Ich schwimme zurück in Richtung Strand und erst, als ich mit den Füßen den Boden berühren kann, mache ich langsamer und schaue über meine Schulter zurück. Allerdings ist Lestat nur kurz hinter mir. Wieder muss ich grinsen, denn ich hätte nicht gedacht, dass er eine so kindliche, verspielte Seite an sich hat, auch wenn er sich große Mühe gegeben hat, Ernst zu bleiben. Allerdings war er es auch, der mich zuerst ins Wasser schubste.
„Ich habe dich!" Mit den Worten greift er von hinten nach meinen Haaren und ich falle wieder ins Wasser, obwohl es schon ziemlich flach ist.
Ich lande auf meinem Hintern und tauche mit dem Gesicht wieder unter Wasser. Dabei greife ich schnell nach seinen Füßen, weil er an mir vorbeilaufen will.
Auch er fällt dadurch wieder ins Wasser und taucht mit einem lachenden Gesicht wieder auf. „Du willst ja nur vor mir am Strand sein!"
Nachdem ich wieder einen sicheren Stand habe, reiche ich Lestat die Hand und kann fast gar nicht aufhören, zu grinsen. „Dann komm, gehen wir zusammen an den Strand. Und wenn du so weiter machst, muss ich noch pitschnass zurück an Bord. Willst du wirklich, dass ich so über das Deck laufe?" Dabei deute ich auf mein Kleid, das an mir klebt.
Er neigt seinen Kopf zur Seite und schaut mich amüsiert an. Aber dann schüttelt er den Kopf. „Wir sollten uns wirklich noch ein wenig in die Abendsonne legen und dabei dein Kleid etwas trocknen." Lestat greift nach meiner Hand und hakt seine Finger zwischen meine. Wir gehen an den Strand, bis wir eine Stelle gefunden habe, auf der wir bequem auf einem flachen Felsen sitzen können.
Von hier aus haben wir einen wirklich schönen Blick auf den Sonnenuntergang und ich ertappe mich dabei, dass ich mich an Lestat anlehne. Selbst, als die Sonne schon untergegangen ist, bleiben wir sitzen. Es ist noch warm genug, sodass mein Kleid sogar halbwegs getrocknet ist.
Von der Seite mustere ich Lestat nachdenklich. „Darf ich dich etwas fragen?"
„Was willst du denn wissen?"
„Die Zeit, als ich meine Erinnerungen nicht hatte... Denkst du hin und wieder daran? Und wieso hast du mich da in dem Glauben gelassen, ich sei deine Frau?"
Sein Gesichtsausdruck wird schlagartig ernst und er schaut auf das Meer hinaus. Dann seufzt er leise. „Du hast es gedacht. Ich war mir nicht sicher, ob du mich verarschst." Er schließt seinen Mund wieder und beißt auf seiner Unterlippe herum.
Das kann doch nicht seine Antwort gewesen sein? „Hast du die ganze Zeit geglaubt, ich mache dir etwas vor?", hake ich daher nach.
„Nein." Wieder ist er still, aber jetzt sieht er zu mir. „Du hast eben anders gewirkt... unbeschwerter... vielleicht, aber nur vielleicht, wollte ich dir das nicht nehmen. Jedoch weiß ich das selbst nicht so genau. Genügt dir das als Antwort?"
Ich schweige einen Moment, denn die Antwort genügt mir nicht. Allerdings hat er mir ja noch nie gesagt, was er denkt oder fühlt. Und wenn ich ehrlich sein soll, so habe ich es auch nie gemacht. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich den ersten Schritt mache. „Ja, ich war glücklich, so ganz ohne Erinnerungen. Und ich fand, dass mein Mann wirklich gut aussieht und ich mich glücklich schätzen kann als seine Frau." Während ich weiterrede, mustere ich sein Profil und hoffe, ich kann darin wenigstens etwas lesen. „Du warst nett zu mir und hast viel gelacht. Ich hoffe, dass du mir an diesen Tagen nichts vorgemacht hast, sondern dass du tief in deinem Innern wirklich so bist. Denn manchmal wünsche ich mir Christoph zurück."
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Von Sklavenhändlern verschleppt
Historical FictionWir schreiben das Jahr 1771. Alisea de Marchand hat beinahe alles, was sich eine junge, adelige Frau nur wünschen kann. Zumindest glaubt man dies auf dem ersten Blick. Sie ist jung, reich und hübsch. Und einem Grafen versprochen, den sie nicht heir...