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Ich liege einfach so in Derricks Bett und starre ihn nachdenklich an, während ich dem Geschehen von draußen lausche.

Sie verabschieden sich gerade von Natalia und dann wollen sie ihren Leichnam verbrennen.

Silas hat mir erzählt, dass sie das mit jedem Rudelmitglied gemacht haben, das gestorben ist.

Auch mit meiner Mutter.

Mir ist das recht jedoch verwehrt, mich ordentlich von Natalia zu verabschieden, da es so wirken würde, als würde ich sie um Verzeihung bitten und auch das ist mir verwehrt.

Sie sollten mir nicht verzeihen.

Sie sollten mich verabscheuen und verstoßen.

Mit den Fingerspitzen fahre ich sanft über seine Schulter und über die schwarze Tinte, die unter seiner Haut ist.

Er liegt auf dem Bauch und sein Gesicht ist in meine Richtung gedreht, doch gerade denke ich einfach nur über das Tattoo nach, welches auf seiner linken Schulter liegt.

Damals wusste ich schon, dass ich es bereits irgendwo gesehen habe, doch ich konnte mir nicht erklären, wo genau das war.

Möglicherweise in einem Film, einer Serie oder vielleicht doch in einem Buch?

Es wirkt wie ein Dreieck, nur definitiv anders.

Langsam fahre ich die erste Spirale nach, dann die zweite und zum Schluss die dritte.

Die drei Spiralen sind in der Mitte miteinander verbunden und all das zusammen sieht fast schon magisch aus.

"Willst du darüber reden?", ertönt plötzlich seine tiefe und müde Stimme, was mich sofort erschreckt.

Als ich ihm ins Gesicht blicke, hat er seine Augen noch geschlossen, doch meine Hand nehme ich trotzdem wieder zu mir und schiebe sie unter das Kissen.

"Was meinst du?", frage ich und stelle mich gleichzeitig unfassbar blöd.

Nun öffnet er langsam die Augen, gibt mir damit sofort die Sicht auf das wunderschöne blaugrau und sieht mich dabei auch noch verdammt misstrauisch an.

"Du liegst hier und versuchst dich abzulenken, während deine Leute sich gerade von eurem Rudelmitglied verabschieden", erklärt er und manchmal wünsche ich mir, er wäre etwas weniger schlau und aufmerksam.

"Das liegt daran, dass ich nicht das Recht habe, mich von ihr zu verabschieden", sage ich und drehe mich auf den Rücken, ehe ich die Decke von mir schiebe und aus seinem Bett steige.

Er packt nach meinem Handgelenk, dreht sich dabei auf den Rücken und hält mich an Ort und Stelle.

"Rede mit mir, Makenzie. Das macht die Sache einfacher", sagt er leise und sieht mich besorgt an.

Ich zögere, doch dann gebe ich nach und setze mich erst auf das Bett, ehe ich meinem Bedürfnis nach seiner Nähe einfach nachgebe und mich auf seinen Schoß schwinge.

"So kannst du das natürlich auch machen", sagt er und sieht mich etwas überrascht an, ehe er den linken Arm unter seinen Kopf und die rechte Hand an meine Hüfte legt.

"Ich habe in nur einer Nacht, so gut wie alles verloren. Ich habe keinen Beta mehr, die Ehefrau des Mannes, der mich immer umsorgt hat, ist jetzt meinetwegen Tod und meine Familie ist meinetwegen in Gefahr", beginne ich und greife mit den Fingern nach dem Stoff seines dünnen Shirts.

"Felicia ist schwanger, Derrick. Micah und sie sollten aus allem rausgehalten und beschützt werden. Und um ehrlich zu sein, bin ich nicht bereit dafür, noch jemanden sterben zu lassen, der mir unfassbar viel bedeutet."

"Dann lasen wir das nicht zu."
Sofort sehe ich ihm in die Augen, die mich so neutral, wie eh und je mustern.

"Ich werde auch nicht zulassen, dass jemand aus meinem Rudel verletzt wird und da wir alle irgendwie zu deinem Rudel gehören, wird das umso einfacher, alle zusammen zu beschützen", lächelt er mir gekonnt entgegen.

"Ich habe Angst, wie alle reagieren, wenn sie erfahren, wer ich bin, Derrick", gebe ich zu, doch er hebt seine rechte Hand und streicht mir eine lose weiße Strähne hinter das linke Ohr.

"Wäre das ein schlechter Zeitpunkt, um dir zu beichten, dass ich es bereits allen gesagt habe?"

"Du hast was?!", frage ich ungewollt laut und sehe ihn fast schon ängstlich an.

"Jap. Er hat es allen erzählt. Und dann sagen Menschen, dass wir die Plappermäuler sind", kommt es nun von einer anderen Stimme, weshalb ich mich sofort etwas drehe und zur Tür sehe, zu der Danny und die anderen gerade hineinkommen.

Sie sehen total entspannt aus, während mein Herz beginnt zu rasen, weil es mir unfassbar peinlich ist, wie ich hier sitze.

Ihnen scheint das jedoch überhaupt nichts auszumachen, da sie einfach auf das Bett zukommen und sich neben uns darauf werfen.

"Was soll das? Habt ihr keine Manieren oder sowas?", fragt Derrick sie ziemlich genervt.

"Also technisch gesehen, bin ich gerade mal ein Jahr älter, als deine kleine Luna hier, also ist es mir erlaubt, dir mächtig auf die Nerven zu gehen", lächelt Danny seinen Alpha an.

Manchmal vergesse ich, dass die beiden, abgesehen von ihren Rängen, immer noch beste Freunde sind.

"Ich wollte Makenzie einfach nur unter die Nase reiben, dass ich recht hatte", grinst Asher triumphierend in meine Richtung, was mich sofort frustriert ausatmen lässt.

"Ihr seid alle viel zu schlau für meinen Geschmack. Aber wieso stört euch das nicht?", frage ich nun doch ziemlich bedrückt und greife wieder nach Derricks Shirt.

"Wir sind alle auf unsere eigene Art und Weise ziemlich gebrochen, Lilo", sagt Danny, was die anderen nicken lässt.

"Uns stört es nicht, wer oder was du bist, weil wir dich schon mochten, bevor das überhaupt nur eine Option war. Du bist nicht nur die Luna unseres Alphas und auch nicht nur der wahre Alpha. Du bist unsere Freundin, ob du das willst oder nicht", lächelt Davina mir nun zögerlich entgegen, was mein Herz nur noch schneller schlagen lässt.

Also stört es wirklich niemanden?

Sie alle akzeptieren mich so wie ich bin?

Eilig stelle ich mich hin und verliere dabei fast das Gleichgewicht, weshalb Danny mir zum halt die Hand entgegenhält.

"Ärgert euren Alpha nicht zu sehr. Hinterher lässt er die Wut noch an mir aus", lächle ich leicht, ehe ich von seinem Bett hüpfe und eilig auf die Tür zulaufe.

"Was machst du, Makenzie?!", fragt Derrick laut, doch ich laufe in den Flur.

"Einige Dinge als Alpha und als Freundin regeln! Wir sehen uns später!", rufe ich und laufe die restlichen Treppen herunter.

An Enigmatic GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt