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“Dein Vater?”, Maximilian sah ihn fragend an. Der jüngere nickte und wurde rot. Er blickte gen Boden.
“Was hat dein Vater denn gemacht?”
Ben schaute hoch:”Warum ist das wichtig?”
“Weil du mir wichtig bist…denk an die Regeln.”
Der Polizist nickte ergeben, seufzte kurz.

“Mein Vater,” der jüngere lachte verächtlich auf, “war lediglich…ist lediglich mein Erzeuger. Unser Verhältnis hatte sich über die Jahre jetzt zwar etwas gebessert…aber rosig ist etwas anderes.” Ben schluckte. “Man kann Gewalt, gerade wenn sie in der Kindheit stattgefunden hat nicht einfach vergessen, ignorieren oder verzeihen,” er kratzte sich an der Schläfe und ließ sich sich rücklings ins Gras fallen. Den Schmerz, welcher dabei dumpf von seinen Rippen ausging, ignorierte er.
“Mein Vater war nicht der netteste Mensch…Er hat irgendwann angefangen zu trinken. Frustsaufen. Mit dem Alkohol kam auch die Gewalt. Gewalt gegen die eigenen Kinder, ob unbewusst oder nicht, dass kann ich heute nicht mehr sagen. Ich glaube, dass er mich nie wirklich geliebt hat, zumindest hat er es nie gezeigt. Psychische Gewalt ist fast schlimmer als physische. Der Körperliche Schmerz vergeht - irgendwann…der seelische bleibt.”
“Wie sah die psychische Gewalt aus?”, Maximilian hatte sich neben den jüngeren gelegt, welcher ihm nun in die Augen sah. Ein Tränenmeer.
“Stell dir ein kleines Kind vor, fünf vielleicht sechs Jahre alt, das alleine bei einer Person aufwächst, die so kalt ist, dass dem Kind beinahe das Herz gefriert. Ein Zuhause, wenn man das so nennen kann, in dem dieses Kind jeden tag, immer wieder, gesagt bekommt, dass man es nicht Wert ist. Dass man als Mensch keinen Wert hat. Stell dir vor, dass dieses Kind eingesperrt wird, über Stunden, über Tage, mit der Begründung, dass die bloße Existenz die reinste Verschwendung an Leben ist. Keiner kümmert sich um dieses Kind. Keiner gibt ihm die Liebe, die es braucht - die Menschlichkeit und Wärme , welche das kleine Herz begehrt. Irgendwann zerbricht dieses kleine Herz in unendlich viele Einzelteile, kapselt sich ab vom Rest der Welt. Ist ein Außenseiter. Dieses Kind wächst heran, wird erwachsen. Findet Freunde und hat Spaß am Leben, aber irgendwo in diesem Menschen ist noch immer das kleine Wesen, welches er einst war, das versucht den Scherbenhaufen erfolglos wieder zusammen zu kleben. Die Kindheit prägt den Menschen. Die Kindheit hat diesen Erwachsenen geprägt, vielleicht wird er später einmal Polizist oder Richter, um jenen Kindern zu helfen, die genau das selbe durchleben wie er einst. Der Körper ist gewachsen und geheilt, aber die Seele ist eingedellt - sie wird niemals vergessen, wie man dem Kind immer wieder an den Kopf geworfen hat, dass es Schuld am Tod einer der für es wichtigsten Menschen hat…”
Er herrschte kurze Stille.
“Deine Mutter?”
Ben nickte.

Der ältere legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter: “Meine Mutter ist ebenfalls recht früh gestorben, als ich noch relativ klein war. Das hat vermutlich irgendetwas tief in mir zerstört.”
“Wie…Wie ist sie denn...gestorben?”, er flüsterte diese Frage beinahe, da er Angst hatte etwas falsches zu sagen.
“Sie war eine Art Sklavin meines Vaters- Ein Mittel zum Zweck, um einen Nachfolger zu bekommen - sie hat sich angesteckt…infiziert, bei einem ihrer Kunden,” Er schluckte, biss sich auf die Lippe, “HIV…Was für andere ein einmaliger Spaß war, ein Kick…das war ihre Hölle. Sein Spaß - Ihr Tod. Ich habe sie dahinsiechen sehen. Ich habe gesehen wie mein Vater keine Träne vergossen hat, “ Maximilian schluckte bei dem Gedanken daran, “Als sie dann tot war hat mein vater ein loch ausheben lassen und sie dort einfach verscharrt. Keine Beerdigung, keine Blumen, keine Trauer. Nichts als eine kalte Leere. Auch ich war erfüllt mit dieser Leere…Ich war ein Kind, dem man es verboten hatte zu weinen, das man angeschrien hatte, dass es das Loch zu zumachen habe,” er seufzte, schaute Ben tief in die Augen, “Er hat sich die Nächste geschnappt. Kurz darauf wurde auch sie schwanger…”

Ben merkte, dass die Stimme des älteren leiser wurde:” Was ist mit dem Kind passiert? Hast du etwa Geschwister?”
Der Mann schüttelte den Kopf, verzog die Mundwinkel, sodass es so aussah als würde er sich ekeln.
“Sagen wir einfach, dass die Beiden das Baby abgetrieben haben.”
Der jüngere nickte verstehend.

Er fand es erschreckend, dass er diesem Mann seine gesamte Kindheit anvertraut hatte, von der nicht einmal alle seine Kollegen wussten. Einem Mann, bei dem er ein Gefangener war.

“jetzt aber mal zu den anderen Fragen. ich möchte mehr über dich erfahren,” der Mann lachte und legte den Kopf zur Seite:”Wie heißt du?”
“Ben.”
“Ben? Was ein schöner Name…dann nenne ich dich Benni oder B…,” überlegend schloss er kurz die Augen.
Der jüngere nickte.
Das war zwar noch immer nicht optimal, aber immerhin besser, als dieses Klischeehafte ´Junge´oder ´Kleiner´. Schließlich war er kein Kind mehr.

“Alter?”
“30.”
“Süß,” der Mann grinste dezent.
“Du hast doch sicherlich auch Hobbies, oder?”
Ben nickte. Und ob er die hatte, Es macht ihn durchaus traurig zu wissen, dass er diese wohl nie mehr ausführen würde.
“Die wäre? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!”
“Ich fahre…ich bin immer gerne Motorrad gefahren.”
“Sonst nichts?”
“Nicht wirklich,” der jüngere zuckte die Schultern.

“Hmm…eine wichtige Frage…ich will ja, dass es dir gut geht - wie du weißt- ,” der ältere zuckte mit der Nase, “Hast du irgendwelche Allergien oder Vorerkrankungen? Nimmst du irgendwelche Medikamente?”
Was das wirklich so relevant?
Scheinbar schon, allerdings wäre es bei der Sache mit den Medikamenten jetzt vermutlich eh zu spät.
Er nickte kurz:”Ich bin seit meiner hoch allergisch auf Rosen.”
“Oh…,”Maximilians Mundwinkel hingen leicht runter, “da wird Thilde aber traurig sein und ich ganz besonders. Thilde hat ein heiß geliebtes Rosenbeet…Aber ich werde es in Auftrag geben dieses zu entfernen.”
“Was? Nein…Wenn Thilde es so liebt dann…”
“Nein!,” der ältere unterbrach den Polizisten, “Benni…Ben…wenn du dagegen allergisch bist dann werde ich kein Risiko eingehen. Außerdem ist Thilde eine sehr verständnisvolle Person.”
“okay…” nuschelte der jüngere.

Was sollte er auch anderes tun?
Dass diese Sicherheit nicht lange bleiben würde, war ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst. Hätte er eine Ahnung gehabt was noch auf ihn zukommen würde dann hätte er vermutlich den nächstbesten Moment zur Flucht genutzt. Egal wie es ausgegangen wäre.

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Hi^^
Ich fahre jz zu Beginn der Sommerferien erstmal die 6 Wochen weg,daher kann ich in dieser Zeit nicht posten.

Es würde mich übrigens sehr freuen wenn der ein oder andere mal sagt wie er die story so findet. Ein bisschen "verbales" Feedback:)

Ich beantworte auch alle Fragen, falls es welche geben sollte.

Lg

Wenn Angst - zu Liebe wird Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt