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Das war alles seine Schuld.
Langsam ging er auf den Eingang des Anwesens zu. Die Tür stand einen Spalt weit offen- ein roter Handabdruck zierte das edle Holz.
Es sah aus al hätte man hier einen Horrorstreifen gedreht- als hätte jemand das einst schöne Gebäude in eine Schlachterei verwandelt.  Schleifspuren und blutige Fußabdrücke zogen sich quer über den Mamorboden.

"Was?!", Ben schaute sich um.
Semir nahm ihn bei den Schultern :"Ben, es sieht nicht so aus al hätte hier irgend jemand dieses Massaker überlebt."
Dieser schüttelte vehement den Kopf. Seine Schritte führten ihn durch den Flur zum zweiten Gebäudeteil.
Sein Atem stockte.
Bereits am Eingang türmten sich die ersten blutüberströmten, leblosen Körper. Allesamt durch einen gezielten Schuss zwischen die Augen hingerichtet. Der junge Mann schluckte.  Das Szenario wirkte im einfallenden Licht der Sonne noch schrecklicher als es eh schon war.
In der Mitte des Raumes, an einem schweren, dicken Holzbalken, hing pendelnd der blasse, blutverschmierte Leichnam von Maximilian.
Um ihn herum waren die Holzdielen mit toten Körpern gepflastert.

"Es sieht so aus als wäre er ausgerastet und hätte in seiner Wut dieses Blutbad veranstaltet , sowie sich selbst umgebracht." Der Deutschtürke strich seinem Freund über die Schulter.
"Aber warum?"
"Vielleicht wurden die Schuldgefühle zu stark? Du hast gesagt, dass er Stimmungsschwankungen hatte, das würde passen."
Der junge Mann starrte wie paralysiert auf den baumelnden Körper. Er würde ihm bei weitem keine Träne nachweinen, aber auch er war ein Mensch gewesen.
Ein Individuum.
Eine Seele dessen Recht auf Leben genauso groß war wie das seine. Wie das seiner Opfer.
Er würde nie mehr Atmen können.
Sich nie mehr an schöne Dinge erinnern.
Nie mehr Leben-
Bis zur Unendlichkeit.
Die Unendlichkeit des Geistes- wenn es so etwas überhaupt gab.

Ben schluckte leicht. Innerlich fühlte er sich sogar schuldig- wäre er nicht abgehauen, würden all diese Menschen noch leben.
Würde Maximilian noch leben.
Sein Blick glitt über all die Leichen, blieb starr an dem Antlitz einer jungen Frau hängen. "Nein!", so schnell es sein Körper zu ließ stürzte der junge Mann auf die leblose Hülle der Frau zu. Entsetzt kniete er sich neben sie, hob ihren Kopf auf seine zitternden Knie und strich ihr schluchzend durchs Haar.
"Eleonore..."
Auch sie war deutlich erkennbar erschossen worden.
"Partner?", vorsichtig hatte Semir seinem Freund eine Hand auf die Schulter gelegt, welcher unter der Berührung sofort zusammenzuckte und sich schützend über die Leiche beugte, "Nicht..."
Der Deutschtürke zog seine Hand zurück und kniete sich ebenfalls auf den Boden. Seinem jungen Kollegen liefen Tränen in Strömen über die Wangen, färbten diese langsam rot."
"Ben? Guck mich an, bitte..."
"Sie ist tot....", eine bloße Feststellung , "Sie ...sie hat mich gerettet...jetzt ist sie tot...ich bin Schuld!" Weitere Tränen bahnten sich einen Weg über sein Gesicht. Seine Stimme zitterte, wurde immer wieder durch heftige Schluchzer unterbrochen.
"Nein Ben, du bist nicht Schuld. Du hast sie nicht umgebracht. Du bist genauso Opfer wie alle anderen," auch wenn diese Worte tröstend gemeint waren, so lösten sie in Ben ungeahnte feurige Wut aus. Er schnaubte:"Ich bin ein Opfer wie all die anderen hier?! Nein...das bin ich nicht, denn ich lebe- ich habe als einziges überlebt. Ich bin kein Opfer wie die! Ohne mich wären sie noch alle am Leben."
"Ben..."
"Nein! Du ....hör auf mich trösten zu wollen, hör auf mir zu sagen, dass ich keine Schuld trage! Du weißt nicht im geringsten was passiert ist- du kennst nur das was du siehst...aber...du hast uns nicht gesehen...du weißt gar nichts!"
"Dann erkläre es mir!", auch Semir wurde allmählich wütend. Er wollte nur helfen.
"Das...Das kann ich nicht," Bens Stimme war plötzlich nur noch ein Flüstern.
"Warum nicht?", auch die Stimme des Deutschtürken war wieder sanfter.
"Ich...es geht einfach nicht," beschämt drehte der junge Mann den Kopf weg, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
Seine Augen glitten ein weiteres Mal über Eleonores Gesicht. Sie wirkte friedlich, ihre Mundwinkelwaren zu einem Lächeln verzogen, beinahe so als hätte sie sich auf den Tod gefreut.
Sachte schloss Ben ihre Augen:"Jetzt bist du frei! Jetzt bist du wieder bei deiner Familie...Lex wird sooo stolz auf dich sein-", er schluchzte, "...und ich bin es auch." der junge Mann drückte die Hand der Frau an seine heiße Wange:"Danke, danke für alles."
Stille.
Er saß einen Moment einfach nur stumm da, ehe er sich seufzend erhob.

Ben spürte einen sanften Druck an seiner Schulter.
"Semir...ich.."
"Ist schon okay. Du musst mir nichts erzählen wenn du nicht willst, ich möchte nur, dass du weißt, dass ich und alle anderen Kollegen immer für dich da sind. Du bist nicht nur mein Kollege, sondern auch mein Freund. Wir sind alle eine große Familie, Ben."
"Ich weiß," er lächelte leicht.
Der jüngere nahm sich fest vor mit seinem Freund über das Erlebte zu reden.
Nur nicht jetzt.
Nicht an diesem Tag.
Irgendwann.
Irgendwann wenn die Zeit gekommen war.
Reden müsste er zur Rehabilitierung sowieso, ansonsten konnte er sich den aktiven Polizeidienst an den Hut schmieren.

Zu diesem Zeitpunkt wusste keiner, dass es zu diesem Schritt vielleicht nie mehr kommen würde...
Denn etwas passte an der ganzen Geschichte ganz und gar nicht.
Ein Gedanke, der auch dem jungen Hauptkommissaren im Kopf rumspukte.

Wenn Angst - zu Liebe wird Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt