Die Nacht war unruhig. Alisea hat sich hin und her gewälzt und hat mich damit ständig wach gemacht. Doch ich wollte sie auch nicht wecken, sondern habe sie beruhigend gestreichelt, das reichte schon aus. Dadurch fühle ich mich aber überhaupt nicht erholt, muss jetzt jedoch aufstehen. So setze mich auf die Bettkante. Da reibe ich mir die Augen und schaue nochmal zu ihr. Sie sieht ein wenig aus wie ein Engel. Vielleicht ist sie das sogar. Mir gefällt die Alisea ohne Erinnerungen. Vielleicht kann ich sie am nächsten Hafen mal mitnehmen und mit ihr ausgehen.
Ich schüttele meinen Kopf und greife nach meiner Hose. Wem mache ich etwas vor? Ihr oder mir? Selbst wenn sie so bleibt, kann ich diese Fassade nicht ewig aufrechterhalten. Sowie ich sie gerade behandele, so wie ich zu ihr bin, so bin ich nicht! Ich bin nicht ihr verdammter Ehemann. Vielleicht sollte ich ihr einfach reinen Wein einschenken und ihr sagen, wer ich bin. Es kann durchaus sein, dass sie sich bald erinnert und dann wird es sicher schlimmer für uns beide.
Nachdenklich schaue ich noch einmal zu ihr. Sie schläft noch und sollte sich auch noch ausruhen. Also greife ich nach der Bettdecke und ziehe sie ihr über die Schulter, bevor ich meine Hose anziehe.
Als ich gerade meinen Gürtel schließe, höre ich sie fragen: „Liebst du mich, Christoph?"
Etwas zieht wie ein Blitz durch meinen Körper. Ob ich sie liebe? Nein, ob Christoph sie liebt! Ich bin nicht Christoph. Ich drehe mich zu ihr.
Etwas Merkwürdiges funkelt in ihren Augen. Sie sieht nicht mehr so fröhlich aus. Eher nachdenklich. Aber scheinbar erwartet sie wirklich eine Antwort von mir. Kann sie sich wieder an etwas erinnern? „Wie kommst du jetzt darauf?", frage ich.
„Ich weiß nicht. Du beantwortest meine Fragen nicht." Sie richtet sich nun auf, wodurch die Decke von ihrem Oberkörper rutscht. Allerdings zieht sie die Decke nicht wieder hoch, um ihre Brüste zu verdecken, wie es die alte Alisea getan hat. „Du weißt doch, wer ich bin, aber du erzählst mir nicht mal, wie wir uns kennengelernt haben. Stattdessen fragst du mich, ob ich weiß, wie ich an Bord gekommen bin." Ihre hellblauen Augen füllen sich mit Tränen, aber sie wendet den Blick nicht von mir ab. „Ich... Ich habe das Gefühl, dass du mir nicht vertraust. Und ich frage mich daher, ob ich dir vertrauen kann, Christoph."
Ich starre sie einen Moment an, denn ich weiß absolut nicht, was ich ihr dazu sagen soll. Das einzige Wort, was mir einfällt, wird sie wohl aus der Bahn werfen: Nein! Sie kann mir nicht vertrauen. Ich habe mir doch die letzten Tage nur etwas vorgemacht. Ich kann sie nicht wie ein Haustier hier ahnungslos halten. Sie hat die Wahrheit verdient und ich war noch nie ein Lügner. Deshalb fühlt es sich auch so falsch an, sie in dem Glauben zu lassen, ich sei jemand anderes. „Nein, kannst du nicht", antworte ich knapp.„Ich bin nicht Christoph Kolumbus. Mein Name ist Lestat und das hier ist ein Piratenschiff, meine Liebe." Ich stehe auf und greife nach meinem Hemd. Jetzt ist es raus und auch egal. Es war mir ja klar, dass es nicht ewig so weiter gehen kann und sie irgendwann wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkommt.
DU LIEST GERADE
Von Sklavenhändlern verschleppt
Historical FictionWir schreiben das Jahr 1771. Alisea de Marchand hat beinahe alles, was sich eine junge, adelige Frau nur wünschen kann. Zumindest glaubt man dies auf dem ersten Blick. Sie ist jung, reich und hübsch. Und einem Grafen versprochen, den sie nicht heir...