"Hotte, schnell, komm her. Hilf mit," Dieter schrie seinen starren Partner an, "Du musst mir helfen die Blutung zu stoppen." Er atmete konzentriert:"Alles wurd gut Ben, alles gut. Halt durch, du schaffst das." Mit zitternden Fingern drückte der lange Polizist seine Jacke , welche er sich soeben von den Schultern gerissen hatte, auf das Loch in der rechten Brust des jungen Mannes.
"Wir brauchen einen Notarzt!"Hotte stand reglos im Raum. Tranceartig wanderte sein Blick über den Körper der toten Frau und zu Ben. Er hatte einen Menschen getötet, um einen Freund zu retten, der nun mit Pech trotzdem sterben würde - nur weil er nicht richtig getroffen hatte. Hätte er auf die Hand oder den Arm geschossen,dann hätte Thilde vielleicht nicht mehr abdrücken können oder die Pistole so verzogen,dass der Schuss die Schulter,mit Glück den Arm , anstatt der Brust getroffen hätte. Oder vielleicht hätten sie die Frau zur Vernunft bringen können und es wäre gar kein Schuss gefallen.
Es dauerte eine Weile bis der Polizist merkte, dass er noch immer sein Telefon am Ohr hatte, an dessen anderem Ende Semir verzweifelt seinen Namen schrie. Er schluckte.
"Semir, es tut mir leid- ich wollte das nicht, wirklich nicht. "
"Was ist los ? Rede mir mir Hotte!", allmählich wich die Verzweiflung einer latenten Wut . Wut über seinen Kollegen, der um den heißen Brei herum redete, obwohl er offensichtlich eine Hiobsbotschaft für ihn hatte. Vielleicht ging es um Ben.
Was wenn Hotte ihn gefunden hatte- vielleicht tot, vielen achwer verletzt, aber wenn dem so wäre...Warum hatte er gesagt er habe Mist gebaut ? In semirs Kopf spann sich ein grauenhafter , dennoch nicht abwegig erscheinender , Film zusammen.
"Wir haben alle drei gefunden . Die Zielperson ist tot, ich musste sie erschießen- glaube ich...Ich...Sie hat im Todeskampf abgedruckt...Ben..."
"Ist er tot?!"
"Nein...also...sie hat ihn in die rechte Brust getroffen, aber...""Hotte, jetzt hilf mir endlich...Fuck...Keim Puls! Wo bleibt der Notarzt?! Hotte!"
"Ihm geht's den Umständen entsprechend. Er ist bei Bewusstsein...Nein...reden kann er gerade nicht. Ich sage dir bescheid wenn ich weiß in welche Klinik er kommt."
Er wollte Semir nicht dir Wahrheit sagen. Noch einen Partner zu verlieren würde er nicht verkraften.
Dennoch würde er irgendwann die Wahrheit über Bens Zustand erfahren, spätestens im Krankenhaus - wenn er bis dahin überleben sollte. Er steckte sein Handy wieder in seine Hosentasche,fuhr sich mit fahrigen Bewegungen durchs Gesicht und ging zurück zu seinem Partner, der nach wie vor verzweifelt um Bens Leben kämpfte.
"Hotte! Jetzt hilf mir und drück die Wunde ab!"
Dieter drückte Hotte den Stoff in die Hände, führte die Reanimation weiter.
"Wo bleibt der Noarzt?!"
"Ist unterwegs, einen Moment noch," rief einer der anderen Kollegen zurück.Einen Moment.
Sie hatten keinen Moment mehr. Hier ging es um das Leben eines Menschen . Es zählte jede Minute. Jede Sekunde konnte über das Schicksal des jungen Mannes entscheiden.
Was tat man in einer solchen Situation?
Sollte man mit dem Verletzten reden, ihn beruhigen, selbst wenn er nicht bei Bewusstsein war?
Sprach man ihm Mut zu, oder insgeheim doch nur sich selbst?
Wie sollte man damit umgehen ? Mit dem Gedanken ,dass man einen Menschen- vielleicht zwei- auf dem Gewissen hat?
Menschen, die noch ein paar Jahre vor sich gehabt hätten.
Ben- er würde vielleicht sterben. In der Blüte seines Lebens. Ohne Freundin, ohne Familie."Ben, du musst kämpfen, bitte. Tu Semir das nicht an - er verkraftet es nicht wenn du jetzt stirbst. Wir auch nicht . Wie soll ich denn damit umgehen? Es tut mir so unendlich leid," der beleibte Polizist drückte schluchzend den Brustkorb des jungen Mannes ein.
"Es ist nicht deine Schuld, das weißt du,oder ? Ohne deine Reaktionsschnelle wären Ben und ich längst tot. Sie hätte uns abgeknallt, du hättest sie nicht zur Vernunft bringen können. "
"Meinst du?"
"Ja, 100% und wenn Ben wieder gesund ist, dann wird er dir das Bestätigen. Da bin ich mir sicher." Dieter lächelte gestresst. Auch er war blass und schwitzig. Er fragte sich wie lange sie Ben noch reanimieren konnten- ab wann das Gehirn so unterversorgt war,dass irreversieble Schäden entstanden.Er hoffte, dass Ben kämpfen würde.
Für sich und für alle anderen.
DU LIEST GERADE
Wenn Angst - zu Liebe wird
Randomhttps://gofund.me/ca55a4d9 Ben ist Polizist. Er gerät in die Fänge eines Menschenhändlerrings. Der junge Mann wird lernen müssen zu lieben, um zu überleben.