Nach Aellas Ansprache musste ich raus. Normalerweise wäre ich in ihr Zimmer geflüchtet, um mich dort zu beruhigen. Ich konnte nicht raus, weil ich befürchtete, dass Scarlet aus irgendeiner Ecke kam und mir auf die Pelle rückte. Sie war meiner Mutter so ekelhaft ähnlich, dass ich sie als ihr verfluchtes Remake sah.
Was auch immer... es war unerträglich.
Ich riskierte es, über die Notfalltreppe zu gehen und zu der Wiese zu gehen, wo ich mit Aella geschwänzt hatte. Den Sternenanhänger, den ich vor Kurzem geschenkt bekommen hatte, betrachtete ich dort zum ersten Mal länger, denn zuvor konnte ich meinen Blick schwer von dessen Herstellerin abwenden.
Der kleine Gegenstand hatte einen kleinen Stern und eine etwas längere Plakette mit eingravierten Ornamenten. Es schien, als hätte Aella dafür sehr viel Zeit genommen.
Warum hast du dich so angestrengt? Etwa für mich?
Ich strich mit meinem Daumen über die Gravur und hob sie dann an, um sie genauer zu inspizieren. Als sie dann etwas waagerecht vor meinen Augen lag und ich sie vor mich hin bewegte, entdeckte ich durch das andauernde Tageslicht, dass es keine Ornamente waren, sondern Schrift, die erst aus einem bestimmten Winkel sichtbar wurde.
›Immer wenn ich in den Nachthimmel sehe, muss ich an dich denken‹.
Ich konnte nicht anders, als die Worte mehrmals zu lesen, als müsste ich mich vergewissern, dass sie tatsächlich da standen. Ich schloss schmerzlich meine Augen und sog schwer nach Luft. Meine Brust fühlte sich schwer an und mein Inneres brannte.
Warum tust du mir das an, Aella? Warum lässt du mich denken, dass ich dir mehr bedeutete? Was genau bin ich für dich?
»Ich hätte nie gedacht, dass Ale in Therapie gehen würde«, murmelte Blaze am Abend nach meiner Rückkehr. Der Anhänger klimperte an meinem Schlüsselbund. Ich konnte nicht anders, als ihn anzuklipsen, obwohl er in mir so viele Fragen aufwarf.
»Ich weiß«, antwortete ich und setzte mich an meinen Schreibtisch. Zwischen uns war es schon lange nicht mehr ganz sauber. Zurzeit kamen wir nur miteinander aus. Ich war genauso an unserem angespannten Freundschaftsverhältnis beteiligt wie er.
»Sie sieht wirklich besser aus«, murmelte mein Zimmerpartner, während er auf seinem Bett saß. »Ich weiß.«
Ich konnte einfach keine anderen Worte finden, weil so viel in meinem Kopf war, einschließlich der Sache mit dem Anhänger. Genauso machte sich Aella Sorgen um meine Gesundheit. Nach allem, was sie durchgemacht hatte, war das Erste, was sie von mir wissen wollte, wie es mir ging.
»Hayden, du siehst scheiße aus«, sagte Blaze. Wir hatten dieses Gespräch schon mehrmals geführt. Mir war bewusst, dass ich an Gewicht verloren hatte und schlecht aussah und aus der Form geraten war. Ich hatte einfach so viel nachzudenken, und nicht alles davon bezog sich auf Aella, sondern auch auf meine Geschwister.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis meine Mutter etwas zu meckern hatte. Besonders, seitdem ich ihren Verpflichtungen kaum nachging, weil ich mich verkroch. Um es klar auszudrücken, ich versteckte mich auf Toiletten oder in anderer Weise. Besonders bei Mervlyn verbrachte ich am Wochenende Zeit und log über meine Aktivitäten. Ich befürchtete, dass sie bald dahinter kam.
»Ich weiß«, murmelte ich abwesend vor mich hin.
»Hayden, du siehst so aus, als ob du Breas Eichhörnchen-Kuscheltier überfahren hättest, und ich hoffe, dass du es nicht getan hast, denn sie stellt gerade ihre beschissene Stofftierarmee in Ales Zimmer auf. Sie würde es sofort herausfinden.«
Wie gerne würde ich mich zu den Kuscheltieren gesellen. Eine Zeit lang war ich so etwas Ähnliches, noch vor Monaten, als Aella sich in den Frühlingsferien an mich gekuschelt hat.
»Ich weiß.«
Ich hörte Blaze schnauben und seine Matratze knarzte. »Kannst du nichts anderes sagen?«
Ich strich mit dem Daumen über die Gravur des Anhängers. Mir war nicht danach, mit ihm oder irgendjemand anderem zu reden. Meine Freunde bemühten sich darum, aber ich hatte mich daran gewöhnt zu schweigen. Niemand konnte verstehen, was wirklich war, weder Treyton, noch Brea und auch nicht Blaze. Und besonders nicht Aella, sie hatte schon genug eigene komplexe Probleme.
Und wenn wir mal ehrlich sein wollen, ich konnte niemandem meine Gefühle für Aella gestehen.
»Übrigens, Aella meinte, dass sie möchte, dass wir wissen, was genau mit ihr ist. Sie will uns nichts verschweigen, aber auch nicht direkt darüber sprechen. Deswegen möchte sie uns ihr Therapiebuch zum Lesen geben. Wir gehen nach der Altersreihenfolge, da ich überstimmt wurde. Der Gremlin fängt also an«, klärte Blaze mich darüber auf, was ich nach meinem Verschwinden verpasst hatte.
Ich drehte mich zu meinem besten Freund um.
Therapiebuch?
Ich fand diesmal andere Worte als zuvor: »Ist sie sicher, dass wir ihre Gedanken lesen sollen?« Blaze nickte mit gespitzten Lippen. »Ja, das ist sie. Ale möchte, dass wir über ihren Zustand Bescheid wissen, weil wir ihr wichtig sind. Sie möchte nicht darüber schweigen.«
Ihr wichtig... bin ich ihr wichtig?... Sie ist mir wichtig.
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More Than Me - Cardell Academy II (German)
Teen FictionWar ich schon immer ihre letzte Wahl? Wieso reicht es mir nicht mehr aus, die letzte Wahl zu sein? Ich will der Erste sein. Der verdammte ERSTE. -•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-•-• Ich kann nicht mehr... ›Ich hoffe du erstickst an all deinen Lügen...