.

"Versprochen."
Es verlässt meine Lippen eher, wie ein atemloses Keuchen, doch ein Versprechen ist ein Versprechen und ich werde es halten.

"Danke", sage ich noch und schiebe den Kristall dann in meine Hosentasche.

An Enigmatic GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt