Ich bin einfach nur erleichtert, als ich die Stimme von Lestat höre und würde mich am liebsten um seinen Hals werfen. Wenn er lebt, dann wurden die Meuterer besiegt und die Frauen leben!
Aber bevor ich meine Erleichterung zulasse, spricht einer der Männer, die ich gefesselt hatte und Lestat tötet ihn einfach. Unfassbar, wie viele Menschen ich heute sterben sah. Einen habe ich sogar selbst umgebracht. Es war so erschreckend einfach...
Ich schwanke zwischen Erleichterung, Ekel, Scham und reinem Entsetzen hin und her. Einzig die Flucht in Galgenhumor bewahrt mich davor, komplett die Fassung zu verlieren. Zu meiner Überraschung nimmt Lestat mich sogar in den Arm und ich weine mich an seiner Schulter aus. Es kommt mir so vor, als wenn er gerade genau weiß, was in mir vorgeht. Er ist wie der rettende Anker, an dem ich mich festhalten muss, denn sonst würde ich in den Fluten meiner eigenen Gefühle ertrinken.
Aber ich will mich nicht so gehen lassen, daher schlage auf ihn ein und schimpfe ihn aus, nur um mich doch wieder an ihn zu lehnen. Der Mann, ohne den ich diese Tortur gar nicht erst ertragen müsste. Der Mann, der doch an meinem Leid erst Schuld ist. Und trotzdem brauche ich ihn gerade einfach.
Es ist verrückt, aber es hilft mir tatsächlich und nachdem ich mich ausgeweint habe, fühle ich mich wirklich besser. Und auch Lestat merkt es wohl, denn er ruft Piraten ins Zimmer, damit sie die Leichen wegschaffen. Danach wendet er sich wieder mit zu. „Lass dir zeigen, wo Seife und Eimer sind und mach hier sauber." Mit den Worten lässt er mich zurück und ich stehe stocksteif da, bis die letzte Leiche aus der Kajüte geschleift wurde.
Ich stehe ewig einfach nur da. Nicht, weil ich den Boden nicht sauber machen will, sondern weil es mich plötzlich erdrückt, hier allein zu sein. Dabei war ich sonst immer froh, wenn Lestat weg war und ich die Kajüte für mich hatte.
Schnell verscheuche ich den Gedanken, nehme die Schüssel mit dem Wasser von gestern und mache rund um den Schreibtisch alles sauber. Aber dann ist das Wasser schon ganz rot und auch die Schwämme sind voller Blut.
Also nehme ich die Schüssel in beide Hände, gehe raus in den Flur und sehe, dass heute überraschend viel los ist in den Gängen. Einen Piraten frage ich, wo der Waschraum ist und er führt mich auf die andere Seite vom Schiff. Dort sind einige Fässer mit Meerwasser, Seife, Tücher und Schwämme. Also nehme ich mir neue Schwämme, ein paar Tücher und fülle einen Eimer mit sauberem Wasser.
Zurück in der Kajüte krieche ich von Blutlache zu Blutlache. Es nimmt einfach kein Ende. Der ganze Boden ist voller Blut und es ist teilweise schon eingetrocknet. Mittlerweile macht mir der Geruch sogar zu schaffen und ich fange hin und wieder an zu würgen.
Immer öfter gehe ich zurück, um sauberes Wasser zu holen und genieße es, halbwegs frische Luft zu atmen. Zudem schmerzt mein Rücken schon. Auch das Stück Seife ist aufgebraucht und ich nehme neue Seife mit. Auf dem Rückweg höre ich eine leise Stimme und glaube einen Moment, ich habe mir das nur eingebildet. Aber dann höre ich erneut, dass mein Name ganz leise gerufen wird.
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Von Sklavenhändlern verschleppt
Ficción históricaWir schreiben das Jahr 1771. Alisea de Marchand hat beinahe alles, was sich eine junge, adelige Frau nur wünschen kann. Zumindest glaubt man dies auf dem ersten Blick. Sie ist jung, reich und hübsch. Und einem Grafen versprochen, den sie nicht heir...