›44‹

1.3K 110 2
                                    

Ich bin total nervös.

Meine Hände zittern und sind feucht, während mein Herz mir schon fast bis zum Halse schlägt.

Heute Morgen waren Fawn, Blaze und Jason im Wald zusammen laufen, doch als sie zurückgekommen sind, haben sie keine guten Neuigkeiten mitgebracht.

Sie sind an andere Wölfe geraten und haben sich mit ihnen gestritten.

Jetzt habe ich noch mehr Sorge, dass wir niemals hierher passen und uns einleben können.

Immerhin gibt es meines Wissens nach, nur ein weiteres Rudel und das ist genau das Rudel, mit dem wir uns niemals anlegen sollten.

"Jetzt beruhig dich doch", kommt es von Natalia, die mir sanft über den Rücken streicht.

"Das sagt sich so leicht, wenn man nicht im Mittelpunkt der Komplikationen steht", zische ich zurück und spüre sofort, wie sie ihre Hand von mir nimmt.

Natürlich sollte ich meine Wut nicht an ihr auslassen, doch die Sorgen und Ängste entwickeln sich nun mal zu einer großen Wut.

Mit einem weiteren Schritt, betreten wir das Reservat und schon scheinen uns alle misstrauisch anzusehen.

"Sollen wir das wirklich machen?", flüstert Blaze mir zu und kommt mir dabei etwas näher, was einer Person anscheinend überhaupt nicht zu gefallen scheint, denn schon nehme ich ein tiefes Knurren wahr.

Als ich Derrick direkt neben Danny erkenne, sehe ich seine angespannte Miene und seinen finsteren Blick, der nur auf Blaze gerichtet ist.

Er sollte am wenigsten das Recht haben, sich über jemanden aufzuregen, der in meiner Nähe ist, wenn er schon wieder so anfängt und mir aus dem Weg geht.

"Familie, Blaze. Er ist Familie", sage ich leise und schiebe meine Hände in die Taschen meiner Jacke, ehe ich die ersten Schritte mache und auf Micah zugehe.

Vor ihm bleibe ich stehen, sehe ziemlich beschämt zu ihm auf und löse meine Linke aus der Jackentasche, ehe ich die kleine Geschenktüte an meinem Arm herunterrutschen lasse, bis die Henkel in meiner Handfläche stoppen.

"Alles Gute zum Geburtstag, Micah", sage ich verdammt leise und halte ihm die Tüte entgegen, doch er sieht mich einfach nur an.

Er ist still und rührt sich kein Stück, sondern sieht mich einfach bloß an, während einige um uns herum beginnen zu flüstern.

Mich würde es nicht wundern, wenn hier inzwischen alle wissen, was ich getan habe, doch ändern könnte ich es so oder so nicht.

"Du hast gelogen, Lilo", sagt er und bringt meine gesamte Haut damit zum Kribbeln.

Ist das ein Fortschritt, wenn er mich Lilo nennt?

"Ich dachte, ich könnte euch beschützen", gebe ich mit brüchiger Stimme zurück.

"Wovor? Vor dir?", fragt er sichtlich genervt und verschränkt die Arme vor der Brust.

Ich zögere und versuche meine Worte weise zu wählen.

"Es ist schwer zu erklären. Ich will einfach nicht, dass einer von euch, meinetwegen in Gefahr ist", gebe ich zu und sehe bedrückt zu Boden.

Jetzt, wo sie von mir wissen, wird das leider so oder so geschehen.

"Lass das mal unsere Sorge sein, Kleine!", ruft jemand aus der Menge, weshalb ich mich sofort umsehe und Dash erkenne, der mit verschränkten Armen einfach dasteht und sich das ganze Theater ansieht.

Langsam sehe ich mich weiter um und realisiere plötzlich, dass sie uns alle beobachten, doch ihre Blicke sind seltsam.

Sie sind nicht angewidert oder verängstigt.

Sie sind unparteiisch und zuvorkommend.

"Du bist meine Nichte. Die Tochter meines gestörten Bruders, der nie zu schätzen wusste, was er da bei sich hatte."
Langsam drehe ich meinen Kopf wieder nach vorne und sehe zögerlich zu Micah auf.

"Es spielt keine Rolle, was du vor sechs Jahren getan hast, während du dich das erste Mal verwandelt hast, Lilo."
Mein Herz rast erneut und meine Augen füllen sich mit Tränen.

Felicia beginnt sanft zu lächeln und schlingt ihre Arme um den linken Arm ihres Mannes, ehe sie ihren Kopf an seine Schulter lehnt.

"Für keinen von uns", fügt er hinzu, schiebt dabei seine Hände in die Hosentaschen und lässt seinen Blick durch das Reservat wandern, was ich ihm sofort gleichtue.

"Aber jeder von uns setzt großes Wert auf Ehrlichkeit", sagt er mit einer etwas festeren Stimme, weshalb ich wieder zu ihm blicke.

"Genau deswegen wirst du uns Stück für Stück, alles erzählen, was du noch zu verheimlichen hast. Heute werden wir meinen Geburtstag feiern und deine Rückkehr noch dazu", lächelt er sanft und lehnt sich zu mir.

Er nimmt mir die Geschenktüte aus der Hand, legt mir dann eine Hand an den Hinterkopf und zieht mich zu sich, nur um mir dann einen Kuss auf die Stirn zu geben.

Eine Träne voller Erleichterung rollt an meiner Wange hinab und ein riesiger Stein fällt mir vom Herzen.

Ich hätte nicht gewusst, was ich gemacht hätte, wenn Micah mir nicht verziehen hätte.

An Enigmatic GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt