Dass ich einen Brief von meinem Vater habe, überrascht mich und ich frage mich, was er von mir will. Hat er erfahren, dass ich seine Braut habe? Wenn ja, was will er dann von mir? Fragen über Fragen, die ich mir nur beantworten kann, wenn ich ihn öffne. Ich sitze jedoch hier wie der kleine Junge, der ich damals war und traue mich kaum, den Brief anzufassen. Ich schlage mit der Faust auf den Tisch und ermahne mich selbst.
„Du bist schon lange nicht mehr so wehrlos!", schimpfe ich mich selbst aus. „Du bist verdammt nochmal ein PIRAT! Kein Feigling. Ich brauche niemanden mehr beschützen!" Dann atme ich nochmal durch und greife nach dem Brief. Am liebsten würde ich Ote rufen und ihn fragen, ob er ihn für mich öffnet, aber was wäre ich dann für ein Mann... ein feiger Hund, wie mein Vater mich immer bezeichnete.
So reiße ich den Brief auf und hole ihn aus dem Umschlag. Ich bin Lestat. Mein Vater hat heute Angst vor mir und nicht ich vor ihm!
...
Lestat, du schneidest dir mal wieder mit deinen Aktionen ins eigene Fleisch. Oder denkst du wirklich, du ruinierst mich, indem du meine Braut entführst? Sicherlich glaubst du, dass du mich und meine Handelsbeziehungen zu Marchand zerstörst, aber ich brauche diesen kleinen, erbärmlichen Baron nicht. Und seine anstrengende und verzogene Tochter erst recht nicht.
Allerdings gebe ich zu, dass sie einen gewissen Wert für mich hatte. Denn nur sie weiß, wo deine Mutter nun ist, wenn sie denn überhaupt noch lebt. Informationen, die nur Alisea de Marchand hat. Denn deine Mutter war die Gouvernante der kleinen Baronesse. Überrascht? Ich erzählte dir vor vielen Jahren absichtlich, dass sie starb, während du im Gefängnis warst und gehängt werden solltest. Es war mir ein inneres Fest zu sehen, wie du daran zerbrichst. In Wirklichkeit gab ich deine Mutter dem Baron de Marchand, der eine Gouvernante für seine Tochter brauchte.
Ursprünglich war geplant, dass der dumme Baron sie zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Weg schafft. Aber er hatte den Plan ohne seine Tochter gemacht, die deine Mutter außer Landes brachte, wie ich aus sicheren Quellen weiß.
Wahrscheinlich ist meine Braut schon längst tot oder du hast ihr die Zunge herausgeschnitten. Vielleicht hast du sie auch schon verkauft, bevor dich dieser Brief erreicht. So oder so, das Geheimnis um den Verbleib deiner Mutter ist damit unwiderruflich verschwunden. Sollte Alisea de Marchand allerdings noch leben, so bin ich an einer Auslieferung interessiert, jedoch nur, wenn sie in einem akzeptablen Zustand ist. Nenne mir einfach deinen Preis.
Allerdings wissen wir beide, dass es niemals so weit kommen wird. Denn du warst noch nie in der Lage dazu, das große Ganze zu sehen und du hast dir sicher nie die Frage gestellt, welches Interesse ich an der jungen Baronesse habe. Aber das wundert mich nicht. Du warst schon immer eine einzige Enttäuschung und hast in allem versagt.
Graf de Roux
...
Was soll ich davon halten? Muss ich etwas tun? Muss ich wütend sein? Mein Kopf ist wie leergefegt. Ich sitze wie versteinert mit dem Brief in der Hand da, bis es an der Tür klopft.
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Von Sklavenhändlern verschleppt
Ficción históricaWir schreiben das Jahr 1771. Alisea de Marchand hat beinahe alles, was sich eine junge, adelige Frau nur wünschen kann. Zumindest glaubt man dies auf dem ersten Blick. Sie ist jung, reich und hübsch. Und einem Grafen versprochen, den sie nicht heir...