Kapitel 55. Schmutzige Literatur

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Ich bewegte mich durch den Innenhof der Feste, während ich die letzten Strahlen der Sonne tankte, die es gerade noch so schaffte, über die eisigen Berge hinüberzuragen. Ein weiterer Tag neigte sich dem Ende, an dem wir uns nicht hatten gegen Dämonen verteidigen müssen, ein weiterer Tag, an dem wir einfach durchatmen konnten. Wie viele dieser Tage würde es wohl in der Zukunft noch geben? Sagen konnte ich es nicht. Beschweren wollte ich mich keinesfalls, denn nun, wo ich am eigenen Leibe erfahren hatte, wie gefährlich das Leben in der Inquisition sein konnte, schätzte auch ich dich ruhigen Minuten etwas, was mir damals gar nicht so aufgefallen wäre.

Hier und da grüßte ich Leute, die an mir vorbeigingen und mir nett zu nickten, stehen blieben, um sich kurz mit mir zu unterhalten oder mir einfach nur ein Lächeln entgegenbrachten. Alles war hier so anders vor meiner Zeit allein. Hin und wieder fühlte es sich noch ein kleines bisschen seltsam an, aber zum größten Teil hatte ich mich daran gewöhnt, so viele verschiedene Individuen um mich zu haben, mich zu unterhalten, zu helfen, wenn man mich darum bat und einfach die meiste Zeit des Tages in Gesellschaft zu verbringen. Personen, die mir damals ängstliche oder misstrauische Blicke zugeworfen hatten, grinsten mir nun mit ehrlicher Freude ins Gesicht. Selbst die letzten misstrauischen Seelen hatten sich nach den Ereignissen, die in der Feste der grauen Wächter geschehen waren, in angenehme Zeitgenossen verwandelt. Mit einem Lächeln auf den Lippen trugen meine Füße mich weiter durch das feuchte Gras, bis ich eine mir durchaus bekannte Person erblickte. Lady Penthagast hatte sich auf einer kleinen Kiste niedergelassen und steckte mit einer beeindruckenden Konzentration mit ihrer Nase in einem Buch. Irrte ich mich oder lächelte sie über beide Ohren? Sicherlich nur eine Halluzination meinerseits.

Mit einem freundlichen Lächeln bewegte ich mich auf sie zu, allerdings selbst, nachdem ich vor ihr zum Stehen gekommen war, schien sie mich nicht zu bemerken. Recht verwunderlich, wenn man wusste, dass diese Frau eine sonst immer sehr aufmerksame Kriegerin war, die nichts so einfach aus den Augen ließ. Ohne sie stören zu wollen, bewegte ich meinen Kopf langsam, aber voller Neugierde über ihre Schultern hinweg, um in ihr Buch zu sehen und zu meiner Überraschung fielen mir so einige Zeilen direkt ins Auge, die dafür sorgten, das sich eine meiner Augenbrauen einige Etagen nach oben bewegte. Bevor ich allerdings selbst meine Nase in das Buch stecken konnte, hörte ich eine Cassandra überrascht und auch ein klein wenig panisch aufatmen. Zum Glück gelang es mir noch rechtzeitig den Kopf wegzubewegen, denn ansonsten hätten sie mir bei ihrem stürmischen Aufspringen sicherlich ihren Hinterkopf ins Gesicht gerammt. Verblüfft blickte ich in ihre dunklen Augen, die mich ebenso überrascht ansahen, sich aber dann schnell wieder fingen.

"Hat man euch denn nicht gesagt, dass es äußerst unhöflich ist, sich so an andere heranzuschleichen. Ich hätte euch verletzen können". Grinsend verschränkte ich die Arme vor meiner Brust, während ich ihren kräftigen Blick erwiderte.

"Dann ist es ja gut, dass ich noch ausweichen konnte. Es tut mir leid, falls ich euch verschreckt habe, möglicherweise hätte ich mich mehr ankündigen sollen, aber ihr wart so vertieft in eure Literatur, dass ich nicht stören wollte. Deswegen dachte ich, ein kleiner Blick würde nicht schaden, aber anscheinend hat euch dies noch mehr beunruhigt, als wenn ich etwas gesagt hätte". Entschuldigend erhob ich meine Hände, stockte aber in der Bewegung, da sich vor meinen Augen etwas Unfassbares abspielte. Wurde Lady Penthagast etwa...rot im Gesicht? Natürlich hatte ich davon gehört, dass es Leute gab, die eine andere Farbe annahmen, wenn sie wütend wurden, aber das, was ich im Gesicht der Kriegerin erkennen konnte, war keine Wut, sondern Scham? Sie schämte sich für irgendetwas, aber wieso?

"Ich wollte nicht das ihr...also was ich sagen möchte ist". Ihr Blick glitt zu Boden und für einen Moment wirkte die sonst so starke Kriegerin wie nicht viel mehr als ein kleines Kind, welches dabei ertappt wurde, wie es etwas Verbotenes tat. Ich konnte nicht verhindern, dass ich anfing mich unwohl zu fühlen, denn ich wollte nicht, dass sie sich wegen mir peinlich berührt fühlte.

Der eiserne Drachen Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt