Ich drehe meinen Kopf leicht und atme schwer, wobei ich versuche, meinen Atem zu beruhigen.
Lestat zieht sich endlich aus mir zurück und lässt meine Handgelenke los. Sofort fangen meine Finger an zu kribbeln, weil er so fest zugedrückt hat. Lestat kleidet sich an und ich drehe mich zur Seite, massiere abwechselnd meine Handgelenke und mustere sein Gesicht.
Mittlerweile habe ich mich schon fast daran gewöhnt, dass er mich morgens und abends beansprucht. Wobei ich es morgens mehr hasse, während ich mich abends schon fast darauf freue.
„Ich lasse dir etwas zu Essen bringen." Sein Standardsatz. Jeden Abend wünscht er mir eine Gute Nacht und morgens hebt er wieder hervor, dass er mich nicht hungern lässt. Wie er wohl reagiert, wenn ich ihm mal einen schönen Tag wünsche?
Nachdem er weg ist, ziehe ich mich an und setze mich an die Sitzecke, bis das Tablett mit Wein und Zwieback kommt. Dann esse ich einen Teil, trinke etwas und schaue mich wieder im Zimmer um.
Inzwischen habe ich den Boden schon zwei Mal geputzt, diverse Möbel abgewischt und sogar das Regal komplett ausgeräumt, ausgewaschen und wieder eingeräumt. Alles nur, damit ich einen Grund habe, um die Kajüte zu verlassen, seit ich es endlich wieder darf. Und falls ich jemandem begegne, habe ich eine Ausrede, weil er es mit Sicherheit Lestat erzählen wird.
Mein Blick gleitet zum Bett und ich rümpfe die Nase. Ich gehe rüber, ziehe das Bettzeug ab und schnappe mir das Laken. „Uh, wie das stinkt", gebe ich von mir. Trotzdem wickle ich das Zwieback und die Weinkaraffe darin ein und verlasse die Kajüte, um direkt zu Nouel zu gehen.
Fünf Tage hatte Lestat mich eingesperrt. Aber Nouel war tagsüber in leeren Quartieren und hat dort Wein, Rum und Zwieback gefunden, sodass er die letzten Tage durchkam. Seit ich aber wieder raus kann, versorge ich ihn. Und seit ein paar Tagen ist es laut Nouel auch ruhiger unter Deck.
Er vermutet ja, dass Lestat nach ihm gesucht hat. Ich denke hingegen, er hat Esteban gesucht. Warum sonst sollte Lestat mich einsperren? Nouel ist ja keine Gefahr für mich.
Leise öffne ich die Tür, schaue mich nochmal um und gehe dann in das kleine Lager. Hier werden die langen Stoffe für die Segel gelagert, falls eines durch ein Unwetter oder eine Kanonenkugel reißt, wie Nouel mir erklärte. Bisher war es ruhig, also wurden die Stoffe auch nicht gebraucht.
Im Flüsterton frage ich: „Nouel? Bist du da?"
Manchmal ist er auch unter Deck unterwegs. Ich kann ihm zwar die Hälfte von meinem Anteil geben, aber das reicht nicht immer. Obwohl ich glaube, dass Lestat mir mehr gibt, als den anderen Frauen.
Ich höre ein Rascheln und Nouel kommt hinter einem Segel hervor. Er sieht etwas verschlafen aus und kämmt sich mit den Fingern seine langen und zerzausten Haare etwas zurück. „Alisea. Da bist du ja wieder. Geht es dir gut? Weißt du, wann wir in Athen ankommen?"
Bevor ich auf die beiden Fragen antworte, hole ich den Proviant und werfe das Bettlaken danach einfach auf den Boden, um Nouel etwas zu Trinken und zu Essen zu reichen. „Nein, ich weiß nicht, wann wir Athen erreichen. Vermutlich erfahre ich es erst, wenn Lestat mich wieder in der Kajüte einsperrt. Vielleicht bringt er mich auch zu den Frauen und fesselt und knebelt mich dort."
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Von Sklavenhändlern verschleppt
Historical FictionWir schreiben das Jahr 1771. Alisea de Marchand hat beinahe alles, was sich eine junge, adelige Frau nur wünschen kann. Zumindest glaubt man dies auf dem ersten Blick. Sie ist jung, reich und hübsch. Und einem Grafen versprochen, den sie nicht heir...