Kapitel 48

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Ich habe keine Ahnung wie lange ich hier schon liege. Zwischendurch bin ich bestimmt eingeschlafen- oder auch nicht. Immer wieder höre ich sie. Die Schreie. Schüsse. Erneute Schreie. Schritte, die immer näher kommen. Und dann verstummen sie. Immer wieder flehe ich leise: ,,Ich bin hier. Erschieß mich doch" Aber niemand erhört meinen Wunsch. Vielleicht sollte ich einfach...

Meine Augenlieder flattern auf. Ich schaue mich um. Die gleiche Umgebung, wie gerade eben. Natürlich, was habe ich auch anderes erwartet. Ich hab es Satt. Ich kann nicht mehr warten. Mit Hilfe des Baumes neben mir, stemme ich mich hoch. Meine Beine sind schwer wie Blei. Ich blicke mich in der Umgebung um. Nehme sie zum ersten Mal wieder richtig wahr. Etwas blaues fällt in meinen Blickwinkel- und es ist nicht der Himmel. Ohne hohe Erwartungen humpele ich darauf zu. Ich bin immer noch schwach. Es ist eine Klippe. Ich stehe auf einer Klippe. Ein leichtes Lächeln setzt sich auf meine Lippen. Ich rieche Befreiung. Befreiung, die ich brauche. Nur noch ein Schritt. 

Niemand wird mich aufhalten. Niemand wird es wollen... Ich rutsche ein Stück mit den Füßen nach vorne. Dann komme ich ins Schwanken. Während ich meine Augen schließe, lasse ich mich endgültig fallen. Ich denke an nichts mehr. Ich fühle nichts mehr. Es gibt nur noch mich und die Frische Luft. Dann werde ich vom Wasser verschlungen. Die Kälte überrascht mich kurz. Lässt einen Schock durch meinen Körper ziehen. Und dann lasse ich mich erneut treiben. Der Strom zieht mich mit. Steine streifen an mir vorbei. Schleifen an meiner Haut entlang. Hinterlassen höchstwahrscheinlich rote Blutstriemen im Wasser. Aber es interessiert mich nicht. Nicht mehr. Ich bin endlich frei.













***

Keuchend schlage ich meine Augen auf. Ich schaue mich um. Die weiche Matratze unter mir gibt nach. Warte, die weiche Matratze? Ich reibe mir die Augen. Nehme einen vertrauten Geruch wahr. Aiko... Sofort falle ich dem Mädchen vor mir in die Arme. ,,Aiko", flüstere ich in ihren weichen Pulli. Das Mädchen vor mir lacht etwas verwirrt. ,,Was ist den los mit dir? Du tust ja so, als hätten wir uns seit einem Jahr nicht mehr gesehen, dabei bist du nur kurz eingeschlafen", sagt sie. Ich schüttele heftig den Kopf. Das kann doch nicht alles ein Traum gewesen sein, oder? Andererseits- ich lächele. ,,Natürlich, aber ich kann halt keine Sekunde ohne dich", scherze ich. ,,Meine Mum hat Essen gemacht", erwähnt Aiko jetzt und deutet auf das Tablett, welches auf dem Tisch neben uns steht. Ich grinse. ,,Gut, ich hab einen Bärenhunger." Von dem Tablett nehme ich mir einen Teller des leckersten Auflaufs überall. Ich übertreibe nicht. Aikos Mutter hat schon immer das beste Essen gekocht.  

Wir krümmen uns lachend, während sie mir erneut das Video auf dem Bildschirm zeigt. ,,Ich kann nicht glauben, dass wir das früher gemacht haben", sage ich immer noch lachend. Meine Freundin neben mir schnappt nach Luft. Kopfschüttelnd erwidert sie: ,,Ich auch nicht." ,,Das war schön", sage ich lächelnd. Sie nickt. Gott, wie ich dieses Mädchen liebe.

Wach auf

,,W- was?", frage ich verwirrt, während mein Kopf in die Richtung von meiner Freundin schellt.

Du musst aufwachen.

Verwirrt schaut Aiko mich an. ,,Was meinst du?", will sie wissen. Ich fange an zu stottern. Schluckend sage ich: ,,Ist egal. Ich hab mir nur gerade eingebildet, dass du etwas gesagt hast." ,,Geht es dir gut?", fragt Aiko. Ich schüttel den Kopf. Dann nicke ich, gefolgt von einem erneuten Kopfschütteln. ,,Ich- hab nur so ein komisches Gefühl", antworte ich. ,,Lass uns spazieren gehen", schlägt meine Freundin vor. Ich kaue auf meiner Unterlippe herum. Schließlich stimme ich zu.

Zusammen verlassen wir ihr Haus. Der kalte Wind begrüßt uns, während wir über die Türschwelle treten. Es kommt mir erneut so- widerlich bekannt vor. Es erinnert mich an meinen... Traum. Ja, es muss ein Traum gewe-

Komm schon, komm zurück.

Abrupt bleibe ich stehen. Aiko dreht sich zu mir um. ,,Mei, was ist los?", fragt sie nun. In ihren Augen funkelt etwas auf. Ich weiß nicht, was es ist. ,,Ich- Aiko... Was wäre, wen du gestorben bist. Schon vor einiger Zeit. Was würdest du mir raten, ich meine... Theoretisch", bringe ich heraus. Kein einziges Wort aus diesem Satz ergibt Sinn. Sie scheint ein bisschen verwirrt zu sein. Trotzdem scheint sie es zu verstehen: ,,Ich würde dir raten, nicht aufzugeben. Weißt du noch, dass haben wir schon früher immer gesagt. Als Kinder. Du hast es mir versprochen. Aber- was ist das für eine komische Frage?"

Wach auf!

,,Ich- ist schon okay", stottere ich. Unser versprechen. Stimmt... Das habe ich total vergessen. 

Wach auf!

Die Stimmen werden lauter. ,,Aiko, ich liebe dich... So dolle", flüstere ich. Eine Träne läuft meine Wange herunter. ,,Ich dich auch", antwortet meine Freundin, bevor sie mich in eine feste Umarmung zieht. ,,Du verstehst nicht, wie sehr ich dich liebe. Ich kann das nicht ohne dich", murmele ich in ihre Schulter. ,,Nein, du verstehst es nicht. Ich werde immer, und wen ich immer sage meine ich immer, für dich da sein! Ich werde immer hier drinne sein", spricht sie. Jedes Wort betont sie, während sie am Ende eine Hand an mein Herz legt. Meine Augen schließend, klammere ich meine Hand in ihren Arm. 

Crazy games (Chishiya FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt