Mitten auf dem Silber glänzenden Siziertisch lag die zugedeckt Leiche eines Menschen.
Bens Entführer.
"Guten Tag,Herr Gerkhan, also....",der Gerichtsmediziener schlug das weiße Laken zurück,sodass das blasse Gesicht des Toten sichtbar wurde.
Der Mann sah bei weitem nicht aus wie ein Massenmörder und Entführer - wenn es dafür überhaupt festzulegende Kriterien gab. Auch als er ihn in der Apotheke getroffen hatte wirkte er auf ihn absolut charmant und bodenständig.
"....dieser Mann," der Mediziner fuhr fort,"....hat sich nicht selbst das Leben genommen. Und vorallem scheint er nicht durch einfache bloße strangulation gestorben zu sein." Er deckte die Leiche weiter auf,sodass die Fußsohlen sichtbar wurden. "Er muss eine ganze Weile auf einem Stuhl oder Hocker gestanden haben, ehe diesen jemand weggetreten hat."
"Folter?"
"Wenn Sie es so nennen wollen," der Gerichtsmediziner wandte sich nun den Händen der Leiche zu.
"Mir wurde zugetragen,dass er Menschen erschossen haben soll....aber an seinen Händen finden sich keine Schmauchspuren."
"Also hat er nicht geschossen, " schlussfolgerte Semir laut und musterte seinen Gegenüber.
"So ist es."Der Beamte nickte, als sein Handy zu läuten begann.
"Frau Krüger?"
"Herr Gerkhan, es gab einen Schusswechsel mit Todesfolge."
"Und warum rufen sie mich dafür an?Ich habe gerade etwas wichtiges bezüglich Bens Fall zu tun."
"Bonrath und Herzberger waren in die Schießerei verwickelt. Der Zivilist beziehungsweise Angreifer ist dabei ums Leben gekommen. Und er ist ein nicht ganz unbekanntes Blatt."**********Andrea &Aida********
Leise klopfte das kleine Mädchen an das Krankenzimmer ihres lieblingsonkels.
Keine Reaktion.
"Vielleicht schläft er ja. Zuhause schläft er auch immer so lange."
Andrea öffnete vorsichtig die Tür und lugte herein. Der junge Mann lag augenscheinlich wach in seinem Bett, wandte den Kopf mit starren Augen von rechts nach links. Seine Hände waren ans Bettgestell fixiert und ein breiter Ledergurt zierte seine Brust. Seine Augen schwammen in Tränen.
Aida starrte Ben mit geweiteten Augen an, bewegte sich langsamen Schrittes auf ihn zu , kletterte über den,neben dem Bett stehenden, Stuhl zu ihm auf die Matratze.
Zart berührten ihre filigranen Finger die kratzige Wange des Verletzten, welcher daraufhin zu wimmern began:"Nein.Nicht.Nicht anfassen." Er versuchte seinen Kopf zu entziehen.
Vergeblich.Das Mädchen drehte ihrer Mutter traurig den Kopf zu:"Was hat er denn? Was hat mein Ben?", sie drehte sich zu diesem zurück,strich ihm über die abstehenden Haare, "Was hast du denn ,Ben?"
Tränen rannen aus den kleinen Kulleraugen,tropften auf die Hand des Polizisten.Der Angesprochene reagierte nicht wirklich, starrte weiter apathisch gegen die Decke. Immer wieder rief er ängstlich,verwirrt:"Nein,lass das. Ich will das nicht."
Andrea stand verzweifelt neben ihm.
Was sollte sie tun?
"Nicht anfassen. Fass mich nicht an."Ben versuchte sich so gut es ging zusammenzukrümmen, wie unter einem Peitschenschlag schrie er auf.
"Pscht Ben,alles ist gut,"Aida lächelte tapfer und began leise zu singen. Sie wollte ihn durch ihre zarte Stimme beruhigen und obwohl ihre kleinen Hände ihn ununterbrochen berührten und streichelten ebte die viel zu schnelle Atemkurve langsam ab. Er wurde ruhiger. Schläfriger. Seine Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen.
"Ruhig Ben, schlaf gut." Aida streichelte dem Kranken über die warme Stirn,lächelte ihn an.Der junge Polizist kämpfte gegen die Müdigkeit an. Er wollte nicht schlafen. Sobald er die Augen schloss, konnte Maximilian sich über ihn her machen. Da war er wehrlos.
Selbst im Tod beherrschte Maximilian sein Leben.In dem Moment öffnete sich auch die Tür zum Krankenzimmer und der in weiß gemantelte Arzt trat lächelnd herein.
Seine Stirn zierten dennoch Sorgenfalten."Was hat er?" Andrea wandte sich an den Mediziner , deutete auf den im Bett liegenden.
"Tut mir leid,das unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht," entschuldigend blickte er seinem Gegenüber ins Gesicht, trat an das Bett des mittlerweile schlafenden Patienten und beobachtete die Monitore:"Er sollte sich auf keinen Fall aufregen. Aufregung ist momentan Gift für seinen Körper."
Er lächelte das kleine Mädchen an, zwinkerte ihr zu :"Dann bist du sicherlich dafür verantwortlich,dass er sich so schnell beruhigt hat? Das hast du sehr gut gemacht." Aida grinste bis über beide Ohren,nickte heftig.
"Kannst du mir verraten wie du das geschafft hast? Dann können die Schwestern das ebenfalls machen,wenn du nicht da bist."
"Ich habe ihm etwas vorgedrungen," ihre Stimme war leise, trotze dennoch vor Stolz, "...Was mein Ben denn? Wir haben ihm Angst gemacht?"Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage.Der Arzt schien zu überlegen, das sah man ihm an. Rechtlich bewegte er sich auf einem sehr schmalen Grad, wenn er trotz der vorherrschenden Schweigepflicht anderen die Untersuchungsergebnisse preis gab. Die einzige Ausnahme war die Polizei und je nach Fall anderen medizinischen Einrichtungen. Auch wenn es moralisch und menschlich manchmal schwer mit sich zu vereinbaren war, so wollte er in erster Linie seinen Job behalten.
"Weißt du Kleines,...dein Ben ist noch ein bisschen krank. Er muss ganz viel schlafen."
Mit dieser Antwort schien Aida völlig zufrieden zu sein,lediglich eine Frage brannte ihr noch unter den Nägeln:"Aber er wird doch wieder gesund,oder?"Der Mediziner wechselte unauffällig ein paar Blicke mit Andrea, welche ihn jedoch genauso interessiert ansah.
Er räusperte sich :"Nunja..."
Wie sollte er einem Kund erklären
,dass der Körper zwar heilen würde, die Seele aber für immer Risse hatte? Er hatte schon viele Menschen jeglichen Alters gesehen, die nach solch einem Erlebnis nicht die Kurve bekommen hatten.
Manche stürzten komplett ab und versanken in sich selbst. Andere kämpften seither mit Panikattacken, Angststörungen, sozialen Problemen oder Essstörungen.
Er seufzte,setzte sein warmes Lächeln wieder auf:"Natürlich wird er wieder gesund. Er muss dafür nur noch viel mehr schlafen."Es tat dem Arzt innerlich weh dieses Mädchen zu belügen und auch dessen Mutter schien dies bereits gemerkt zu haben.
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Wenn Angst - zu Liebe wird
Randomhttps://gofund.me/ca55a4d9 Ben ist Polizist. Er gerät in die Fänge eines Menschenhändlerrings. Der junge Mann wird lernen müssen zu lieben, um zu überleben.