Ich zwinge mich in die Schuhe und stöhne unter Schmerzen auf. Dabei halte ich nur mühsam die Tränen zurück und lege den Kopf leicht in den Nacken, um sie wegzublinzeln. Vorsichtig gehe ich ein paar Schritte und beiße dabei die Zähne zusammen. Ich gucke in den Spiegel und zwinge mich zu einem Lächeln, obwohl ich am liebsten weinen möchte.
Ninette hat mir heute früh wieder das Essen gebracht, meine Haare frisiert und mir in das Kleid geholfen. Danach ist sie gegangen und ich habe den ganzen Morgen gebraucht, bis ich meine Übelkeit in den Griff bekommen habe. Hoffentlich ist das bald vorbei mit der Übelkeit, denn selbst der Geruch vom Blut lässt mich mittlerweile würgen. Dabei muss ich mir am Tag fünf bis sechs Mal im dem Fuß schneiden, um meine Blutung vorzutäuschen.
Ich atme tief durch und lege eine Hand auf meinen Bauch. „Und wenn ich mir den Fuß abhacken muss, damit ich so das Kind behalten kann! Es ist alles, was ich von Lestat noch habe!"
Auch wenn es mir schwerfällt, aber ich muss mich zusammenreißen. Kritisch schaue ich in den Spiegel. Keine Tränen, sehr gut. Es wäre fatal, wenn man mir meine Schmerzen ansieht. Wobei ich mich frage, ob die körperlichen Schmerzen wirklich überwiegen.
'Kopf hoch und lächeln, Alisea. Immer schön lächeln.'
Langsam gehe ich zur Tür und bereite mich dabei jedes mal auf den Schmerz vor, damit ich mich nicht durchs humpeln verrate. Dann öffne ich die Tür, verlasse mein Zimmer und gehe zur Treppe. Scheiße, die muss ich ja auch noch hinunter gehen. Und später wieder hoch.
Ganz vorsichtig setze ich einen Bein nach dem anderen und halte mich dabei an dem Geländer fest. Zum Glück ist meine Hand nicht gebrochen, aber die Finger sind trotzdem noch ganz blau. Daher trage ich blickdichte, dunkelblaue Handschuhe, passend zu meinem Kleid.
Eine halbe Ewigkeit später bin ich endlich unten im Foyer angekommen. Ich muss schneller gehen, damit es nicht auffällt, wie stark die Schmerzen sind. Ich gehe ein paar Schritte in das Foyer hinein und sehe mich um. Wo entlang geht es zum Garten? Allerdings bleibt mir eine lästige und schmerzhafte Suche erspart, denn ich sehe gerade Ninette, die aus einem Zimmer kommt und stockt, als sie mich sieht. „Kann ich Euch helfen?" Sie kommt auf mich zu.
Ich schaue zu Ninette und lächle sie an. Wie gern würde ich sie fragen, ob sie mir von dem jungen Lestat erzählen mag. Aber ich darf mich ihr gegenüber nicht verraten.
'Sei deinen Freunden nah und deinen Feinden noch näher.'
Daher nicke ich und mache dabei eine ausladende Geste. „Ich wollte nun doch in den Garten gehen. Aber ich möchte dir keine Umstände bereiten. Ich muss nur die Richtung wissen." Langsam gehe ich auf Ninette zu und schaue dabei in die Richtung der großen Zimmer zur meiner rechten Seite.
„Oh, da müsst Ihr am Jagdzimmer vorbei. Folgt mir!" Sie lächelt mir zu und deutet ausgerechnet zu der Tür, die am weitesten entfernt ist. Also beiße ich die Zähne zusammen und folge ihr. Dabei betrachte ich wieder die Wände und gebe vor, die Gemälde zu bewundern, um langsamer zu gehen. „Sind das Vorfahren von Graf deRoux?"
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Von Sklavenhändlern verschleppt
Historical FictionWir schreiben das Jahr 1771. Alisea de Marchand hat beinahe alles, was sich eine junge, adelige Frau nur wünschen kann. Zumindest glaubt man dies auf dem ersten Blick. Sie ist jung, reich und hübsch. Und einem Grafen versprochen, den sie nicht heir...