Lestat steckt den Ring wieder ein. „Eigentlich wollte ich dich nicht verkaufen, sondern mit meinem Vater Roux noch mal verhandeln. Aber da es nichts Sicheres ist, wollte ich es dir nicht sagen."
Vater Roux? Er meint wohl, Graf Roux. Aber was bringt es, wenn er neu verhandelt? Ich lande bei einem anderen Mann und es ändert sich gar nichts für mich. Ich hätte nie mit Christos mitgehen dürfen. Mir war doch klar, dass er nichts Gutes im Sinn hatte. Alle Männer sind gleich. Warum mache ich mir überhaupt noch Hoffnungen?
Es ist mir nicht möglich, mein Leben selbst zu bestimmen. Ich werde niemals frei sein! All meine Wünsche und Hoffnungen muss ich ein für alle Mal aus meinem Kopf verbannen und mich damit abfinden, bloß zum ficken und Kinder kriegen gut genug zu sein.
Lestat greift nach meiner Hand und ich halte die Luft an, um nicht zu zittern. Obwohl es wirklich warm ist, friert es mich. Aber der Pirat merkt es nicht und geht mit mir in Richtung Hafen. „Wir sind noch nicht in Konstantinopel. Das wird unser nächster Hafen."
Ich nicke lediglich und schaue in den wolkenlosen Himmel. Ich mochte den Sommer schon immer lieber als den kalten, trostlosen Winter. Wahrscheinlich ist es das ganze Jahr über warm hier.
Also hört meine Odyssee endlich am nächsten Hafen auf. Ich gebe zu, dass ich mittlerweile einfach keine Kraft mehr habe. Ohne Nouel ist es sinnlos geworden. Und ich bin für den Tod weiterer Menschen verantwortlich. Das Blut kann ich abwaschen, aber die Schuld wird ewig bleiben.
Eigentlich habe ich mein Schicksal mittlerweile mehr als nur verdient. Es ist sicher besser so, wenn ich in einem Harem weggesperrt werde.
Lestat geht gemütlich neben mir her, als wäre es ein ganz normaler Spaziergang. Allerdings hat er meine Hand fest im Griff. Mich loszureißen wäre sinnlos. Ich kann ja eh nichts an meinem Leben ändern.
Wir nähern uns dem Hafen und ich sehe die Black Curesana schon von Weitem. Das war's nun. Also schaue ich wieder in den Himmel und genieße einfach noch den Moment. In einem Harem werde ich sicherlich auch die Sonne sehen. Den Büchern nach ist es ein kleiner Palast in einem großen Palast. Lestat hatte von Anfang an recht, als er sagte, dass es mein Schicksal sei und es mir dort gut gehen würde. Und trotzdem hätte ich nichts dagegen gehabt, mit Lestat bis nach Indien zu segeln. Oder bis nach Amerika. Wobei mir Christoph lieber war als Lestat.
Lestat ist stehen geblieben und ich schaue mich wieder um. Wir stehen mittlerweile vor seinem Schiff.
Ich sollte traurig sein und weinen, vielleicht sogar betteln. Aber ich bin innerlich einfach nur leer und abgestumpft. Ich zittere auch nicht mehr. Und trotzdem kommt es mir so vor, als wenn ich nur noch funktioniere, weil ich es muss.
„Möchtest du noch ein wenig spazieren gehen?", fragt Lestat.
Nun schaue ich zurück zum Hafen und hebe dabei unweigerlich die Augenbrauen.
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Von Sklavenhändlern verschleppt
Historical FictionWir schreiben das Jahr 1771. Alisea de Marchand hat beinahe alles, was sich eine junge, adelige Frau nur wünschen kann. Zumindest glaubt man dies auf dem ersten Blick. Sie ist jung, reich und hübsch. Und einem Grafen versprochen, den sie nicht heir...