Wir schreiben das Jahr 1771.
Alisea de Marchand hat beinahe alles, was sich eine junge, adelige Frau nur wünschen kann. Zumindest glaubt man dies auf dem ersten Blick.
Sie ist jung, reich und hübsch. Und einem Grafen versprochen, den sie nicht heir...
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Der Sturm hat längst nachgelassen und ich bin müde. Doch Alisea ist bisher nicht aufgewacht und Enrico kam auch noch nicht. Sagte er nicht, er wolle nochmal nach ihr sehen? Vielleicht war ja etwas Ernsteres mit dem eingeklemmten Piraten.
Ich kann mich gerade selbst nicht verstehen, warum mir der eingeklemmte Pirat so egal ist. Das sollte es nicht. Ich bin der Kapitän und muss mich um solche Dinge auch kümmern. Doch ich war nicht einmal am Steuer oder habe mich auf Deck blickenlassen, als der Sturm war. Hoffentlich ist keiner über Bord oder verletzt.
Mein Blick wandert wieder zu meiner Kleinen. Ich sitze noch immer auf der Bettkante und streiche ihr wieder über die Hand. Sie wird nicht wach. Es war nur ein verdammter Moment der Unachtsamkeit und schon habe ich versagt! Wie kann so eine wunderschöne Frau nur so viel Pech haben?
Ich schaue hinter mich zur Tür. Wenn ich jetzt nicht langsam mal rausgehe und meinen Pflichten nachgehe, bringt es Alisea auch nichts. Wer weiß, was mit ihr passiert, wenn ich als Kapitän abgesetzt werde, weil meine Mannschaft mir nicht mehr traut. Weil ich eine Frau über sie stelle.
„Ach verdammt, Lestat!" Rede ich mit mir selbst. „Was ist nur aus mir geworden?" Ich muss mich jetzt zusammenreißen. Aber ich kann nicht mehr leugnen, dass die Kleine mir unter die Haut geht und ich so sehr hoffe, dass sie bald wieder aufwacht.
Trotzdem streiche ich ihr ein letztes Mal über die Wange und stehe auf. Der Seegang ist ruhig, sie wird nicht aus dem Bett fallen. Allerhöchstens werde ich nicht da sein, wenn sie aufwacht. Vielleicht sitzt sie wieder auf dem Sofa, wenn ich zurückkomme und ich habe mir umsonst Sorgen gemacht.
Ohne nochmal nach hinten zu sehen, gehe ich raus und verschließe die Tür hinter mir. Ich muss mich endlich nach den Schäden und der Mannschaft erkundigen. Auf dem Weg zu Enrico, kommt mir Ote entgegen.
Er bleibt sofort stehen und sieht mich musternd an. „Wo warst du die letzten Stunden? Christos meinte, Alisea sei verletzt. Was ist denn jetzt schon wieder mit ihr?" Er sieht müde aus und seine Kleidung ist noch völlig durchnässt. KeinWunder, dass sein Ton so anklagend ist, immerhin habe ich ihn völlig im Stich gelassen.
Ich straffe meine Schultern, denn ich kann nicht so geknickt vor ihm stehen. Auf seine Frage zu Alisea gehe ich jetzt nicht ein. Wahrscheinlich hält er es auch nicht fürvwichtig. Ich muss jetzt einen klaren Kopf bewahren vor ihm. „Gibt es denn Schäden oder Verletzte?"
„Maurice wurde eingeklemmt, er hat sich ein Bein gebrochen. Enrico meint, dass die Chancen gut sind und er nicht amputieren muss." Ote wischt sich über das Gesicht und gähnt laut. „An Deck war alles gut. Die Black Curesana wurde nur etwas durchgeschaukelt, mehr nicht. Das Unwetter war harmlos. Pepin ist jetzt am Steuer."
„Das hört sich doch gut an", entgegne ich. „Ich werde Pepin dann ablösen gehen." Eigentlich wollte ich zu Enrico, aber ich muss jetzt präsent sein und zeigen, dass ich meiner Mannschaft beiseite stehe. Meine Kleine wird es verkraften, dass ich nicht da bin und mir wird es auch guttun, sie ein paar Stunden aus dem Kopf zu bekommen. Wenn ich es denn schaffe.