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"Du hast den Mann gehört, Derrick. Lass sie los", kommt es nun von Micah, der sich dazu gesellt.

Als Derrick seinen Blick wieder auf mich richtet, sehe ich ihm sofort in die Augen.

Er lockert den Griff um meinen Ellenbogen, doch bevor er mich loslassen kann, packe ich nach seiner Hand.

"Ich hab es mir anders überlegt. Du bist kein Köter und benimmst dich auch nicht wie einer", beginne ich und sehe ihn fast schon traurig an.

"Du bist immer so schlecht gelaunt und zeigst mir ohne Rücksicht, wie sehr du mich hasst, aber irgendwie bist du gar nicht so schlimm", lache ich auf und ignoriere seine verwirrte Miene.

"Makenzie", mahnt er, doch ich ignoriere ihn und lasse mir diesen Abschied nicht nehmen.

"Du solltest mehr darauf achten, was die Leute in deinem Umfeld von dir halten", lächle ich und lasse dann von ihm ab, ehe ich mich umdrehe und auf Micah zugehe, ohne dem anderen Mann auch nur ein Fünkchen meiner Aufmerksamkeit zu schenken.

"Mach keine Szene, Makenzie. Du gehörst hier nicht hin und das weißt du genauso gut, wie ich", sagt er, als ich meinem Onkel um den Hals falle und ihn verdammt feste an mich drücke.

"Was geht hier ab?", fragt Derrick so genervt, wie er immer ist.

"Makenzie geht dorthin zurück, wo sie geboren wurde", beantwortet Micah leise seine Frage, doch egal, wie leise er sprechen würde, Derrick würde es verstehen.

"Wieso das denn?", fragt er ziemlich aufgebracht, was mich irgendwie zum Lächeln bringt.

Ich wusste immer, dass er mich irgendwann finden und zurückschleifen würde, doch dass es dann passiert, wenn ich bei Micah bin, hatte ich überhaupt nicht erwartet.

"Sie gehört hier nicht hin. Zu Hause hat sie Familie, Freunde und Leute, die sie brauchen", erzählt er Derrick dieselbe Leier, die er mir schon seit mehr als sechs Jahren erzählt.

"Bullshit! Makenzie kann nicht einfach wieder gehen!", protestiert Derrick, während Micah mir sanft über den Rücken streicht.

Langsam sehe ich zu ihm auf und spüre sofort ein kleines stechen in der Brust, als er mir mit seinem Lächeln ins Gesicht blickt.

Ich fühle mich schuldig.

Schuldig für das, was ich getan und ihm niemals gesagt habe.

"Ich komme euch besuchen", sage ich leise und lasse von meinem Onkel ab, ehe ich wieder durch den Flur und in mein Zimmer gehe.

Die drei folgen mir sofort, doch ich packe einfach nur einen Karton und schmeiße alles Wichtige hinein.

"Lass mich dir helfen", sagt er und nimmt sich einen zweiten Karton, ehe er meine elektronischen Geräte hineinlegt.

Die Kartons hatte ich zwar längst alle ausgeräumt, doch weggebracht habe ich die leeren nie.

Ich habe sie einfach gefaltet und in die Ecke gestellt.

Ich habe mich gerade erst hier eingelebt.

Natürlich habe ich mich noch nicht wirklich wie zu Hause gefühlt, doch zu Hause fühle ich mich noch weniger, als würde ich dorthin gehören.

"Du willst sie einfach gehen lassen?!", fragt Derrick hinter mir ziemlich aufgebracht.

Meine Hände zittern und mein Herz rast.

Ich will niemanden hier verlassen.

Weder Micah, Felicia und Isaac, noch Danny oder Derrick.

Alle hier sind ziemlich eigen und besonders, aber ich mag sie.

Natürlich ist Derrick unfassbar nervig und vollkommen idiotisch, aber er ist mein Mate.

Was wohl passieren wird, wenn wir wieder voneinander getrennt sind?

"Es reicht!", mahnt Micah ihn, doch da ich so in Gedanken versunken war, habe ich das Gespräch zwischen den beiden überhaupt nicht mitbekommen.

"Du hast noch einige Sachen zu Hause, also brauchst du nur das Nötigste einpacken", erklärt der Mann neben mir, was mich ziemlich zögerlich nicken lässt.

"Gut. Dann zieh dich an. Du warst schon lange genug von uns getrennt."
Wieder nicke ich nur und gehe auf meinen Schrank zu, vor dem meine Schuhe stehen.

Schnell schlüpfe ich in sie hinein und nehme dann die Jacke entgegen, die Micah mir mit einem sanften Lächeln reicht.

Als ich dann ungewollt zu Derrick blicke, treffen sich unsere Blicke und schon verlässt ein tiefes und dunkles knurren seine Kehle, ehe er sich einfach umdreht und aus meinem Zimmer stürmt.

Ich sehe ihm noch einen Moment nach, spüre den Schmerz und die Wut, die er verspürt, doch als der Mann hinter mir, seine Hand an meinen Rücken legt, weiß ich, dass es das Beste ist.

**

"Tut mir leid, dass ich dir Probleme bereitet habe, Micah", sage ich kleinlaut an der Beifahrertür, während Micah lächelnd zu mir heruntersieht.

Sanft hebt er seine Hände und legt beide an meine Wangen.

"Ich verspreche, dass ich mich melden werde", sage ich mit ernster Miene, jedoch mit bebender Stimme.

Als er seine Hand hebt und mir die Faust entgegenhält, muss ich sofort wieder an den Tag denken, an dem er mich hergebracht hat und lächle stumm in mich hinein, während ich meine Hand hebe und meine Faust dann leicht gegen seine stoße.

Sofort darauf zieht er mich in eine weitere Umarmung.

"Wir alle werden dich vermissen, Lilo."

"Manche mehr, als andere", flüstere ich schon fast, ehe ich mich von ihm löse und in den Wagen steige.

An Enigmatic GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt